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kath 2:30 Dies Domini

Vieles, was ausgehend von der Offenlegung der Missbrauchsfälle im Canisius-Kolleg geäußert wird, erinnert an die babylonische Sprachverwirrung. Und bei manch einem, sei er kirchlicher Amtsträger oder nicht, hat man den Eindruck, er habe eine Chance zum Schweigen verpasst. Nicht nur die Ungeheuerlichkeit dieser Verbrechen löst Zorn und Empörung aus; empörend ist auch der Versuch, „Schaden von der Kirche abzuwenden“. Der Kirche wird nichts übrigbleiben, als schonungslose Offenlegung zu betreiben. Statt ohne Not Rechtfertigungen für den Zölibat anzuführen sollte sie dabei zuerst eine Option für die Opfer treffen.

Gerade die Perspektive der Opfer macht die Schwere der begangenen Verbrechen deutlich. Das Erlebte in Worte zu fassen, ist für die Betroffenen aber auch Jahrzehnte nach dem Missbrauch oft nicht leicht, wenn nicht gar unmöglich. Auch Olivier Ka, der selbst im Alter von 12 Jahren von einem Priester sexuell missbraucht wurde, findet kaum Worte, um das Erlebte zu verarbeiten. Aber er kann es nicht länger mit sich herumtragen. Die Wut drängt nach außen und sucht nach einem Ausdruck. Olivier Ka wählt die Form des Comics. Diese Form gibt ihm die Möglichkeit, in Bildern das Unsagbare zu zeigen – so etwa die abgrundtiefe Einsamkeit, die er empfunden hat, als der Missbrauch in geradezu schamloser Weise angebahnt wird.

Das Buch beginnt mit einem siebenjährigen Olivier Ka.  Es zeigt die Welt einer unbeschwerten Kindheit. Die ersten Erfahrung mit der Kirche sind allerdings nicht frei von Schuldgefühlen:

Eines Abend sitzt meine Grossmutter mit an meinem Bett und erzählt. Sie beschreibt mir die Hölle. Ich habe nur eine vage Vorstellung davon, was das ist. Sie macht einen furchterregenden Eindruck.

Dabei erscheint schon das Entdecken der eigenen Sexualität als sündhaft.

Aber der kleine Olivier entwickelt sich weiter. Er entdeckt sich und seine Welt – so etwa bei einem Urlaubstag, den er mit seinen Eltern, seinem Bruder und einem befreundeten Paar an einem See verbringt:

Das ist Glück. Ekstase … Ich bin mir bewusst, einen herrlichen Augenblick zu erleben. Es gibt keinen Unterschied zwischen Bertrand, Christine, meinen Eltern, meinem Bruder und mir. Wir sind alle gleich, alle nackt und im Wasser. Das Leben ist schön.

Schließlich lernt er Pater Pierre kennen. Obwohl seine Familie der Kirche eher distanziert gegenüber steht, wächst der Kontakt. Als Olivier Ka 12 Jahre ist, kommt es in einem Ferienlager, das jährlich am „fröhlichen Fluss“ stattfindet, zum Missbrauch. Eindrucksvoll zeigen die Bilder die Perfidie des Missbrauchs.

Mit dem Missbrauch beginnt eine Leidensgeschichte. Der Missbrauch wirkt weiter – bis in die Beziehung des erwachsenen Olivier Ka hinein. Schließlich begegnet er dem gealterten Pater Pierre:

Ich bin nicht gekommen, um eine Seite umzublättern, zu etwas anderem überzugehen, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Nein. Ich bin hier, um es zu beenden. Um es abzuschließen.

Ich lasse Pierre hinter mit, allein am „fröhlichen Fluss“. Mit dieser Last.

Es gibt keine Heilung.

„Warum ich Pater Pierre getötet habe“ ist ein eindrucksvolles Zeugnis, das das Unsagbare zum Ausdruck bringt. Wer dieses Buch gelesen hat, wird nicht mehr schweigen können.

Alfred & Olivier Ka
Warum ich Pater Pierre getötet habe
Aus dem Französichen von Martin Budde
Ulm 2006
Carlsen-Verlag
16,00 EUR

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

2 Kommentare

  1. kath 2:30 schrieb am 23. Februar 2010 um 21:02 :

    Gratia supponit naturam…

    Aus aktuellem Anlass: Über die Notwendigkeit einer Neubestimmung des Zölibates und der menschlichen Sexualität Ein Schatten legt sich in letzter Zeit auf die Kirche. Jeden Tag werden neue Fälle von sexuellem Missbrauch durch hauptamtliche geweihte und …

  2. Dr. Werner Kleine schrieb am 9. März 2010 um 12:38 :

    Unser Weblog Kath 2:30 zieht Kreise. Der Sender BR alpha ist im Rahmen einer Reportage der Sendung on3 Südwild zum sexuellen Missbrauch auf unser Angebot aufmerksam geworden und hat ein Kurzinterview zu mit W. Kleine zu unserem Buchtipp geführt. Lesen Sie hier den Beitrag zur Sendung on3 Südwild vom 3.3.2010: Wenn Worte den Missbrauch nicht fassen können.

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