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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Christkönigssonntag (Letzer Sonntag im Jahreskreis), Lesejahr C

Zu den eindringlichsten Texten des Neuen Testamentes gehört das Evangelium des Christkönigssonntag, der der letzte Sonntag im Kirchenjahr ist. Der Dialog zwischen dem gekreuzigten Jesus und den beiden mit ihm Gekreuzigten ist singulär. Dass Jesus nicht allein am Kreuz starb, wissen auch die anderen Evangelien. Aber dieses Gespräch, das die Sterbenden wohl mit letzter Kraft geführt haben, ist intensiv. Nicht nur das was gesagt wird, sondern auch die geschilderten Umstände komprimieren die Botschaft des Christentums auf eine Weise, die unmittelbar fassbar wird – aber vielleicht auch gerade deshalb verstört: Vor dem Kreuz stehen die selbstgerechten Führer des jüdischen Volkes, die sich am Ziel ihres Planes sehen. Sie haben erreicht, was sie wollten. Zynisch verspotten sie den Gekreuzigten, er solle sich doch selbst helfen. Dahinter steckt die damals gängige Auffassung, dass das Schicksal eines Menschen aus seinen Taten folgt. Gott schafft Gerechtigkeit hier in der Welt. Wer am Kreuz hängt, wird das verdient haben. Dass dieser Jesus von Nazareth nun den  Fluchtod stirbt, ist Beweis genug, dass Gott ihn verlassen hat. Wer, wie er, Sünden vergibt, was doch nur Gott zusteht, wird von Gott jetzt wie ein Sünder behandelt.

Die römischen Soldaten, abgestumpft von der ausgeübten und erlebten Gewalt, verspotten ihn ebenfalls. Der Tod ist ihr Alltag. Gewöhnt an die Sterbensschreie scherzen sie wie es Arbeitskollegen eben tun. Auch das eine Alltagsszene: Die Niere von der Sieben muss Wasser lassen! Tut’s weh!? – Gekicher und Gelächter im Schwesternzimmer …

Selbst einer der beiden, die mit Jesus hingerichtet werden, versucht den nahenden Tod zynisch zu bewältigen. Den Mitgekreuzigten verhöhnend braucht man sich dem eigenen Schicksal nicht direkt zu stellen. Wer nie zum Mitleid fähig war, wird es auch jetzt nicht sein können. Es sind halt immer die anderen gewesen, die Umstände, die ihn zum Verbrecher werden ließen. Und selbst dieser selbsternannte Messias hilft ihm jetzt nicht.

Aber da ist noch einer, einer, der auch sterben wird. Er weiß, warum er das Patibulum tragen musste, diesen Querbalken, an dem man ihn angebunden und -genagelt hatte. Er weiß, warum man ihn an dem Längsbalken hochgezogen hatte, bis das Patibulum in den vorgesehen Zapfen fiel. Er weiß, warum man ihm die Nägel durch die Fersen getrieben hatte und er jetzt der Sonne und dem Regen preisgegeben, die Sinne vor Schmerzen schwindend hier oben das langsam, nein – das sehr langsam – nahende Ende erwartet. Er weiß nicht, warum der, der neben ihm hängt, hier ist. Er hat wohl von ihm gehört, davon, dass er mit denen sprach, mit denen niemand sprach. Und davon, dass das, was die Vornehmen Sünde nannten, für ihn nicht wichtig war. Stattdessen predigte dieser Mann einen Gott, der den Sünder liebt. Welche Chance hatte er noch – er, der verdientermaßen hier am Sündholz hing?

Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. (Lukas 23,42)

Hoffnung ist das, was zuletzt stirbt. Der Höhnische stirbt hart und endgültig, der Hoffende hat selbst im Tod noch Perspektive:

Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (Lukas 23,43)

hört er Jesus sagen. Ach, wenn es doch wahr wäre.

Eine Erzählung, in wenige Verse gegossen, fasst das ganze Evangelium zusammen. Mehr als alle Lehrsätze und Dogmen wird die Botschaft Jesu greifbar. Er, dem man einen eklatanten Dogmenmangel vorwarf und deshalb zum Kreuz führt, setzt selbst in der Todesstunde ein Zeichen der mitleidenden Solidarität. Auch wenn der hoffende Schächer seinen Worten nicht glaubt, die Hoffnung ringen dem Tod mehr Leben ab, als dem Tod lieb sein kann. Nicht die Sünde hat das letzte Wort, sondern die Menschlichkeit.

Die, die sich im Besitz der Wahrheit wähnen, zeichnen sich in der lukanischen Erzählung durch Hohn und Zynismus aus. Die Führer des Volkes, die wissen, was Gott will, die Soldaten, die allein schon deshalb Recht haben, weil sie die Macht haben, der sich selbst zum alleinigen Maßstab nehmende Schächer – sie alle wähnen die wirkliche Wahrheit als ihr exklusives Eigentum. Und doch zeigen Hohn und Zynismus, wie sehr sie sich in einem Wahrheitsgebäude eingerichtet habe, das ihrer eigenen Menschlichkeit zuwider läuft. So scheitern sie faktisch an einer behaupteten Wahrheit, die nicht zur Gerechtigkeit führt, sondern einfach asozial ist.

Nun begegnen auch in diesen Tagen wieder Äußerungen, deren Autoren die vermeintliche Sünde mit spitzen Fingern anfassen. Es sind Äußerungen, bei denen man als Hörer bzw. Leser den Eindruck hat, dass der Verursacher dieser Äußerungen bei deren Vollzug süffisant lächelnd das Bewusstsein genießt, sich im exklusiven Besitz der Wahrheit zu wissen. Die Äußerungen betreffen vor allem die kirchliche Ehelehre, die durch die Handreichung zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung in der Erzdiözese Freiburg, aber auch die die vatikanische Umfrage zur Vorbereitung der im Oktober 2014 stattfindenden Bischofsynode zur Frage zur pastoralen Herausforderung der Familie im Kontext der Evangelisierung gegenwärtig besonderes Interesse genießt.

Auf die römische Reaktion auf die Freiburger Handreichung wartete man schon gespannt. Sie wurde der Öffentlichkeit am 12. November 2013 bekannt. In einem Brief, der schon längere Zeit vorher verschickt worden war, fordert der Präfekt der Glaubenskongregation Erzbischof Gerhard Ludwig Müller den emeritierten Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch auf, die Handreichung zurückzuziehen. Dass der Brief gleichzeitig auch an alle anderen deutschen Bischöfe verschickt wurde, lässt ein besonderes Licht auf die Kollegialität fallen. Nicht besser wird es, wenn darauf verwiesen wird, dass das immer schon so gemacht wurde. Doch der Druck, den die Glaubenskongregation erzeugen wollte, fällt nun auf sie selbst. Das Wort von Papst Franziskus, man solle römische Briefe zur Kenntnis nehmen und getrost weiter machen, wird ernst genommen. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx und der Trierer Bischof Stephan Ackermann etwa nehmen Stellung gegen die römische Stellungnahme und betonen, dass diese Frage, von der der Präfekt der Glaubenskongregation sagt, sie sei eine „delikate Problematik“, noch lange nicht entschieden sie; der Präfekt könne die Diskussion nicht einfach beenden. Was an der „Problematik delikat“ ist, sagt Erzbischof Müller übrigens nicht. Sich aus dem sicheren Hafen auf das Meer der Ehe zu wagen ist die Sache eines wahrheitssicheren Zölibatären nicht. Wie soll er da die Krisen und Brüche, das Scheitern und die Unsicherheiten kennen, die er als „delikat“ tituliert.

Ähnlich verhält es sich mit dem vatikanischen Fragebogen, zu dem übrigens Norbert Bauer einen lesenswerten Kommentar verfasst hat. Da wird nach irregulären Ehesituationen gefragt und ob die Gläubigen über die naturrechtliche Dimension der Ehe im Bilde sind. Das ist sicher das Wichtigste, dem sich Eheleute bei der Herausforderung des Lebens stellen. Besonders delikat (um ein beliebtes Wort römischer Theologen zu verwenden) ist allerdings die Frage, mit welcher Haltung sich Eltern aus „irregulären Ehesituationen“ an die Kirche wenden. Was denkt man sich denn da? Lieben diese Eltern ihre Kinder weniger als verheiratete Eltern? Werden gläubige Eltern, die nicht in katholisch goutierten Verbindungen leben, ihren Glaubens nicht weitergeben?

Es sind Worte, die bewirken, was sie sollen. Mit Hohn und Spott zieht man Grenzen und sondert aus. Mit Hohn und Spott setzt man sich auf das Podest, von dem aus man mit eitler Selbstgerechtigkeit über die herziehen kann, die man für Gefallene hält. Es sind nicht Worte, die heilen und Hoffnung geben. Was die Welt braucht, sind Hoffnungsworte, die den Blick nach vorne wenden. Gerade dem Gescheiterten gilt die Verheißung:

Ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (Lukas 23,43)

Besteht nicht in der bereits geschehenen Vergebung der Sünden die Erlösung (vgl. Kolosser 1,14)? Warum um alles in der Welt wird die Sünde dann von manchen wieder auf den Podest gehoben? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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