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kath 2:30 Dies DominiAufregend sind die Zeiten, in denen sich die katholische Kirche gegenwärtig befindet. Die Gezeiten sind unruhig. Bei unruhiger See ist es gleichgültig, ob man sich auf dem Wellenberg oder im Wellental befindet – entweder schlagen die Wellen über dem Schiff zusammen oder es droht beim nächsten Kawenzmann zu kentern. Es braucht jetzt erfahrene und mutige Seeleute, die das Schiff lenken. Es sind nicht immer die Kapitäne, die hier für die nötige Sicherheit sorgen; ein Kapitänspatent alleine reicht noch nicht, wenn es nur auf die goldenen Schulterklappen und die schicke weiße Mütze ankommt. Gefragt sind Erfahrung, Mut und Gelassenheit, aber auch Tatkraft und Entscheidungsfreude um ein Schiff lenken. Manch ein alter Matrose oder Steuermann hat da einen Vorsprung vor dem Kapitän. Ein guter Schiffskommandant weiß das und wird auf den Rat seiner erfahrenen Untergebenen hören; ist er aber eitel genug, die äußerlichen Insignien, die er seinem Patent verdankt, für das Wesentliche und Eigentliche zu halten, sieht er gerade im Annehmen eines Rates eine unzulässige Schwäche – eine Auffassung, die so manches Schiff zu einem Tummelplatz seltener Tiefseefischarten werden lässt.

Auch die Kirche benötigt eine Mannschaft aus erfahrenen Frauen und Männern, um in den Untiefen dieser Zeit nicht auf Grund zu laufen. Jetzt sind Lebenserfahrung und – weisheit gefragt. Im Sturm ist es nicht wichtig, welches Gewand jemand trägt, sondern was er oder sie kann und vor allem auch tut. Stattdessen aber trägt der innerkirchliche Systemkonflikt, der sich seit vielen Jahren immer mehr verschärft, dazu bei, dass die Kirche steuerungsunfähig von den Wellen des Zeitensturmes hin und her geworfen wird. Es geht vor allem um die Frage des Miteinanders von Klerikern und Laien.

Symptomatisch für diese Frage ist eine Begebenheit, die sich auf der Sitzung eines Priesterrates zutrug. Aus Anlass des bald aus dem Amt scheidenden Bischofs wird vorgestellt, wie der Abschied gestaltet wird. Neben einem Festakt im Kreis der engeren Vertrauten, Freunde und Bekannten, soll es auch für die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die geweihten wie die ungeweihten – eine Gelegenheit geben, sich von ihrem Bischof zu verabschieden. Damit sind offenkundig nicht alle Anwesenden des Priesterrates einverstanden, so dass es zu der Zwischenfrage kommt, warum es für das Presbyterium – als die Gemeinschaft der Priester – keine gesonderte Gelegenheit gibt. Der Bischof verweist auf die zeitlichen Zwänge, so dass es bei dem gemeinsamen Termin bleibt.

Diese Begebenheit führt den Systemkonflikt vor Augen, der das Schiff der Kirche gegenwärtig manövrierunfähig macht. Manche derer, die Abzeichen tragen, sind so mit ihrem Status beschäftigt, dass sie nicht nur den Kompass aus dem Blick verlieren, sondern auch vergessen, dass es die gesamte Besatzung des Schiffes ist, die es fahrtüchtig hält. Dieser Systemkonflikt beruht auf einer grundsätzlichen Frage, die Christiane Florin in dem in der Zeitschrift „Christ & Welt“ (Ausgabe 44/2103) erschienen Beitrag „Ach, dieses lästige Volk“ anlässlich der Limburger Vorgänge aufgeworfen hat:

Rund um Limburg wird ein Systemkonflikt erkennbar: Wie begründet sich eigentlich geistliche Macht? Und wie wird man einen Machthaber los, den kaum noch jemand haben will? Das eine, vielleicht eines Tages überkommene Herrschaftssystem kann auf Zustimmung von unten verzichten, solange der Würdenträger die Legitimation vom Papst an aufwärts hat. Ein solcher Bischof kann das Volk ignorieren, er kann es sogar verachten und aus der Kirche treiben.

Ein Kapitän, der so verfahren würde, bleibt Kapitän – aber er kann das Schiff nicht mehr steuern (es sei denn, bei dem Schiff handelt es sich um ein Ruderboot, mit dem man etwas auf einem Teich herum schippert …). Soll das Kirchenschiff auch in stürmischen Zeiten steuerbar bleiben, wird sich der Kapitän mit seiner Mannschaft auseinander setzen müssen. Es ist keine Frage, dass man in einem Sturm nicht immer diskutieren kann. Ein machtbewusstes Herrschaftsgebahren wird von der Mannschaft aber auch nicht goutiert werden. Das Miteinander der gesamten Mannschaft beruht auf Vertrauen, gegenseitigem Vertrauen, in dem es nicht um oben und unten, sondern um Respekt geht. Christiane Florin führt deshalb weiter aus:

Das andere, vielleicht kommende System basiert zwar auch nicht auf einem Konsens von Freien und Gleichen. Aber es belohnt Geistliche, die das Kirchenvolk ernst nehmen. Heraus käme ein Klerus, der sich den Gläubigen erklärt. Beharrlich zu argumentieren und an die Einsicht zu appellieren, macht mehr Mühe, als mal eben Einsicht in Bilanzen und Gremienprotokolle zu gewähren. (Quelle: Ebd.)

Das Evangelium vom 32. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C enthält da eine Mahnung, die nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Die Sadduzäer, neben den Pharisäern zur Zeit Jesus die zweite große ideologieprägende jüdische Gruppe, stellen Jesu eine Fangfrage. Sie leugnen an sich die Auferstehung der Toten im Unterschied zu den Pharisäern und lehnen auch sonst ein Eingreifen Gottes in die menschlichen und alltäglichen Dinge ab. Und doch fragen sie ihn:

Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen verschaffen. Nun lebten einmal sieben Brüder. Der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos. Da nahm sie der zweite, danach der dritte, und ebenso die anderen bis zum siebten; sie alle hinterließen keine Kinder, als sie starben. Schließlich starb auch die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt. (Lukas 20,28-33)

Jesus antwortet rhetorisch geschickt, indem er den Sadduzäern die Naivität ihrer Fragestellung vor Augen führt:

Nur in dieser Welt heiraten die Menschen. Die aber, die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, werden dann nicht mehr heiraten. Sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes geworden sind. Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig. (Lukas 20,34-48)

„Nur in dieser Welt heiraten die Menschen“ – im Sein bei Gott herrschen andere Verhältnisse, denn durch die Auferstehung werden die Menschen den Engeln gleich. So werden nicht nur die Unterschiede aufgehoben; auch das, was auf Erden relevant und bedeutsam erschien, wird neu geordnet. Im Himmel zählt nicht mehr, was oder wer jemand war, sondern ob er oder sie dem Leben gedient und Leben ermöglicht hat.

Aus der Antwort auf die Frage, mit welchem ihrer sieben Ehemänner die Witwe im Himmel wohl verheiratet sei, kann man auch für den gegenwärtigen Systemkonflikt der Kirche Schlüsse ziehen. So wird geistliche Macht ja nicht nur dadurch begründet, dass sie von der päpstlichen Autorität abgeleitet wird. Die Weihe bewirkt nach gegenwärtiger Lehre vielmehr auch eine ontologische Veränderung, die dem Kleriker eine höhere Dignität gegenüber dem Nichtkleriker verleiht. Diese ontologische Verwandlung soll den Kleriker Christus gleichförmig machen.

Das Eigenartige an dieser Auffassung, die sich biblisch nicht begründen lässt, ist, dass doch schon die Taufe als solche den Menschen, der getauft wird, in den Leib Christi eingliedert. Wer getauft ist, ist Christus also schon gleich gestaltet. Gibt es jetzt etwa Gleichere unter Gleichen?

Das Evangelium vom 32. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C entlarvt eine solche Auffassung als rein irdisches Denken. Im Reich Gottes werden alle – unabhängig von dem, was sie auf Erden waren – wie Engel sein. Wenn die Kirche die Aufgabe hat, hier auf Erden Zeugnis in Wort und Tat davon abzulegen, dass dieses Reich nahe ist, dann kann sie es sich nicht mehr leisten, das Sein im Reich Gottes außer Acht zu lassen: Alle Christen sollen Gottes Wort verkünden – nicht nur die Kleriker. Alle Christen sollen Jesus nachfolgen – nicht nur die Kleriker. Alle Christen sollen Jesus ähnlich werden – nicht nur die Kleriker. Alle Christen sind berufen – nicht nur die Kleriker. Wer Kleriker ist, soll Vertrauen schaffen, damit er mit der Mannschaft das Schiff steuern kann. Wer hier nur stolz auf den äußerlichen Putz ist, nimmt nicht nur die Verantwortung, die er mit seinem Patent übernommen hat, nicht ernst. Er wird möglicherweise auch erfahren, dass es Mannschaften gibt, die ein Schiff ohne Kapitän lenken können. Was wird ein solcher Kapitän seinem Reeder sagen?

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. Lars Schäfers schrieb am 10. November 2013 um 22:11 :

    Das ist eine durchaus zutreffende Analyse dieses „Systemkonflikts“. Ich meine allerdings, dass in der Kirche nicht nur ein besseres Miteinander zwischen Kleriker und Laien, sondern auch zwischen den sowohl klerikalen als auch laikalen Anhängern der verschiedenen kirchenpolitischen Lager gefunden werden muss. Seit ich in die Katholische Kirche vor einigen Jahren eingetreten bin, hat es mich befremdet, dass man hier innerkirchlich so zerstritten ist, dass so häufig der jeweils anderen kirchenpolitischen „Fraktion“ das echte Katholischsein abgesprochen wird. Bei den inhaltlichen Positionen denke ich, liegt die Wahrheit wohl meistens in der Mitte, so wie es oft auch bei den dogmatischen Lehrstreitigkeiten vergangener Jahrhunderte (Bspw. bei der Frage nach dem Verhältnis der Naturen Jesu Christi) war. Die hauptpsächliche und sakramental begründete Leitungsgewalt der Kleriker erkenne ich an, sie gehört zur Katholischen Kirche wesentlich dazu. Was aber die Art und Weise, den Stil der Ausübung dieser Gewalt angeht, so denke ich, ist gerade Papst Franziskus ein herausragendes Beispiel dafür, wie dieser aussehen kann und soll.

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