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kath 2:30 Dies DominiEs wird auf hohem Niveau geklagt. Während die einen die vergleichsweise kleine Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, schon lautstark als Einschränkung von Grundrechten inkriminieren, bemerken andere die fundamentale Ohnmacht, die sie angesichts der Corona-Pandemie verspüren. Dazwischen gibt es viele graue Klagetöne, die letztlich in jenem Grundtenor zusammenfinden, der viele Klagelieder eint: Warum jetzt? Warum wir? Warum bleibt’s nicht, wie es war?

Der Klagegesang wird bei weitem nicht nur von selbsternannten Wutbürgern oder Verschwörungsphantasten angestimmt. Er ist auch in gutbürgerlichen Kreisen vernehmbar, die endlich Urlaub von Corona machen wollen. Selbst Kirchenvertreter stimmen bisweilen in das Lamento mit ein. Der alten Deutung beraubt, die Katastrophen, Kriege und Seuchen einfachhin als Strafe Gottes deuten konnte, wird jetzt eine menschliche Ohnmacht besungen, das Ausgeliefertsein an höhere Gewalten. Aber stimmt das alles überhaupt? Steht der Mensch wirklich so handlungsunfähig da? Was glauben Sie denn?

Am Donnerstag, dem 6.8.2020, vor 75 Jahren stürzten Menschen in Hiroshima die Sonne vom Himmel. In Sekunden verbrannte eine ganze Stadt. 80.000 Menschen verstrahlten sofort in der gleißenden Hitze der ersten Atombombe, die von Menschen abgeworfen wurde. Der Mensch hatte die Mächte der Schöpfung entfesselt. Es war wie im Garten Eden, als der Mensch, der männlich und weiblich erschaffen wurde, die Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden erlangt hatte. Der Schöpfer stellt angesichts dieses Entwicklungsfortschrittes erschrocken fest:

„Siehe, der Mensch ist wie einer von uns geworden, dass er Gut und Böse erkennt. Aber jetzt soll er nicht seine Hand ausstrecken, um auch noch vom Baum des Lebens zu nehmen, davon zu essen und ewig zu leben.“ (Genesis 3,22)

Die Geschichte der Menschheit zeigt freilich, dass der Hunger des sich weise wähnenden Menschen noch lange nicht gestillt war. Er konnte jetzt zwar zwischen Gut und Böse unterscheiden. Im Zweifel aber siegte allzu oft die Lust der Überlegenheit. Ohnmächtig standen viele zu allen Zeiten vor den Vernichtungswerken von Menschen. War wirklich nichts zu machen?

Die große Explosion, die vor wenigen Tagen in Beirut über 100 Menschen das Leben kostete, Zigtausende Verletzte und 250.000 Menschen obdachlos machte, scheint das auf den ersten Blick zu bestätigen. Keiner von ihnen hatte eine Chance, dem Unheil zu entrinnen. Ist Ohnmacht also das, was bleibt?

Wer bei solchem Fatalismus stehen bleibt, hat aufgehört, die große Geschichte Gottes mit den Menschen weiter zu erzählen. Schon im Garten Eden ging es los, als der Schöpfer seine Ebenbilder mit Fellen bekleidet ins Leben schickt. Sie sollen ihr Schicksal meistern – denn die Grundausrüstung, die Erkenntnis von Gut und Böse, haben sie ja erworben. Sie haben damit eine göttliche Erkenntnisfähigkeit errungen. Die sollen sie mit göttlichem Respekt einsetzen. Wer sie nutzt, um Bomben zu bauen, dient dem Tod; wer sie einsetzt, um zu erschaffen, dient dem Leben. Es ist an Dir selbst, zu entscheiden, wessen Dienerin und Diener Du sein willst, denn auch von Deiner Entscheidung kann das Leben vieler abhängen. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Die Menschen in Beirut brauchen internationalen Beistand. Hier, heute und jetzt. Und in der Nachbarschaft braucht es angesichts der Corona-Pandemie jede Mitmenschlichkeit, die möglich ist. Dich stört die Spuckbremse im Gesicht? Trage sie mit Würde zum Schutz der anderen. Die Corona-Pandemie zeigt, dass die Welt letztlich ein einziger Sack ist, in dem wir alle sitzen – ohne eine Möglichkeit, zu entkommen. Das ist kein Schicksal, sondern ein Auftrag zur Solidarität. Wir haben es selbst in der Hand, ob das Leben möglich bleibt. Live long and prosper. Lebt lang und in Frieden!

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht in der WZ vom 7. August 2020

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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