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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 31. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B

Der Glaube des Volkes Israel war eine Herausforderung für die anderen Völker. Wo man viele Götter kannte, die man in menschlicher, teilweise in tierischer Gestalt figurativ darstellen und die Götterfiguren selbst sogar verehren konnte, bedeutet die Verehrung eines Gottes, der sich eine bildhafte Darstellung geradezu verbittet, der nicht sichtbar ist, dem man sich mit Verstand und Intellekt nähern kann und der von denen, die sein Volk sind, als geschichtlich wirksam erfahren wird, geradezu einen Affront – aber auch eine Verheißung! Gerade in neutestamentlicher Zeit scheint das Bekenntnis zu dem einen Gott auf Teile der polytheistisch geprägten Umwelt großen Eindruck gemacht zu haben. Sogenannte „Gottesfürchtige“, Nichtjuden – also Heiden – die mit dem jüdischen Monotheismus sympathisierten, gerade weil er intellektuell anspruchsvoll war, fanden sich wohl im Umfeld vieler jüdischer Synagogen. Wären die Anforderungen für den Übertritt ins Judentum nicht so hoch – immerhin mussten die Konvertiten sich der Beschneidung unterziehen und die 613 Gebote der Thora befolgen – und wäre man auch als Proselyt soziologisch nicht immer ein „Hinzugekommener“ geblieben, es hätte wohl viele aus den Heiden gegeben, die sich ins Volk Israel hätten eingliedern lassen. Diese Gemengelage bildete den Kontext, in dem Paulus das Evangelium der Auferstehung des Gekreuzigten verkündete. Er predigte häufig zuerst in den Synagogen – und traf dort vor allem die Herzen jener Gottesfürchtigen, die offen für den jüdischen Monotheismus waren, den konsequenten Übertritt aber scheuten. Nun bot sich ihnen mit der paulinischen Verkündigung die Möglichkeit, in jenen neuen Bund einzutreten, der in Kreuzestod und Auferstehung Jesu begründet ist und der das „neue“ Israel hervorbringt. Die frühen Christen verstanden sich dabei nicht als neue Religion, noch weniger als eigenständige Kirche. Vielmehr empfand man sich, geprägt durch das Jesusereignis, als konsequente Erweiterung dessen, was im Alten Bund seinen Anfang nahm und nun in einem Neuen Bund weitergeführt wird. Auch das wurde wohl nicht als wirklich revolutionär empfunden, kennt doch bereits die Thora insgesamt drei Bundesschlüsse, die aufeinander aufbauen und die jeweils vorherigen erweitern: den noachitischen Bund (vgl. Genesis 9,9-17), den abrahamitischen Bund (vgl. Genesis 17,7-14) und schließlich den mosaischen Bund oder auch Sinaibund (vgl. Exodus 24). Im Bewusstsein der frühen Christen, speziell in der antiochenischen Theologie, die auch Paulus geprägt hat, ereignet sich in Kreuzestod und Auferstehung ein weiterer Bundesschluss, der im Vergleich zu den drei anderen Bundesschlüssen als „Neuer Bund“ bezeichnet wird, weil sich hier in der Tat radikal Neues ereignet: Gott schließt den Bund jetzt nicht mehr nur mit dem einen Volk Israel; der Bund wird erweitert auf die Völker: das neue Israel aus den Völkern entsteht.

Die Erkenntnis dieser radikalen Neuheit bildet den Hintergrund der zweiten Lesung vom 31. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B. Das Schreiben an die Hebräer spielt in vielfältiger Weise mit der Bundestheologie, um die Neuheit des in Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi begründeten Bundes herauszustellen. Deshalb heißt es:

Im Alten Bund folgten viele Priester aufeinander, weil der Tod sie hinderte zu bleiben; er aber hat, weil er auf ewig bleibt, ein unvergängliches Priestertum. Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten. Hebräer 7,23-25

Der „Alte Bund“ war gewissermaßen zeitlich und deshalb von einem ständigen Werden und Vergehen geprägt, das sich in einem Kommen und Gehen der Priester zeigt. Der Tod machte es unmöglich, dass auch nur einer der Priester des Alten Bundes ewig wirken konnte. Das ist nun anders. Durch die Auferstehung vom Kreuzestod wurde Jesus Christus selbst zum ewigen Hohenpriester, der am Kreuz das eine und ultimative Opfer, das die Verbindung der Menschen mit Gott bewirkt, getan hat. Jetzt braucht es keine Priester mehr, denn es gibt den einen Hohenpriester, der auf ewig Priester bleibt. Weil aber sein Kreuzestod in nach der Thora (vgl. Deuteronomium 21,23) als Verfluchten, also als Gottverlassenen ausweist, die Auferstehung aber nur durch Gotteswirksamkeit möglich ist; weil also deshalb die gottgewirkte Rettung des Gottverlassenen ein Paradox ist, dessen Lösung nur möglich ist, wenn die Auferstehung des Gekreuzigten als göttlicher Hinweis die weniger als Überwindung denn als Erfüllung der Thora verstanden wird, durch die das Zeitalter beginnt, in dem die prophetische Verheißung eintritt, dass sich nun die Völker zu dem einen Gott bekennen. Es ist der Beginn der messianischen Zeit, in der sich die Christenheit bis auf den heutigen Tag befindet, die Zeit des neuen Israel, in dem das Volk Israel aufgehoben ist, mit dem Gott zuerst den Bund schloss, nun aber eben auch die Völker in den in Kreuzestod und Auferstehung begründeten erweiterten Bund eintreten.

Wie eng dieser erweiterte Bund mit den ersten Bundesschlüssen Gottes mit Israel zusammenhängt, wird an der Korrelation der ersten Lesung mit dem Evangelium vom 31. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B deutlich. Die erste Lesung enthält das Glaubensbekenntnis, das das jüdische Volk im Herzen, in der Seele und mit ganzer Kraft bis heute prägt, das שְׁמַע יִשְׂרָאֵל Schma Jisrael:

Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Deuteronomium 6,4f

Auf dieses Bekenntnis zu dem einen Gott im Ersten Bund sind auch die Christen als neues Israel bis heute verpflichtet. Nicht ohne Grund beginnt deshalb das große Glaubensbekenntnis mit den Worten:

Wir glauben an den einen Gott!

Auch Jesus selbst erinnert den Schriftgelehrten im Evangelium an dieses Bekenntnis, als jener ihn nach dem wichtigsten Gebot fragt:

In jener Zeit ging ein Schriftgelehrter zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Markus 12,28b-30

Jesus freilich fügt ein zweites wichtiges Gebot hinzu:

Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. Markus 12,31

Auch dieses Gebot ist den Juden nicht fremd, ist es doch Teil der Thora:

An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der HERR. Leviticus 19,18

Während bei Leviticus der enge Zusammenhang der Nächstenliebe mit den Angehörigen des eigenen Volkes im Vordergrund steht, fehlt dieser in der jesuanischen Variante. Es scheint so, als entgrenze Jesus die Nächstenliebe geradezu, weil der erweiterte Bund selbst entgrenzt ist und nun alle Völker mit hineinnimmt: Der eine Gott ist nun nicht mehr nur Gott Israels, sondern Gott für die Vielen!

Das ist das eigentlich Neue am christlichen Glauben, das mit dem Alten nicht bricht, sondern es weiterführt. Die Rede vom Alten und vom Neuen Bund an sich ist nicht falsch. Sie findet sich ja schon bei Paulus (vgl. 2 Korinther 5,17 sowie die Erwähnung des „Neuen Bundes“ im Einsetzungsbericht in 1 Korinther 11,25). Und doch ist sie missverständlich in dem Sinne, dass es einen Gegensatz insinuiert. Dieser Gegensatz wird sicher durch den Satz des Paulus

Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. 2 Korinther 5,17

scheinbar verstärkt. Aber eben nur scheinbar! Das Neue, das aus dem Alten geworden ist, macht das Alte nicht per se ungültig. Es führt es weiter. Deshalb sagt Jesus selbst:

Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht. Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. Matthäus 5,17-19

Die Christenheit hat im Laufe ihrer Geschichte nur allzu oft und immer wieder vergessen, dass sie ihre Wurzeln im Judentum liegen. Es ist der Glaube des Volkes Israel, sein Bekenntnis zu dem einen Gott, der das eigentlich Neue in der damaligen Welt war. Für Christen bedeutet das Christusereignis von Kreuzestod und Auferstehung, dass die Exklusivität der Erwählung Israels nun auf die Völker hin geweitet wird. Darüber mögen sich Juden und Christen streiten. Das Bekenntnis zu dem vom Kreuzestod Auferstandenen hingegen rechtfertigt nicht nur nicht die Aufhebung des Alten Bundes; im Gegenteil: Erst aus dem Ersten Bund heraus wird der Neue Bund möglich und empfängt seine Bedeutung und Klärung. Vielleicht ist es an der Zeit, die missverständliche Rede vom Alten und Neuen Bund, die einen Gegensatz assoziiert, der so nicht da ist, zu überwinden und vom einem (ersten) Bund Gottes mit Israel zu sprechen, der in Christus erweitert wurde – so, wie man ein Testament erweitert, wenn zu den älteren Brüdern und Schwestern noch neue Adoptivkinder hinzukommen, die die gleichen Rechte und Pflichten haben, wie die leiblichen Kinder. Das geht schon im wahren Leben nicht ohne Konflikte und Reibungen ab. Der Erblasser aber, der das Testament erlässt und den Bund schließt, liebt wohl alle Kinder gleich. Die müssen sich jetzt wohl oder übel damit arrangieren. Hört deshalb ihr Völker: Gott, unser Gott, ist einer!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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