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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Vierter Adventssonntag, Lesejahr A

Die Kirchen werden voll sein! Das ist keine prophetische Utopie, sondern eine auf den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhende Prognose. Sie beruht auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre: Die Kirchen waren immer voll – am Heiligen Abend. Für viele gehört der Besuch einer Christmette zu Weihnachten dazu. Die Ahnung des Heiligen in dieser Nacht ist noch lebendig. Der Gottesfunke glimmt noch. Es braucht eigentlich nicht viel, um das Feuer wieder zu entfachen. Ein zarter Hauch, ein frischer Wind und aus dem kleinen Funken könnte eine Flamme werden.

Das Neue, das an Weihnachten begann, wird allerdings in vielen Weihnachtspredigten mit immer gleichen Worten verkündet. Floskelhaft wird das  Geheimnis der Weihnacht beschworen, das gar nicht mehr so geheim ist, weil alle längst wissen, dass Gott ein wehrloses Kind wurde und bald die Könige kommen, die einem Stern gefolgt sein, einem Stern, dem auch wir folgen sollen, weil wir dann Maria finden werden, die, weil sie „Ja“ gesagt hat, das Licht gebracht hat. Der Internetblogger Philipp Greifenstein hat die Fantasielosigkeit weihnachtlicher Prediger treffend in einem Bullshitbingo auf den Punkt gebracht. Statt eines frischen Weihnachtswindes, der die frohe Botschaft neu in die Zeit von heute verkündet, findet man nur allzu häufig den abermals aufgewärmten Eintopf des „Alle Jahre wieder“. Wer so predigt, macht wenig Werbung für den nächsten Kirchenbesuch. Wo immer wieder dasselbe verkündet wird, braucht niemand mehr zu kommen. Man weiß ja doch schon, was gesagt wird.

„Was willst du da Neues erfinden?“

fragt ein Kommentator auf Facebook angesichts des Greifenstein’schen Weihnachtsbingos erschrocken.

Erfinden muss man da gar nichts!

möchte man da antworten. Es genügt, eine neue Perspektive einzunehmen. Es reicht, die alte Botschaft heute zu vergegenwärtigen. Wenn Weihnachten wirklich ein weltbewegendes Ereignis war, dann gilt das auch heute. Weihnachten ist heute!

Diese Schärfung des Blicks führt zu einer Entdeckung neuer Perspektiven. Nehmen wir etwa das Evangelium des vierten Adventssonntags im Lesejahr A. Es berichtet vom Traum des Joseph, dieses gerechten Mannes, der – als er der Schwangerschaft seiner Verlobten gegenwärtig wird – sie nicht bloßstellen, sondern sich in aller Stille von ihr trennen will. Diese Geschichte spielt sich doch heute mannigfach ab. Es ist eine Geschichte von heute: Die entdeckte Schwangerschaft, der Verdacht, die Partnerin sei fremdgegangen, das verlorene Vertrauen, mehr noch: das nagende Misstrauen – all das sind Realitäten, die in diesem Moment in vielen Partnerschaften wirksam sind.

Würde Josef heute leben und sich die Geschichte heute zutragen – wer weiß, vielleicht wäre er in eine Beratungsstelle gegangen, wie der Josef, von dem das Kath 2:30-Video „Josef“ erzählt. Die Engel von heute sind eben manchmal sehr real. Sie arbeiten in den Beratungsstellen von Caritas und Diakonie, beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) oder auch bei nichtkirchlichen Stellen.

Überhaupt ist die heilige Familie eine sehr moderne Familie gewesen. Viele Fragen tun sich ja auf: Waren Josef und Maria nur verlobt – oder auch verheiratet? Wenn sie nur verlobt waren – ist es dann überhaupt kirchlich erlaubt, dass sie zusammenleben? Und ist Jesus, dessen Vater doch Gott ist, dann nicht ein uneheliches Kind? Lebten Maria und Joseph in einer – um einen Begriff zu gebrauchen, den der vatikanische Fragebogen verwendet, mit dem jüngst die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung zur Vorbereitung der außerordentlichen Bischofssynode im Herbst 2013 heißt – „irregulären Ehesituation“? Oder wurde ihre Ehe, wenn sie denn verheiratet waren, nicht vollzogen und war somit aus kirchlicher Sicht gar nicht gültig? Und macht die Kirche nicht aus den Brüdern Jesu Kinder des Josef aus einer ersten Ehe? Ist die heilige Famlie gar ein Patchworkfamilie?

In solche Verhältnisse hinein wird Gott Mensch. Das Weihnachtsevangelium enthält so viele Fragen, die auf eine Antwort warten. Eigentlich haben die Prediger den Rückgriff auf Floskeln deshalb gar nicht nötig. Weihnachten wirft aber auch gefährliche Fragen auf, die manches eingefahrene Bild infrage stellen. Der Glaube ist kein Polster, auf dem man sanft ruhen kann. Es ist der Geist Gottes, der den Glaubenden immer neu antreibt. Wehe Weihnachtswind, wehe und erneuere die Welt! Damals, heute und morgen. Wehe!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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