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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 7. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr A

Der Alltag ist der Feind des Außergewöhnlichen. Nichts scheint der moderne Mensch mehr zu fürchten als die Tristesse des Alltäglichen. Bunt soll es sein das Leben und harmonisch, frei von Not, Kampf und Auseinandersetzung. Und wo man früher das Brot im Schweiße seines Angesichts zu verdienen hatte, da hält der Supermarkt des Lebens nun allerlei Zerstreuung bereit. Und immer schwebt über allem die Außergewöhnlichkeit der eigenen kleinen Existenz, die von nichts in Frage gestellt werden soll.

Vielleicht ist das das Geheimnis all der Katholiken und Kirchentage, der Parteikongresse und neuerdings auch Bloggerkonferenzen wie etwa re:publica. Unter Gleichgesinnten kann man sich ohne Gefahr die Köpfe heißreden und sich der Außergewöhnlichkeit der eigenen Gemeinschaft versichern. Wir sind besonders, weil wir wir sind. Sonst erkennt es ja keiner.

Aber auch der bunteste Kirchentag und die aufregendste Konferenz geht ihrem Ende entgegen. Und wer auf dem Katholikentag eben noch ein jubilierendes Halleluja gesungen hatte wird – wie der aus den Medien bekannte Franziskaner Bruder Paulus Terwitte twitterte – schon am Bahnschalter der gastgebenden Stadt schnell in die Realität zurückgeholt:

Kann http://ow.ly/i/5KuRa #bahn sagen, das in Rgbg #kt14 ist? Nur 2 von 5 Schaltern offen. (Quelle: Tweet Br. Paulus Terwitte)

Es ist schon bitter, wenn der Mülleimer zu Hause darauf wartet, entleert zu werden, wo man doch eindeutig zu Höherem berufen ist. Und so dürften nicht wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Katholikentages 2014 in Regensburg in wenigen Tagen den Kirchenkater verspüren, wenn sie feststellen, dass der Sonntagsgottesdienst in der Heimatgemeinde ist wie immer.

Ähnlich ist es wohl auch den Aposteln ergangen. Das innere Auf und Ab, das sie seit dem Einzug Jesu in Jerusalem mitmachen mussten, fand ein vorläufiges Ende. Dem jubelnden Einzug in Jerusalem folgt die sogenannte Tempelreinigung ihres Lehrers Jesus. Weil er so den Kult in Frage stellte, brachte man die Tempelbehörde gegen sich auf – und auch die römischen Besatzer, die Unruhen dieser Art nicht duldeten. Man musste sich verstecken. An Pascha aber ging man wieder nach Jerusalem um beim Mahl, das ihr letztes gemeinsames werden sollte, diese seltsamen Worte Jesu zu hören. Aber sie sangen die Hallel-Psalmen wie immer zu Pascha als sie in den Garten Gethsemane zogen. Ihr Rabbi war eigenartig und still, dann der Lärm und der Kampf mit der Tempelpolizei. Aber er ließ sich verhaften und abführen. Gefoltert wurde er und ans Kreuz geschlagen. Das Halleluja des Vorabends war tiefer Verzweiflung und Todesangst gewichen; würde es jetzt auch sie treffen: „Was haben wir denn mit diesem zu schaffen, der uns von unseren Fischernetzen weggerufen hat? Wir dachten doch bloß …“ Und dann das Außergewöhnliche, das Nichtverständliche, die Auferstehung – anders, ganz anders und doch real war ihr Rabbi unter ihnen. Die Euphorie war groß. Bis jetzt. Jetzt war er zum Himmel aufgefahren. Und sie waren dabei. Sie waren auserwählt, das zu erleben.

Und jetzt: apostolischer Alltag. Zurück nach Jerusalem und ab in das Obergemach und die Türen zu. Wer weiß schon, was jetzt geschieht. Was sollten sie denn jetzt noch tun? Beten! Beten hilft doch immer – oder? Kann auf jeden Fall nicht schaden.

Die erste Lesung vom 7. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr A (Apostelgeschichte 1,12-14) schildert mit einigermaßen dürren Worten diese Situation der Jünger die sich nach der Himmelfahrt Jesu zurückziehen. Sie kehren in das Obergemach zurück, also an den Ort, an dem auch das Abendmahl stattgefunden hat. Der Text weiß, dass neben den Aposteln auch deren Frauen und Maria, die Mutter Jesu, mit seinen Brüdern anwesend waren. Es heißt lapidar, dass sie dort nun ständig blieben und einmütig im Gebet verharrten.

Nach dem Außergewöhnlichen der Gegenwart des Auferstandenen und seiner Himmelfahrt geschieht kein Aufbruch, sondern ein Rückzug. Vor der Himmelfahrt hatten sie von dem Auferstandenen eine Zusage erhalten:

Ihr werdet die kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. (Apostelgeschichte 1,8)

Aber sie sitzen immer noch zusammen. Sie beten, einmütig – aber es passiert: nichts. Noch nichts.

Der Kreis der Zurückgebliebenen wächst an. 120 Brüder sollen es schließlich gewesen sein, als die Untätigkeit des Betens unerträglich wird. Petrus, der es als Fischer gewohnt ist, zu arbeiten statt lange herumzusitzen, hält es schließlich nicht mehr: Auf seine Initiative hin wird der Kreis der Zwölf wieder vervollständigt (vgl. Apostelgeschichte 1,15-26).

Dann am 50. Tag nach der Auferstehung bricht der Sturm endlich los. Wie von Christus verheißen haucht der Geist Gottes den Verschlossenen neues Leben ein, sie brechen auf und verkünden. Der Alltag hat sie endlich wieder, die Depression der Phase nach der Euphorie ist vorbei. Und zum Alltag gehören die täglichen kleinen und großen Auseinandersetzungen. Die immer wieder beschworene Einheit der Gemeinde muss jeden Tag neu errungen werden. Neue Probleme verlangen nach neuen Lösungen. Angriffe und Kritik von Außen verlangen Rechtfertigung und Standhaftigkeit. Und die Apostel lernen: In der Schwachheit erweist sich Gottes Kraft, in der Angst gibt Gott Mut, im Alltag blüht das Leben.

Die Kirche von heute ähnelt sehr der Situation, von der die erste Lesung des 7. Sonntags der Osterzeit im Lesejahr A erzählt. Hinter verschlossenen Türen sucht man eine Einmut, die sich als Gemeinschaft der Glaubenden tarnt. In geistlichen Gemeinschaften und bunten Kirchentagen blendet man die Welt aus. Man betet, weil man ja doch nichts tun kann. Und doch gibt es einen wichtigen Unterschied: Bei den Aposteln war es die Ruhe vor dem Sturm, jenem Sturm des göttlichen Lebensatems, der seitdem in der Kirche wehen soll. Der Heilige Geist ist längst ausgegossen, worauf warten sie noch? Dass ein Bischof oder Papst sagt: Ihr dürft jetzt dies oder das tun? Der Auftrag Gottes ist doch längst erteilt.

Wer nur nach oben schaut und von dort ein Wunder erwartet, wird die Blume am Wegesrand nicht sehen. Das Leben blüht – auch im Asphalt. Jeder Gärtner kennt doch diesen Gottesbeweis, wenn das Grün unaufhaltsam und unausrottbar aus den Ritzen quillt. Auf ihr Christen, worauf wartet ihr noch? Trauert nicht dem Außergewöhnlichen nach, wartet nicht auf Wunder, benehmt euch nicht wie trotzige Kinder. Steht auf vom Schlaf und beackert den Garten Gottes. Entdeckt das Grün in den Ritzen des Alltags. Hegt es, gießt es, pflegt es – es wird blühen! Und wer weiß schon, welche Blüten an geschlossenen Bahnschaltern darauf warten, zum Leben erweckt zu werden …

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

4 Kommentare

  1. Heinz E. schrieb am 1. Juni 2014 um 10:02 :

    Halleluja! So ist es! Der Glaube gehört gelebt, draußen in der Welt! Während die 12 noch verzweifelt versuchen Israel im Tempel zu erreichen, weht der Geist schon längst bei den Heiden in Antiochia. Nur hat Petrus nach der Erkenntnis, den Aufbruch verpennt zu haben, nicht mit Exkommunikation gedroht 😉

    • Dr. Werner Kleine schrieb am 1. Juni 2014 um 19:35 :

      Ganz so einfach ist es nicht, auch wenn die Tendenz richtig ist. Aber Paulus zieht nach Jerusalem hinauf, um Jakobus, Petrus und Johannes sein Evangelium vorzulegen, damit er nicht „vergeblich laufe oder gelaufen war“ (vgl. Galater 2,1f). Auch damals galt nicht, dass jeder nach eigenem Gutdünken tat und ließ, was er wollte. Die Einheit der Kirche war schon damals oberstes Gebot. Und dazu zählte für Paulus wohl auch die Anerkennung der Autorität der Zwölf. Zweifelsohne war er aber durchaus imstande, unter Anerkennung der Autorität mit doch sehr handfesten Argumenten für seine Sache zu streiten, wie der Fortgang der Erzählung in Galater 2,11ff zeigt. Autorität ist an sich ja nichts Schlechtes, das unkritische Hinterherrennen hinter Autoritäten sehr wohl. Paulus weist uns da den richtigen Weg: Streiten für die eigene Sache, ohne in Eigenmächtigkeit zu verfallen. Auch Autoritäten bewegen sich, wenn der Druck groß genug wird ;-).

  2. Heinz E. schrieb am 4. Juni 2014 um 07:16 :

    Von Paulus war auch keine Rede! Paulus trifft in Antiochia bereits auf eine lebhafte Kirche! Wenn man sich die Geschichte der sieben Diakone um den ersten Märtyrer anschaut, dann wird sehr deutlich, dass die Mission nicht gerade von den 12 ausgeht. Die segnen dann nur noch das ab, was der Geist bewirkt hat.

    • Dr. Werner Kleine schrieb am 4. Juni 2014 um 09:21 :

      Dem ist zuzustimmen. Das ist eine Tendenz, die die Apostelgeschichte auch an anderer Stelle entfaltet (etwa bei der Taufe des Hauptmanns Cornelius). Und doch muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Antiochener Tradition, in die auch Paulus gehört, nicht komplett eigene Wege gehen kann und will. Es sind ja Antiochener bei Paulus, als er nach Jerusalem zieht. Es geht also nicht nur um ihn. Gemeinsam kämpfen sie für Ihre Sache. Es gilt eben nicht einfacher Gehorsam, sondern Fortschritt aus Erkenntnis, zu der man die 12 in Jerusalem bringen muss und bringt! Von daher gebe ich Ihnen völlig Recht – mit der kleinen Einschränkung (wenn es denn überhaupt eine ist), dass der antiochenische Fortschritt die Einheit nicht aus dem Blick verliert. Im Gegenteil: Wo der Fortschritt die Einheit zu bedrohen beginnt, gibt es Kommunikation, Ringen im konstruktiven Streit, aber eben keine Eigenmächtigkeit.

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