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kath 2:30 Dies DominiEs ist die Woche der großen Interviews des Papstes gewesen. Allein schon die Tatsache, dass ein Papst freimütig Rede und Antwort steht, ist ein Zeichen, dass hier nicht bloß ein Windhauch säuselt. Es deutet sich eher ein grundlegender Klimawandel an, der Schritt für Schritt die Kirche erfassen wird. Es scheint so, als sei die Zeit gekommen, von der es in der ersten Lesung des 27. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C heißt:

Denn erst zu der bestimmten Zeit trifft ein, was du siehst; aber es drängt zum Ende und ist keine Täuschung; wenn es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus. (Habakuk 2,3)

Die Zeit des Wartens war lang. Viele haben oft und viele Male auf die Notwendigkeit der Änderung hingewiesen. Oft wurde mit dem Hinweis auf die Tradition und die Hierarchie betont, dass alles so sein müsse, wie es ist. Und nun kommt dieser Papst aus Argentinien und stellt allein durch sein Handeln das bisher Geltende auf den Kopf.

Das ist neu und stiftet bei vielen Hoffnung. Doch nicht alle können sich freuen. Die Traditionalisten, die die Tradition, die doch der Vorgang der Weitergabe ist und damit nach vorne drängt, schon dadurch verraten, dass sie das Vergangene festhalten wollen, löst das Verhalten des Papstes Befremden aus. So wertet etwa Matthias Gaudron von der traditionalistischen Piusbruderschaft in Deutschland die Absage des Papstes an eine übertriebene Suche nach Sicherheit im Glauben als „sehr problematisch“ (Quelle: katholische.de)

Aber auch bei vielen Progressiven, die lange Jahre auf eine Veränderung in der Kirche gehofft haben, herrscht bisweilen Skepsis. Es scheint, als trauten sie den neuen Zeichen nicht. Oft werden dann Desiderate aufgezählt, die der Papst schuldig geblieben ist. Er hat dann dies nicht gesagt und das nicht getan. Das was bisher in den nur gut sechs Monaten des franziskanischen Pontifikats getan hat, wird dann bestenfalls als Wetterleuchten gedeutet, vielleicht noch als Wetterumschwung, auf den dann doch wieder das alte Nebelwetter folgen wird. Es hat manchmal den Anschein, als herrsche auch hier Angst vor zu viel Veränderung. Was passiert, wenn die eigenen Träume erfüllt werden? Ist man dann noch als Kritiker gefragt?

In einem sehenswerten Beitrag in der 3Sat-Sendung „Kulturzeit“ vom 1. Oktober 2013 gesteht der Münchener Soziologe Armin Nassehi, dass auch er anfänglich den neuen Zeichen aus Rom misstraut hat. Er habe darin eine subtile Art gesehen, doch den alten Weg zu präferieren. Jetzt aber müsse er einsehen, dass dieser Papst es tatsächlich ernst meine. „Er hat ja nur Worte“, stellt Nassehi fest, mit denen er die Änderung einleiten kann.

Hätten die Skeptiker recht, wäre das Handeln des Papstes eine Art „Anästhetikum“ gewesen, ein Opium des Volkes, das berauscht vom weißen Rauch nicht mitbekommt, wie der alte Wein langsam zu Essig wird. Danach sieht es aber gerade nicht aus. Allein die Tatsache, dass der Papst Interviews gibt, ist revolutionär. Die offene Art entwaffnet. Er ist pastoral – und das ist vielleicht genau das Problem. Denn statt unumwundene Regeln aufzustellen, verweist er darauf, dass es die Grenze des Privaten gibt. Damit sind die Verhältnisse neu definiert. Die Kirche hat die Aufgabe, aus dem Wort Gottes und der Überlieferung Lehren zu formulieren und zu verkünden. Diese Lehren sind wie Leuchttürme, an denen die Menschen ihr Handeln orientieren können. Es ist die Aufgabe des Papstes, diese Lehren zu garantieren. Die Umsetzung hingegen erfolgt im Leben der einzelnen Menschen. Ihr Gewissen und ihre Entscheidung ist gefordert. Dass es Entscheidungen ein für alle mal im Leben kaum geben kann ist eine Binsenweisheit. Die Entscheidungen müssen also immer wieder neu getroffen werden. Und hier spielen Umstände, Lebenserfahrung und vieles andere mehr eine Rolle, die die Lehre gar nicht erfassen kann. Deshalb findet die Lehre ihre Grenze im Privaten. Oder um es pointiert auszudrücken: Bis zur Schwelle des Schlafzimmers kann die Kirche vieles mit auf den Weg geben, was dahinter geschieht, ist nicht mehr ihre Sache!

Aber hier fangen viele schon wieder an, mehr vom Papst zu fordern. Wie Kinder fordern sie vom Papst eine Erlaubnis. Dabei mutet dieser Papst wie kein anderer vor ihm den Christen zu, erwachsen zu sein. Es ist paradox: Früher rief man nach Anerkennung. Jetzt, wo der Papst sie faktisch gibt, wird sie nicht wahrgenommen. Oder ist es selbstbewusst, wenn man gesagt bekommt, selbstbewusst zu sein?

Es ist ein wenig wie im Evangelium des 27. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C. Jesus formuliert eine Absurdität:

Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden, und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen. (Lukas 17,6)

Kein Glaube kann so groß sein, dass der Maulbeerbaum seinen Platz wechseln würde, denn es wäre gegen die göttlichen Naturgesetze. Aber das ist auch gar nicht nötig. Denn Jesus mahnt zu Alltäglichkeit und Selbstverständlichkeit. Am Beispiel des Sklaven macht er deutlich, dass für das, was jemand schuldig ist, keine Anerkennung zu erwarten ist, wenn er es tut.

Solange Christen auf das Außergewöhnliche warten, werden sie schuldig bleiben, das zu tun und zu sagen, was sie zu tun und zu sagen haben. Wenn sie es aber tun und sagen, ist hierfür keine Anerkennung zu erwarten. So ergeht es eben Erwachsenen und mündigen Menschen. Im Unterschied zu Kindern, die das Lob brauchen, um wachsen zu können, tut und sagt der, der sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit befreit hat, das, was er tun und sagen muss. Dieser Papst hat das Selbstverständliche gesagt. Eigentlich schade, dass das nötig war.

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. Eva Leinen schrieb am 5. Oktober 2013 um 23:20 :

    Mir kommt es manchmal so vor, als hätten die Kritiker Angst, dass sich etwas in ihre Richtung ändert. So als ob sie dann in Zugzwang geraten, aus der Meckerecke raus zu müssen. Wie wenn man ihnen den gewohnten Boden wegzieht. Sie müssen umdenken. Müssten nun zum Tun übergehen. Dieses „wenn die Kirche etwas so und so macht, dann würde ich ja auch“. Werden sie jetzt auch….? Eine neue Rolle und Sichtweise ist gefragt. Einige Entschuldigungen und Ausreden fallen weg. Ich bin gespannt, was noch kommt.

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