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kath 2:30 Dies DominiDies domini – Vierter Fastensonntag, Lesejahr B

Die Nacht ist wahrheitstauglich. Wenn der Sinn äußeren Sehens behindert ist, schärfen sich nicht nur die anderen Sinne. Man hört und riecht nicht nur besser, der Tastsinn ist nicht nur sensibler; der Verlust der Macht der Bilder, die die Aufmerksamkeit im hellen Taglicht absorbiert und nur allzu oft zu Fehlschlüssen verleitet, macht den Geist frei für das innere Sehen. Es ist schon bemerkenswert, wie oft in der Bibel erwähnt wird, dass es Nacht ist. Schon die Schöpfung beginnt mit der Nacht, heißt es doch:

Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag. (Genesis 1,3-5)

Die Nacht gebiert den Tag. Die Nacht ist schöpferisch. Das Licht wird aus dem Dunkel erschaffen. Es wundert daher nicht, dass viele bedeutende Ereignisse mit der Nacht verbunden sind. Die Befreiung Israels aus Ägypten beginnt nächtens (vgl. Exodus 2,6-8), es wird Nacht sein, wenn Jesus mit den Seinen das letzte Abendmahl halten wird und das Heilsgeschehen seinen Lauf nimmt und es ist der Schutz der Nacht, in dem Leben aus dem Tod geschieht. Die Nacht ist der Ort der Offenbarung, wenn keine irdischen Bilder den Geist ablenken und stören. Die Nacht ist der Ort der Erkenntnis und der Einsicht.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 11. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Frömmigkeit feit vor Fehlern nicht. Schon gar nicht, wenn sich Frömmigkeit zur Überheblichkeit eines Bewusstseins außergewöhnlicher Erwähltheit entwickelt, die lässig auf all die herabschaut, die man für weniger fromm hält, als man es selbst ist. Gerne spricht der Fromme dann von den „Heiden“ und urteilt über alles, was nicht in sein Weltbild passt als „heidnisch“, vor allem dann, wenn er es mit Menschen zu tun hat, die vermeintlich ungläubig sind.

Freilich zeugt eine solche Denkweise von einer fundamentalen Wissenslücke, bezeichnet das Wort „Heide“ in den deutschen Übersetzungen des Neuen Testamentes meist jene Menschen, die im griechischen Urtext als ἔθναι (éthnai) bezeichnet werden. Der Begriff leitet sich von ἔθνος  (éthnos) ab, der einfach „Volk“ bedeutet. Das ἔθνος τοῦ θεοῦ  (éthnos toû theoû) ist das Volk Gottes. So bezeichnet sich das Volk Israel selbst. Davon werden die ἔθναι  (éthnai) abgegrenzt – die Völker. Im Griechischen entsteht auf diese Weise ein signifikanter Unterschied, der semantisch aber doch Verwandtschaften zeigt. Theologisch hingegen liegen Welten zwischen Israel und den Völkern, wie er im Hebräischen zum Ausdruck kommt. Es ist Israel, mit dem Gott einen Bund geschlossen hat, wie es in der ersten Lesung vom 11. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A heißt:


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kath 2:30 Dies DominiEin Toter lebt wieder – und fährt in den Himmel auf. Was soll man von Menschen halten, die so etwas behaupten? Erzählen können die viel, diese elf Männer und ein paar Frauen damals in Galiläa. Unglaublich. Da muss doch etwas dahinter stecken … Was glauben Sie denn?

Verschwörungstheorien entstehen auf dem Boden komplexer Wirklichkeiten, die sinnlos scheinen. Sinnlosigkeit aber kann der Mensch nicht ertragen. Das menschliche Gehirn will auch in zufälligen Formen Muster zu erkennen. Stellen Sie sich zum Beispiel zwei Punkte vor, durch deren Mittelachse ein senkrechter Strich geht, unter dem sich im rechten Winkel ein weiterer Strich befindet. Was sehen Sie? Sie sehen sofort ein Gesicht, obwohl es nur zwei Punkte und zwei Striche sind. Unser Gehirn nutzt die im Leben gemachten Erfahrungen, um auf dieser Basis Vorurteile auszuprägen, die Zuordnungen und Entscheidungen vereinfachen. Da ist oft von Vorteil. Das Vorurteil, bei einer roten Ampel anhalten oder stehen bleiben zu müssen, kann lebensrettend sein. Andernfalls müsste man immer einen ganzen Entscheidungsprozess durchlaufen. Bis der beendet wäre, hätte manch einer seine persönliche Himmelfahrt angetreten …


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Palmsonntag, Lesejahr A

Nein: Ostern fällt nicht aus! Palmsonntag auch nicht. Nichts ist wie es sein soll in den Zeiten der Corona-Pandemie. Die Heilige Woche, die mit dem Palmsonntag beginnt und in ihrer Dramaturgie über die Vergegenwärtigung des letzten Abendmahles, des Leidens und Sterbens Jesu und seine Auferstehung durch Trauer in die Osterfreude führen wird, wird nicht so mit den tiefen Symbolen und starken Riten gefeiert werden, wie Christinnen und Christen es gewohnt sind. Es ist eine verstörende Erfahrung. Das Selbstverständliche wird verrückt. Sicher: Die Liturgien werden gefeiert, bisweilen sogar live oder via Aufzeichnung ins Internet übertragen. Man kann vielerorts seine heimische Kirche mit den vertrauten Seelsorgerinnen und Seelsorgern erkennen. Aber es ist nicht dasselbe. Es ist anders. Wird es auch anders bleiben?

Der tschechische Theologe Tomáš Halík sieht in der derzeitigen Erfahrung leerer Kirchen, in denen Liturgie zelebriert, eine Vorwegnahme einer Erfahrung, die in wenigen Jahren zum kirchlichen Alltag gehören wird. Noch sitzen die treu Glaubenden vor den Bildschirmen und schauen online zu – ja, feiern vielleicht sogar andächtig mit – wenn im leeren und doch merkwürdig stillen Kirchenraum der vertraute Ritus in ungewohnter Leere gefeiert wird. Wird die Online-Liturgie aber auch das Modell der Zukunft sein. Wird da noch jemand sein, der mitfeiert? Oder erleben wir jetzt schon jenes Menetekel, das bereits der Prophet Daniel dem König Belschazzar auslegte:


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Dritter Fastensonntag, Lesejahr C

Frommsein muss sich lohnen. Die Schadenfreude über das Unglück derer, die in den Augen der Frommen nicht bestehen können, wird zur Bestätigung der eigenen Opfer. Wo aber Frömmigkeit zum Opfer wird, hat sich die befreiende Kraft der frohen Botschaft wohl schon längst von dannen gemacht.

Gerne schaut der Fromme freilich hinab in die Niederungen der Welt. Er weiß sich ja schließlich auf der sicheren Seite. Dafür betet er, dafür geht er in den Gottesdienst. Dadurch hat er sich schließlich einen Anspruch auf das Heil erworben. In dieser eitlen Frömmigkeit entwickeln viele Gläubige eine arrogante Herablassung, in der man an Weihnachten gerne von U-Boot-Christen spricht, die einmal jährlich auftauchen, oder sich über Familien von Erstkommunionkindern empört, die doch nur am schönen Schein des Festes interessiert seien und am Sonntag nach dem großen Fest schon nicht mehr gesehen sind. Niemand stellt dann die Frage, warum man sich selbst und seine Frömmigkeit offenkundig nicht so ansteckend vermitteln konnte, dass es eine Lust ist, Teil der eitelfrommen Gemeinschaft zu werden. Glaubt man wirklich, dass derart larmoyante Selbstgerechtigkeit werbend wirkt?


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 31. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B

Der Glaube des Volkes Israel war eine Herausforderung für die anderen Völker. Wo man viele Götter kannte, die man in menschlicher, teilweise in tierischer Gestalt figurativ darstellen und die Götterfiguren selbst sogar verehren konnte, bedeutet die Verehrung eines Gottes, der sich eine bildhafte Darstellung geradezu verbittet, der nicht sichtbar ist, dem man sich mit Verstand und Intellekt nähern kann und der von denen, die sein Volk sind, als geschichtlich wirksam erfahren wird, geradezu einen Affront – aber auch eine Verheißung! Gerade in neutestamentlicher Zeit scheint das Bekenntnis zu dem einen Gott auf Teile der polytheistisch geprägten Umwelt großen Eindruck gemacht zu haben. Sogenannte „Gottesfürchtige“, Nichtjuden – also Heiden – die mit dem jüdischen Monotheismus sympathisierten, gerade weil er intellektuell anspruchsvoll war, fanden sich wohl im Umfeld vieler jüdischer Synagogen. Wären die Anforderungen für den Übertritt ins Judentum nicht so hoch – immerhin mussten die Konvertiten sich der Beschneidung unterziehen und die 613 Gebote der Thora befolgen – und wäre man auch als Proselyt soziologisch nicht immer ein „Hinzugekommener“ geblieben, es hätte wohl viele aus den Heiden gegeben, die sich ins Volk Israel hätten eingliedern lassen. Diese Gemengelage bildete den Kontext, in dem Paulus das Evangelium der Auferstehung des Gekreuzigten verkündete. Er predigte häufig zuerst in den Synagogen – und traf dort vor allem die Herzen jener Gottesfürchtigen, die offen für den jüdischen Monotheismus waren, den konsequenten Übertritt aber scheuten. Nun bot sich ihnen mit der paulinischen Verkündigung die Möglichkeit, in jenen neuen Bund einzutreten, der in Kreuzestod und Auferstehung Jesu begründet ist und der das „neue“ Israel hervorbringt. Die frühen Christen verstanden sich dabei nicht als neue Religion, noch weniger als eigenständige Kirche. Vielmehr empfand man sich, geprägt durch das Jesusereignis, als konsequente Erweiterung dessen, was im Alten Bund seinen Anfang nahm und nun in einem Neuen Bund weitergeführt wird. Auch das wurde wohl nicht als wirklich revolutionär empfunden, kennt doch bereits die Thora insgesamt drei Bundesschlüsse, die aufeinander aufbauen und die jeweils vorherigen erweitern: den noachitischen Bund (vgl. Genesis 9,9-17), den abrahamitischen Bund (vgl. Genesis 17,7-14) und schließlich den mosaischen Bund oder auch Sinaibund (vgl. Exodus 24). Im Bewusstsein der frühen Christen, speziell in der antiochenischen Theologie, die auch Paulus geprägt hat, ereignet sich in Kreuzestod und Auferstehung ein weiterer Bundesschluss, der im Vergleich zu den drei anderen Bundesschlüssen als „Neuer Bund“ bezeichnet wird, weil sich hier in der Tat radikal Neues ereignet: Gott schließt den Bund jetzt nicht mehr nur mit dem einen Volk Israel; der Bund wird erweitert auf die Völker: das neue Israel aus den Völkern entsteht.


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kath 2:30 Dies DominiFahr zur Hölle, Jesus! Zwischen karfreitäglichen Totentanz, der für viele selbsternannte Gottlose ein Heidenspaß ist, und dem Osterlachen derer, die in der Osternacht die Auferstehung des Gekreuzigten feiern, liegt der Karsamstag. Die Ohnmacht des Karfreitags ist noch spürbar, als man, wahrscheinlich im Jahr 30 unserer Zeitrechnung, den galiläischen Rabbi Jesus von Nazareth durch die engen Gassen Jerusalems führte – er, bereits von den Folterungen gezeichnet den Querbalken des Kreuzes, das Patibulum, auf den Schultern tragend und angetrieben von Soldaten, während am Gassenrand hinter den Gaffern das lärmende Leben einfach weiterging mit Lachen, Weinen, Tanzen, Klagen – Alltag halt. Viel hat sich seitdem nicht geändert, wenn die, denen der Kreuzestod Jesu nichts bedeutet, auch heute lieber tanzen wollen – ein richtiger Heidenspaß halt: Zur Hölle mit diesem Jesus!

Dass Gott die Heiden je ernst nehmen könnte, damit haben die Frommen schon zur Zeit Jesu nicht gerechnet. Ein Heide ist von jeher ein Goj, ein Nichtjude. Die Heiden, von denen die Bibel spricht, sind die nichtjüdischen Völker. Gott hatte sich das eine Volk Israel erwählt, ihm seinen Namen offenbart und mit ihm den Bund geschlossen. Sicher gilt die Verheißung: Wenn der Messias, der Gesandte Gottes kommt, dann werden auch die Völker zum Zion kommen.

Die Jüngerinnen und Jünger, die mit Jesus durch Galiläa und später durch Judäa nach Jerusalem zogen, haben wohl große Hoffnungen in Jesus gesetzt. Oft genug berichten die Evangelien aber auch davon, dass sie ihn nicht verstanden, ihn und seine Botschaft vom Reich Gottes, das eben nicht von dieser Welt ist. In Jerusalem kommt es schließlich zur Katastrophe: Ihr Meister, ihr Rabbi stirbt am Kreuz einen Tod, den man damals als Tod der Gottverlassenen verstand. Wer am Kreuz starb, der fuhr zur Hölle, verlassen von Menschen und Gott.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 7. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Selfie – die Zeitgenossen im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts werden Zeugen der Erschaffung einer neuen Instanz der menschlichen Psyche. Über-Ich, Ich, Es – das alles scheint in den Hintergrund zu rücken angesichts der Macht, das Selfie selbst zu konstruieren. Dabei stört es wenig, dass „Selfie“ linguistisch ein Diminutiv ist – also eine Verkleinerung des Selbst einschließt. Das selbstgemachte und erfundene Ich, das „Selfie“, ist bestenfalls niedlich, selbst wenn Coolness suggeriert werden soll. Das „Selfie“ offenbart nur zu schnell, dass die konstruierte Fassade nur mühsam das wahre Ich zu verschleiern vermag. Auch hier gilt: Hinter der Maske verbirgt sich das wahre Gesicht. Bleibt nur zu fragen, warum das wahre Gesicht sich eine Maske erschafft … Ist das Selbstbewusstsein tatsächlich so klein, dass es sich selbst hinter einem „Selfie“ verstecken kann?

Das Selfie soll etwas darstellen. Es ist eine tönerne Maske, in sich und an sich hohl – ein selbstreferentielles Spiegelbild eines identitären Konjunktivs: So könnte man sein, wenn es nur so wäre. Aber klingt hinter diese Maske wirklich eine Persönlichkeit?


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Christkönigssonntag, Lesejahr C

Das heutige Evangelium beinhaltet aus meiner Sicht einen DER Kernsätze und einen Verständnisschlüssel unseres Glaubens: Jesus sagt zu dem neben ihm gekreuzigten Verbrecher:

Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43).

Und zwar gibt Jesus dieses Versprechen ohne lange vorhergehende Glaubensgespräche. Es geht ein kurzer Dialog zwischen den beiden rechts und links von Jesus gekreuzigten Männern voraus, denn der eine verspottet, trotz seiner eigenen aussichtslosen Situation, Jesus:

Bist du nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns! (Lk 23, 39)

woraufhin der andere ihn zurecht weist:

Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht Recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. (Lk 23,40f.).

Der Mann hat, zumindest entsteht dieser Eindruck, auch aufgrund seiner eigenen „Charakterisierung“ (Uns geschieht Recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten), viel Unrecht und Verbrechen begangen, also kein Leben, das als „gottgefällig“ bezeichnet werden könnte, geführt. Aber am Ende seines Lebens, im wahrsten Sinne des Wortes, im Angesicht Gottes, erkennt er diese eigene Schuld und seine Sünde, also sein von Gott getrennt sein, und bekennt sich in diesem – letzten Lebens- -Moment zu Gott, indem er seinen Sohn als Gott bezeichnet und identifiziert. Das `reicht` Jesus für die feste Zusage: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. Ohne Kompromisse, ohne Wenn und Aber. 


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Erster Fastensonntag, Lesejahr B

Der Fluch der Freiheit lastet schwer auf dem Menschen. Zur Freiheit ist er geboren. Die Aufgabe der Freiheit ist nicht nur Recht, sondern auch Pflicht. Nicht wenige schaffen sich die Illusion einer absoluten Freiheit, des Tun-und-Lassen-Könnens nach eigenem Gusto. Dabei sind der Freiheit natürliche Grenzen gesetzt. Das Phänomen der Zeit alleine begrenzt das menschliche Streben nach absoluter Freiheit. Wenn überhaupt, dann ist ein Mensch nur bei seiner ersten Entscheidung absolut frei. Mit dieser Entscheidung aber setzt er einen irreversiblen Akt, zumal dann, wenn diese freiheitliche Entscheidung auch in eine Tat umgesetzt wird. Aber sowohl der bloße Gedanke wie auch die ausgeführte Tat setzen ein Faktum in die Welt, eine Tatsache, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Die fortlaufende Zeit verhindert eine Rückkehr zum Status ante quo. Man kann weder den gedachten Gedanken noch die ausgeführte Tat rückgängig machen. Sie sind geschehen. Man kann sie korrigieren, wiedergutmachen, ausnutzen, weiterverfolgen – aber ungeschehen machen kann man sie nicht. Der fortschreitende Lauf der Zeit verhindert das. Jede freiheitliche Entscheidung zeitigt so unmittelbar Konsequenzen, die den Rahmen für alle folgenden Entscheidungen bilden. Jede folgende Entscheidung ist nie mehr absolut frei, sondern beeinflusst vor den vorhergehenden Entscheidungen. Und das ist allein die Betrachtung aus der Perspektive des Individuums. Nimmt man die soziale Dimension des Menschsein hinzu, dann wird das Streben nach Freiheit noch weiter eingegrenzt. Denn jede individuelle Entscheidung hat ihre mehr oder weniger großen Auswirkungen auf die Entscheidungen anderer Individuen.

Die Freiheit ist ein wahrhaft hohes Gut. Sie ist kostbar, gerade weil sie begrenzt ist. Freiheit ist nicht unbegrenzt verfügbar. Ein Mensch, der sich absolut frei im Sinne einer „Freiheit von Zwängen“ wähnt, erliegt deshalb einer Illusion. Gerade weil die eigenen freiheitlichen Entscheidung korrelierend auf die freiheitlichen Entscheidungen anderer einwirken, kann Freiheit eigentlich nicht im Sinn einer „Freiheit von“ verstanden werden. Die Freiheit als kostbares Gut gedeiht nur auf einem Boden, der mit Verantwortung gedüngt ist. Wahre Freiheit setzt die Übernahme von Verantwortung voraus.

Eine Freiheit ohne vorausgehendes Verantwortungsbewusstsein trägt den Keim der Vernichtung in sich. Der Einzelne setzt sich selbst ohne Verantwortung den Mitmenschen gegenüber absolut. Er ist keinem Rechenschaft mehr schuldig, keinem Menschen, keinem Gegenüber, Gott schon gar nicht. Das Böse, die die Ordnung der Welt zerstörende Kraft gewinnt dann die Oberhand. In der Bibel wird diese Macht auch als שָׂטָן (hebräisch: Satan) bezeichnet. שָׂטָן/Satan bedeutet übersetzt „Gegner“. Der Begriff bezeichnet eine dem Willen Gottes gegenläufige Macht, die die Ordnung der Welt durcheinander bringt. Sie ist wahrhaft diabolisch (vom griechischen διάβολος – sprich: diábolos – wörtlich: der Durcheinanderbringer).


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