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Die Chance des runden Tisches

Ein kath.de-Wochenkommentar von Andrea Kronisch (vom 11.3.2010)

kath 2:30 Dies Domini

Die Negativmeldungen reißen nicht ab: Nahezu täglich berichten die Medien über neue Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen. Krisen gab es schon viele in der katholischen Kirche. Vor einem Jahr war es die päpstliche Aufwertung der konservativen Pius-Bruderschaft, die in Deutschland zu schweren Turbulenzen führte. Doch der Skandal um sexuellen Missbrauch hat ohne Frage eine andere Dimension. Auch deshalb, weil diesmal die Krise nicht von Rom ausgeht, sondern mitunter die eigene Diözese, Kirchengemeinde oder Schule betrifft. Wo Missbrauchsfälle bekannt werden, erleben die Verantwortlichen, dass das Kehren vor der eigenen Haustür sehr schwer sein kann – besonders bei einem Orkan der Wut, Enttäuschung und Verbitterung, wie wir ihn seit einigen Wochen erleben.

In dieser Woche konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich der Staat stärker um Schadensbegrenzung bemüht als die Kirche. So hat Familienministerin Kristina Schröder für den 23. April einen Runden Tisch zum Thema Missbrauch angekündigt. Es ist ein fast verzweifelter Aufruf an eine Glaubensgemeinschaft, die nur noch mit sich selbst beschäftigt zu sein scheint und die in diesen Tagen hilflos nach Rom blickend eine Stellungnahme des Papstes erwartet.

So wichtig die katholische Kirche als sinnstiftende Institutionen ist, so fatal ist ihr derzeitiger Verlust an Vertrauens- und Glaubwürdigkeit. Gerade in Zeiten von Globalisierung, Wirtschaftskrise, einer Überbetonung des Individuellen und der Ökonomisierung aller Lebensbereiche sind wertestiftende Organisationen wichtig und nötig. Der Gesellschaft würde ohne die Kirche ein wichtiger Kompass fehlen. Doch um sich mit ihren Positionen Gehör zu verschaffen, benötigt die Kirche Autorität. Sie muss Teil der Gesellschaft sein, die sie kritisiert. Aber es entsteht der Eindruck, die Kirche verschanze sich zunehmend. So jedoch gewinnt sie nicht Autorität und Glaubwürdigkeit – sie verliert sie.

Wenigstens wurde das Angebot des Runden Tisches seitens der katholischen Kirche angenommen. Auch wenn der Runde Tisch nicht alle Probleme lösen und nicht alle Erwartungen erfüllen kann: Zusammen mit weiteren Vertretern von Familienverbänden, Schulträgern, der freien Wohlfahrtspflege, der Ärzteschaft und der Politik soll das Gremium Selbstverpflichtungen und Verhaltensregeln erarbeiten. Es wäre gut, wenn die Kirche an diesem Runden Tisch eine Vorreiterrolle in Sachen Prävention übernehmen könnte. Wie aber kann sie diese Funktion übernehmen, wenn sich derzeit in der Kirche eher Hilflosigkeit und Resignation breit machen?

Gefragt ist zunächst der Mut zur Offenheit, die Dinge so zu sehen wie sie sind und nicht wie man sie gerne hätte, denn „die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Die Kirche muss ihre Binnenkultur hinterfragen, ihre Abgrenzung zur Welt. Und sie muss sich dem Widerspruch zwischen strenger Sexualmoral und innerkirchlicher Wirklichkeit stellen. Sie muss dazu stehen, Schuld auf sich geladen zu haben. Sie muss die Täter in aller Konsequenz bestrafen. Und sie muss alles unternehmen, um die Wahrscheinlichkeit des Kindesmissbrauchs auf ein absolutes Minimum beschränken. Nur so kann verlorenes Vertrauen in mühsamen und kleinen Schritten wiedergewonnen werden. Es gibt Kirchenvertreter, die wenigstens damit beginnen. Der Berliner Jesuitenpater Klaus Mertes gehört dazu. Es gibt aber auch den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der der Berichterstattung immer noch „machtpolitisch-ideologische Zwecke“ unterstellt und von Verfehlungen Einzelner spricht.

Die katholische Kirche erlebt in diesem Jahr eine besondere österliche Bußzeit. Die eigentlichen Themen dieser Vorbereitungszeit auf Ostern sind kaum präsent, obwohl sie aktueller denn je sind. Manchem fällt in dieser Zeit schwer, seiner Kirche noch treu zu sein. Vergessen werden darf dabei nicht: Ob Christen und ihre Kirche als glaub- und vertrauenswürdig gelten, entscheidet sich oft in den Gemeinden, Sozialstationen und Beratungsstellen vor Ort. Bisher haben manche Mitglieder ihrer Kirche deshalb nicht den Rücken gekehrt, weil sie in ihrer Gemeinde Positives erleben. Das soll nicht heißen, Kirche vor Ort müsse allein wiedergutmachen, was andernorts zerschlagen wird. Viele Gemeinden sind derzeit von Strukturreformen und Fusionen in Beschlag genommen. Aber wo Glaubwürdigkeit erlebt wird, da klärt sich manche Strukturfrage nebenbei, da erscheint Kirche weiterhin als sinnstiftende Gemeinschaft.

Der Mut zu nächsten Schritten ist gefragt – nach außen, aber auch nach innen. In den Gemeinden vor Ort, aber auch in der Kirche als Ganze. Nur so können Glaubwürdigkeit und Vertrauen wiedergewonnen werden. Und nur so kann es Ostern werden – auch für die katholische Kirche.

Andrea Kronisch
kath.de-RedaktionDiesen Wochenkommentar des unabhängigen katholischen Nachrichtenportals kath.de ist am 11.3.2010erschienen. Wir übernehmen ihn als Gastbeitrag mit freundlicher Genehmigung der kath.de-Redaktion vom 15.3.2010 (zum Originalkommentar auf www.kath.de).

 

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. Dr. Werner Kleine schrieb am 16. März 2010 um 11:08 :

    Lesenswert zu diesem Thema sind auch die Kommentare und Beiträge auf folgenden Seiten:

    http://www.sanktleibowitz.org/2010/03/missbrauch-und-kein-ende-in-sicht.html

    http://www.kath.net/detail.php?id=25922

    http://www.aliceschwarzer.de/index.php?id=5154

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