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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Fest der Heiligen Familie/Sonntag in der Weihnachtsoktav, Lesejahr A

Als Gottes Wort die Welt ins Dasein brachte, schuf er als erstes die Zeit. Noch bevor Gewölbe, Himmel und Erde, Pflanzen, Sonne, Mond und Sterne entstehen, schafft er zuerst das Licht, das er von der Finsternis scheidet. Die Finsternis nennt er Nacht, das Licht Tag. So kann es Abend und Morgen werden – der erste Tag. Noch bevor irgendetwas anderes entsteht, Materie oder Raum, ist die Zeit da. Die Zeit ist vor allem anderen da:

Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag. Genesis 1,3-5

Der Wechsel von Dunkelheit und Licht, von Nacht und Tag, bildet einen Rhythmus, aus dem Zeit entsteht. Eine wahrlich meisterhafte Schöpfungstat, denn die Zeit trennt uns Vergängliche von der unvergänglichen Ewigkeit. Die Zeit ist Werden und Vergehen, die Ewigkeit pures Sein in reinster, unvergänglicher und doch hochdynamischer Gegenwart. Die Zeit ist so gewissermaßen die Schwelle, die alles zeitliche Sein von der Ewigkeit trennt. In der Tat: Niemand kann die Zeit zurückdrehen. Sie ist ein stetiges Fortschreiten, ein Werden und Vergehen, irreversibel, aus der Ewigkeit kommend und in die Ewigkeit führend. Niemand, dessen Existenz zeitlich bestimmt ist, kann die Zeit verlassen, um in die Ewigkeit zu schauen. Es mag einige Mystikerinnen und Mystiker geben, denen eine solche Schau wenigstens schemenhaft vergönnt war. Was auch immer sie erfahren haben: Auch den mystisch begabten Zeitlichen ist es nicht gegeben, die richtigen Worte für das zu finden, was ihnen widerfahren ist. So sagt schon Paulus – wahrscheinlich über sich selbst:

Ich kenne einen Menschen in Christus, der vor vierzehn Jahren bis in den dritten Himmel entrückt wurde; ich weiß allerdings nicht, ob es mit dem Leib oder ohne den Leib geschah, nur Gott weiß es. Und ich weiß, dass dieser Mensch in das Paradies entrückt wurde; ob es mit dem Leib oder ohne den Leib geschah, weiß ich nicht, nur Gott weiß es. Er hörte unsagbare Worte, die ein Mensch nicht aussprechen darf. 2 Korinther 12,2-4

Die Zeit scheint das verschlossene Tor zum Garten Eden zu sein, zu jenem Paradies, das die ersten Menschen verlassen haben, nachdem sie die Erkenntnis von Gut und Böse erlangt haben und so mündig geworden sind. Nun stehen die Kerubim und das lodernde Flammenschwert davor (vgl. Genesis 3,24) und machen eine Rückkehr unmöglich. Der Mensch ist in die Zeit geworfen, ihrem Werden und Vergehen. Wer eben noch ein Kind war, ist morgen schon jugendlich, wird bald selbst Kinder bekommen und hoffentlich noch die Kinder der Kinder sehen, bevor das Zeitliche Segen empfängt und sich das Tor zur Ewigkeit öffnet, was immer bedeutet, dass es keine Zeit mehr gibt. Tote haben keine Zeit mehr.

Nichts führt dem Menschen seine Geschöpflichkeit so vor Augen wie seine existentielle Zeitlichkeit. Nichts offenbart mehr über Gottes schöpferischen Humor als die Erschaffung der Zeit, geht doch mit ihr die werdende Vergänglichkeit einher. Es hat Gott jedenfalls gefallen, den Menschen so zu schaffen, dass er in jungen Jahren auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft ist, während er im Alter nicht nur auf das eigene Lebenswerk zurückschauen kann, sondern auch auf das sehen darf (oder muss), was die Enkel nun selbst erschaffen. Selten werden da Lebenshäuser einfach so weitergebaut. Die Enkel haben halt ihre eigenen Ideen und müssen mit dem Umgehen, was ihnen die Ahnen so hinterlassen haben. Oft nehmen die Enkel nicht wahr, dass die Ahnen ihnen auch den Grund bereitet haben, auf denen sie überhaupt bauen können. Sie finden es ja einfach so vor. Sie können nur mit dem umgehen, was schon da war. Selbst Adam und Eva bedürfen ja einer Grundausstattung, mit der sie dann weiterarbeiten können – deshalb machen nicht sie sich Gewänder aus Fell, sondern Gott bereitet ihnen diese Möglichkeit des Anfangs. Der Mensch an sich fängt nie bei Null an. Er findet vor, woraus er Neues schaffen kann. Er muss sich mit dem auseinandersetzen im Guten wie im Schlechten was ihm die Ahnen bereitet haben. Und die Ahnen dürfen nun zuschauen, was die Enkel – jene kleinen Ahnen – aus ihren Hinterlassenschaften machen. Daraus könnte eigentlich in gegenseitigem Respekt eine von Verantwortung getragene Symbiose entstehen, wie sie im Antwortpsalm vom Fest der Heiligen Familie, dem Sonntag in der Weihnachtsoktav im Lesejahr A, gepriesen wird:

Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und der auf seinen Wegen geht!  Was deine Hände erwarben, kannst du genießen; wohl dir, es wird dir gut ergehen. Wie ein fruchtbarer Weinstock ist deine Frau drinnen in deinem Haus. Wie junge Ölbäume sind deine Kinder rings um deinen Tisch. So wird der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet und ehrt. Es segne dich der Herr vom Zion her. Du sollst dein Leben lang das Glück Jerusalems schauen. Du sollst schauen die Kinder deiner Kinder. Friede über Israel! Psalm 128

Zugegeben – der Psalm entspricht nicht ganz modernen soziologischen Anforderung. Er ist den zeitgenössischen Umständen doch sehr patriarchal geprägt. Aber er zeigt den Stolz der Ahnen auf die nachfolgenden Generationen, in denen die Frucht des eigenen Lebens in jeder Hinsicht aufgehen soll.

Dass es in der Realität schon damals anders aussah, lässt sich aus den Mahnungen des Buches Jesus Sirach erkennen, dass die jungen Generationen zu Respekt den Eltern gegenüber mahnt. Aus ihm wird in der ersten Lesung am Fest der Heiligen Familie im Lesejahr A verkündet:

Denn der Herr hat den Kindern befohlen, ihren Vater zu ehren, und die Söhne verpflichtet, das Recht ihrer Mutter zu achten. Wer den Vater ehrt, erlangt Verzeihung der Sünden, und wer seine Mutter achtet, gleicht einem Menschen, der Schätze sammelt. Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den eigenen Kindern, und wenn er betet, wird er Erhörung finden. Wer den Vater achtet, wird lange leben, und wer seiner Mutter Ehre erweist, der erweist sie dem Herrn. Jesus Sirach 3,2-6

Und:

Mein Sohn, wenn dein Vater alt ist, nimm dich seiner an, und betrübe ihn nicht, solange er lebt. Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach, und beschäme ihn nicht in deiner Vollkraft! Jesus. Sirach 3,12f

Solche Mahnungen sind wohl nur notwendig, wenn die so Ermahnten es an dem angemahnten Respekt den Alten gegenüber mangeln ließen. Der Aufstand der Jungen gegen die Alten ist also keine Erfindung der Neuzeit. Wohl zu allen Zeiten ist der Konflikt zwischen den Generationen wirksam gewesen. Das kann kaum verwundern, profitieren die Jungen doch zu allen Zeiten von den Fortschritten, die die Alten, als sie selbst jung waren, begonnen hatten, bevor sie jetzt, selbst alte geworden, von den Fortschritten derer, die ihnen im Jungsein nachgefolgt sind, überfordert werden, weil, ja weil halt der Verstand manchmal abnimmt, die geistige Spannkraft nachlässt und die Aufnahmefähigkeiten eben nicht mehr die eines jungen Menschen sind. Wer als junger Mensch junge Reben auf neue Weinberge gepflanzt hat, möchte halt im Alter die Frucht des Weins genießen und sich nicht beschimpfen lassen, dass es jetzt bessere Rebsorten gibt …

Und doch kann der Respekt der Generationen keine Einbahnstraße sein. Jesus Sirach jedenfalls könnte in den Verdacht kommen, bloß die Jugend an den Respekt zu erinnern. Das freilich dürfte nur zu neuen Konflikten führen, hinterlassen die Ahnen ja nicht nur fruchtbaren Boden, sondern auch die Kollateralschäden der eigenen Fortschrittsarbeit. Ein ausgelaugter Weinberg muss erst aufwändig wieder fruchtbar gemacht werden. Was haben die Alten da bloß getan? Warum sträuben sie sich jetzt gegen den Fortschritt?

Ein gedanklicher Fortschritt ist jedenfalls, wenn auch nicht auf den ersten Blick, in der zweiten Lesung vom Fest der Heiligen Familie im Lesejahr A zu erkennen.  In einer sogenannten „Haustafel“ wird dort das Verhältnis der Generationen „geregelt“:

Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt! Ihr Männer, liebt die Frauen und seid nicht erbittert gegen sie! Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn das ist dem Herrn wohlgefällig! Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden! Kolosser 3,18-21

Auch hier fragt man – aus heutiger Perspektive zu Recht – ob „Gehorsam“ und „Unterordnung“ die richtigen Kategorien sind, mit denen das Verhältnis der Geschlechter und Generationen beschrieben werden sollte. Auch hier darf man nicht vergessen, dass der Brief an die Gemeinde in Kolossä in Zeiten geschrieben wurde, die durch und durch patriarchal geprägt waren. Und hier durchbricht der Text damals gängige Denkmuster geradezu revolutionär, weil er ein Prinzip der Wechselseitigkeit, der Reziprozität einführt. Hier wird nicht nur von Frauen Unterordnung gefordert, sondern von Männern ihnen gegenüber Liebe und Verzicht auf Erbitterung – wodurch die gängige absolute Unterordnung deutlich relativiert wird. Dem Gehorsam der Kinder wird der Verzicht auf Einschüchterung entgegengehalten. Für damalige Zeiten ein einschneidender Fortschritt – der nicht enden darf und – Gott sei. Dank! – nicht geendet hat. Das Verhältnis der Generationen ist durch die Zeiten immer wieder neu justiert werden. Gegenwärtig scheint eine solche Neujustierung offenkundig wieder dringen geboten – von allen Seiten!

Die von Jugendlichen getragene Bewegung „Fridays for Future“ hält den Ahnen zu Recht einen Spiegel vor. Der Klimawandel ist – ob er nun menschengemacht ist oder nicht ist (aus Sicht des Autors ist er zweifellos menschengemacht!) – Fakt. Er wird das Leben auf dem Planeten Erde für Generationen verändern. CO2-Emissionen haben nicht erst seit wenigen Jahren zu einer dauerhaften Erwärmung der Erde beigetragen. Bohrkernmessungen zeigen, dass dieser Prozess mindestens mit der industriellen Revolution – also seit gut zwei Jahrhunderten – im Gang ist. Ohne Zweifel beschleunigt er sich aber seit wenigen Jahrzehnten. Niemand, der heute in der Zeit existiert, kann sich der Verantwortung entledigen. Wohlstand für viele, die weiter notwendige Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt, der technische Fortschritt an sich, hinter den wohl kaum jemand zurück will, all das war und ist nicht ohne Nebenwirkungen zu haben. Dass die Jugend von heute es in aller Regel besser hat, als ihre Großelterngeneration, war erklärtes Ziel eben jener Ahnen als sie selbst noch jung waren. Das haben sie geschafft – und nun bezahlt die Jugend in ihrem Leben den Preis für den mit dem Wohlstand verbundenen Klimawandel. Sie vernetzen sich dazu über jenes Internet, das sie als Digital Natives vorgefunden haben, weil ihre Ahnen es erfunden, erschaffen und weiterentwickelt haben.

Nun aber ruft die Jugend voller Protest aus, man wolle ihnen die Zukunft klauen – eine Zukunft, die die Großeltern nicht mehr hätten. Manch eine Aktivistin beklagt gar den Raub der eigenen Kindheit, die wohl nur aus Angst vor der Erderwärmung bestanden hat, während mancher Aktivist den Großeltern den Spiegel der immer näher kommenden Sterblichkeit vor Augen hält. So wird sich freilich nicht nur der Klimawandel kaum aufhalten lassen; auch kennen die Großeltern solche jugendlichen Panikattacken. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die jetzige Großelterngeneration ihre Jugend im kalten Krieg zwischen Ost und West in der Angst eines atomaren Overkills verbringen musste oder als Kinder im Deutschen Herbst 1977 die allgegenwärtige Präsenz schwerbewaffneter Polizisten als Zeichen einer ständigen Bedrohung durch RAF-Terroristen wahrnahm. Wahrlich: Die Angst vor der Zukunft ist den Ahnen vertrauter, als die Enkel es je erahnen können. Deshalb verstehen die Großeltern wohl nur zu gut, was in ihren Nachkommen so vor sich geht. Sie haben ihnen eine wohlständige Welt hinterlassen, die nicht umsonst zu haben war. Der Mensch ist offenkundig nur begrenzt in der Lage, die Folgen seines Handelns umfassend abzuschätzen. Und jetzt ist mal wieder der Generationenschlamassel da. Helfen da gegenseitige Vorwürfe weiter? Löst es ein Problem, den Großeltern nur ihre Fehler unter die Nase zu reiben? Baut es Zukunft auf, wenn die so Gescholtenen in langen Widerreden zeigen, dass sie früher viel nachhaltiger gelebt hätten als die heutige Jugend? Hätte sie es wirklich, stünde die Welt nicht da, wo sie heute steht.

Vielleicht hilft die Aufforderung des Briefes an die Gemeinde in Kolossä aus der zweiten Lesung vom Fest der Heiligen Familie, die Basis für einen Neuanfang zu finden – und ein solcher Neuanfang ist nötig, wenn es echte Lösungen für die Fragen der Zukunft geben soll:

Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr. Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. Kolosser 3,13f

Kein Geschrei auf Demonstrationen, das ruft, man seit laut, weil jemand die Zukunft klaut, beinhaltet eine Lösung, weil es bloß Anklage ist. Kein demonstratives Beleidigtsein Älterer, weil die Jugend im Überschwang neu entdeckter Kräfte bisweilen über das rhetorische Ziel hinausschießt, baut Zukunft auf. Nur die gemeinsame, von gegenseitigem Respekt und gemeinsamer Verantwortung getragene Suche nach echten Lösungen bietet die Chance, dass die Kinder von heute eine Zukunft haben, in der man sich gerne an die Ahnen erinnern wird. Wie wäre es, wenn die Jugend nicht nur klagt, sondern mit den Alten ins Gespräch kommt, um zu erfahren, mit welchen Strategien sie die Probleme ihrer Jugend bewältig haben. Erfahrungen sind eben auch ein Wissensschatz, den es zu heben gilt. Und die Älteren sollten sich nicht nur satt zurückziehen, sondern die Verantwortung für ihr Werk übernehmen, bei dem sie vieles gut gemacht, vieles aber eben auch nur gut gemeint haben. Vielleicht kann die Jugend von heute an diesem Beispiel für die Zeiten lernen, wenn sie selbst zu Großeltern geworden sind und sie sich von den Kindern der Kinder anhören müssen, warum die Welt so geworden ist, wie sie dann geworden sein wird. Das Paradies – soviel ist klar – ist dieser Zeit enthoben. Das Reich Gottes aber ist nah. Deshalb kann sich niemand, wirklich niemand der Verantwortung entziehen – die Alten nicht für die über die Zukunft ihrer Enkel und die Enkel nicht für die Zukunft, die sie ihren Enkeln hinterlassen werden. Werdet weise, wissend dass ihr mit der Erkenntnis von Gut und Böse Lösungen finden könnt. Also: Brecht auf und sucht Lösungen! Bezahlt gemeinsam den Preis um der Generationen willen, die noch in der Ewigkeit sind und auf ihre Zeit warten!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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