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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 33. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C

Endzeit ist eigentlich immer. Auch jetzt kommt das Ende wieder einmal näher – eigentlich wie immer. Es mag sein, dass dieses urmenschliche Empfinden alleine schon durch die Physiognomie bedingt ist. Die Augen des Menschen sind nach vorne gerichtet und damit auch seine Aufmerksamkeit. Das, was hinter ihm liegt, ist vergangen, nicht mehr zu ändern. Das Vergangene besitzt Gewissheit. Das aber, was er kommen sieht, liegt voraus – und der Mensch ist ein vorausschauendes Wesen. Das, was unmittelbar vor ihm liegt, übersieht er nur allzu schnell. Das aber, was aus der Ferne kommt, erregt seine Aufmerksamkeit, auch wenn er es nur in Schemen wahrzunehmen vermag. Da bekommt dann auch schon einmal eine Fata Morgana den Charakter einer Verheißung. Und so schaut der Mensch nur selten auf das Vergangene, das ihm gerade durch das Leben verflossen ist, das Ende aber sieht er beständig kommen.

Das Kommende fasziniert den Menschen. Das Kommende ist relevant. Das Kommende bestimmt die Zukunft. Dass und wie der Mensch gestern lebte, ist nur noch von mäßiger Bedeutung. Ob und wie er aber morgen leben wird, das ist für den Menschen von höchstem Interesse. Allerdings ist der Wahrnehmungshorizont des Menschen für das, was auf ihn zukommt, beschränkt. Es ist nur in gewissem Umfang möglich, morgens schon zu wissen, was abends geschehen wird. Es reichen schon geringe Störungen im gewohnten Trott, der die Sicherheit eines Tagesplans fundamental erschüttert. Gerade diese Unsicherheit kann der Mensch, der die Welt um sich herum vermisst, kategorisiert und ordnet, um seinen Platz im großen Ganzen bestimmen zu können, kaum ertragen. Die Unsicherheit liefert den Menschen seiner naturgegebenen Ohnmacht aus, die er nur allzu gern zu leugnen bereit ist. Und so schafft er sich die Illusion, die durch ein Heer selbsternannter Spezialisten aufrecht erhalten wird. Das fängt schon bei den Wettervorhersagen an, bei denen der Zuschauer von den Moderatorinnen und Moderatoren der Wetterberichte erwartet, dass sie ihm gefälligst schönes Wetter offerieren; dabei leiten sie lediglich aus Rechenmodellen statistische Wahrscheinlichkeiten ab, die durch einen unbeachteten Lufthauch nur allzu schnell unwahrscheinlich werden können.

Dabei gilt die Meteorologie als Wissenschaft der Natur, eine Frucht der Aufklärung, die die Schamanen, Tierinnereienleserinnen und Vogelflugbeobachter entmachtet hat. An deren Stelle sind in der Postmoderne andere Zukunftsvorhersager und Hellseherinnen getreten, die im Anschein wissenschaftlicher Seriosität vortäuschen, sie könnten anhand der Befragung repräsentativer Gruppen zukünftige Ereignisse voraussagen. Umfragen etwa vor wichtigen Wahlen suggerieren dann, dass ein Ergebnis schon lange feststeht, wobei sich der Skeptiker fragt, warum denn dann noch gewählt werden muss. Mit schöner Regelmäßigkeit aber entpuppen sich die Wahlforscher als legitime Nachfahren der Schamamen der Altvorderen: Sie beschwören eine wissbare Zukunft, die tatsächlich aber nicht gewusst werden kann. Es ist so, als wenn man die flatternden Nerven mit dem Schein sicherer Umfrageergebnisse zu beruhigen sucht. Wenn aber das Sedativum der Scheinsicherheiten im harten Aufprall faktischer Ergebnisse, die im Moment ihres Eintretens bereits unabänderliche und damit absolut gewisse Vergangenheit geworden sind, seine betäubende Wirkung verliert, verspüren die, die nur allzu gern dem schönen Schein Glauben schenkten, den Katerschmerz des kalten Hauches der Wirklichkeit. Schockstarre, Ungläubigkeit, Aufschrei sind die Reaktionen. Man kann es dann kaum glauben, weil man es doch nicht kommen gesehen hätte.

Hätte der Mensch, dieses zur Vorausschau fähige Wesen, die Augen wirklich offen gehalten, er wäre weniger überrascht gewesen. Der Gesang der Sirenen aber entfaltet immer noch seine gefährlich anästhetisierende Macht. Der Mensch ist ja nicht nur zur Vorausschau fähig, sondern auch zum Selbstbetrug. Man kann sich die Wirklichkeit auch schönreden – oder im Angesicht unabänderlicher harter und kalter Wahrheiten die Endzeit beschwören. Und Endzeit ist eigentlich immer.

Endzeit ist vor allem immer dann, wenn sich die eigenen Wünsche und Hoffnungen nicht erfüllen. Dann gerät das selbstgebastelte System, mit dem der Mensch sich in der Welt verortet, ins Wanken oder wird vielleicht sogar zerstört. Den Menschen trifft dann das Gefühl von Unbehaustsein. Er ist der Wirklichkeit ausgeliefert – ohnmächtig, an den Verhältnissen etwas zu verändern. Die eben noch gewisse Zukunft hat den Status der Seifenblase längst hinter sich. Die Dinge müssen neu geordnet werden – aber womit? Die eben noch festen Bausteine selbstgebastelter Wirklichkeiten sind zu Staub zerfallen. So war es auch in den letzten Tagen nach dem amerikanischen Election Day als nach der Wahl Donald Trumps in zahlreichen Postings und Foren geradezu apokalyptische Bilder beschworen wurden. Die Endzeit war jetzt. Dabei drehte sich die um sich selbst drehende Erde weiterhin mit großer Selbstverständlichkeit um die Sonne, die dem Menschen auf seinem rotierenden Untergrund weiterhin mit großer Beständigkeit die Illusion des allmorgendlichen Aufgehens schenkt. Wenigstens das ist sicher.

Das Beschwören apokalyptischer Bilder geht gerade gläubigen Menschen schnell über die Zunge und durch die tippenden Finger. Das Beschwören des Anbruches der Endzeit ist auch zu schaurig-schön. Er impliziert immer auch eine Anklage, denn die Endzeit ist in gut biblischer Tradition ja von einem Kampf zwischen Gott und seinen Gegnern geprägt. Gerade weil Donald Trump als Präsidentschaftskandidat polarisiert hat, wie kaum ein anderer vorher und gerade weil der Wahlkampf schmutzig war, hat sich der Kandidat Trump bei vielen, die sich der intellektuellen Elite zugehörig fühlen, als Unsympath etabliert. Das allgemeine Wahlrecht in einer Demokratie schert sich allerdings nicht um intellektuelle Analysen. Der Mensch ist zwar im Allgemeinen mit Vernunft begabt, vor allem aber eben auch ein emotionales Wesen. Auch das Unbewusste ist mächtig. Letztlich ist die Fähigkeit zur Selbstillusionierung der eigentliche Schlüssel, der Könnern auf der Klaviatur menschlicher Befindlichkeiten wie Donald Trump die Tür öffnet, um einen Wählerwillen zu generieren, den niemand wollte, der aber dennoch unübersehbar sichtbar war. Er sprich dabei die Bedürfnisse kleiner Frauen und Männer ebenso an wie die Urängste der Eliten, die durch die Veränderungen in der Welt um ihre Besitzstände fürchten. Er verspricht allen alles. Bereits im Wahlkampf waren die Widersprüche seiner vielen Verheißungen offenkundig. Aber die Menschen möchten hören, was sie hören wollen. Morgen wird das Geschwätz von gestern keinen mehr interessieren. Die verheißene Zukunft, die der Verführer verkündet, ist doch so schön. Wahlen werden mit Emotionen gewonnen.

Nun steht das Ergebnis fest. Das Heulen und Zähneknirschen ist groß bei denen, die die Augen schon lange vor den Realitäten verschlossen und sich in ästhetischen Diskursen ergehen, die mit der Wirklichkeit der kleinen Männer und Frauen nur seltenst etwas zu tun haben. Die Endzeit ist da, der Antiintellektuelle hat gesiegt. Die griffbereit liegenden apokalyptischen Bilder des Untergangs sind schnell zur Hand. Und doch wird dabei übersehen, dass gerade die Apokalypsen in sich keine Untergangsszenarien sind, sondern von einer Gewissheit und Zielgerichtetheit geprägt sind, die in einer Krise kein Verderben, sondern eine schlimmstenfalls standhaft durchzustehende Notwendigkeit sehen, die in einen echten Fortschritt mündet.

Allein das Wort „Apokalypse“ zeigt das schon, heißt es doch im Wortsinn „Offenlegung“. In der Apokalypse werden die wahren Zustände und Verhältnisse offenbar. Der schöne Schein verflüchtigt sich. Die Dinge erscheinen in Klarheit, wie sie sind. Die Unerträglichkeit dieser Klarheit mag für manch einen groß sein. Gerade deshalb mahnt der Autor des 2. Briefes an die Thessalonicher, für den die Endzeit zum „Tag des Herrn“ wird:

Geschwister, wir schreiben euch über die Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, und unsere Vereinigung mit ihm und bitten euch: Lasst euch nicht so schnell aus der Fassung bringen und in Schrecken jagen, wenn in einem prophetischen Wort oder einer Rede oder in einem Brief, der angeblich von uns stammt, behauptet wird, der Tag des Herrn sei schon da. (2 Thessalonicher 2,1f)

Die Endzeit erscheint auch damals nahe. Die Gemeinde erlebt Verfolgung und Bedrängnis (vgl. 2 Thessalonicher 1,4). Sie erlebt sich als ausgeliefert. Nichts erscheint mehr sicher, die Zukunft ist ungewisse – Endzeit halt.

Für den Autor des 2. Thessalonicherbriefes aber erscheint die Endzeit als Gericht Gottes (vgl. 2 Thessalonicher 1,5). Aus der Perspektive Gottes, der Perspektive der Ewigkeit, steht der Sieg Christi ja längst fest. Deshalb ist auch schon klar, dass das Urteil über die Bedränger längst gefallen ist:

Denn es entspricht der Gerechtigkeit Gottes, denen mit Bedrängnis zu vergelten, die euch bedrängen, euch aber, den Bedrängten, zusammen mit uns Ruhe zu schenken, wenn Jesus, der Herr, sich vom Himmel her offenbart mit seinen mächtigen in loderndem Feuer. (2 Thessalonicher 1,6-8a).

Gerade dieses Wissen um die Gerechtigkeit Gottes, das natürlich den Glauben an Gott voraussetzt, begründet die urtümliche Gelassenheit der Glaubenden. Sie sollen sich eben nicht aus der Fassung bringen lassen. Die Endzeit ist für sie keine Schreckenszeit, sondern die Erfüllung ihrer Hoffnungen.

Alleine hier wird schon deutlich, wie unsinnig es gerade für Glaubende ist, die Wahl eines unsympathischen Kandidaten zum Fanal der Endzeit zu erklären. Wer so redet, schaut nur auf den schlechten Schein. Er blickt nur auf sein eigenes Schicksal. Das ist keine Gelassenheit, sondern banale Jammerei, die die Tatkraft lähmt – eine Tatkraft, die aber gerade jetzt notwendig wäre. In der zweiten Lesung vom 33. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C ermahnt der Autor des 2. Thessalonichers seine Adressaten eindringlich, sich gerade jetzt nicht hängen zu lassen. Auch in der Endzeit gilt „Business as usual“:

Im Namen Jesu Christi, des Herrn, gebieten wir euch, Brüder: Haltet euch von jedem Bruder fern, der ein unordentliches Leben führt und sich nicht an die Überlieferung hält, die ihr von uns empfangen habt. Ihr selbst wisst, wie man uns nachahmen soll. Wir haben bei euch kein unordentliches Leben und bei niemand unser Brot umsonst gegessen; wir haben uns gemüht und geplagt, Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen. (2 Thessalonicher 3,6-8)

Das Gerede von der Endzeit verführt zur Tatenlosigkeit. Tatenlosigkeit aber führt zur Unordnung. Unordnung aber verstärkt den Eindruck, das Chaos würde obsiegen. Der Mensch aber schafft durch Taten Fakten und Ordnung. So heißt es wenige Verse vorher:

Im Übrigen, Brüder, betet für uns, damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird, ebenso wie bei euch. Betet auch darum, dass wir vor den bösen und schlechten Menschen gerettet werden; denn nicht alle nehmen den Glauben an. Aber der Herr ist treu; er wird euch Kraft geben und euch vor dem Bösen bewahren. Wir vertrauen im Herrn auf euch, dass ihr jetzt und auch in Zukunft tut, was wir anordnen. Der Herr richte euer Herz darauf, dass ihr Gott liebt und unbeirrt auf Christus wartet. (2 Thessalonicher 3,1-5)

Es ist bemerkenswert, wofür der Autor das Gebet der Gemeinde erbittet: Das Wort soll sich ausbreiten und die bösen und schlechten Menschen sollen gerettet werden. Das geschieht nicht von selbst, sondern durch das Tun dessen, was der Autor der Gemeinde angeordnet hat. Beten alleine hilft eben nicht, wenn das Gebet nicht zur Tat drängt. Das bloße Gebet aber bewirkt ohne Tat nicht nur nichts; es vergrößert sogar das Empfinden einer Unordnung, die nur durch Tun zur Ordnung werden würde. Wer hier nur auf Gott wartet, vergisst, dass Gott dem Menschen die Macht des Tuns um den Preis von Schweiß und Arbeit anvertraut hat. Gerade darin ist der Mensch Gottes Ebenbild, dass er Wirklichkeiten schafft, statt sich von Wirklichkeiten schaffen zu lassen.

Selbst im Angesicht der Bedrohung und einer endzeitlichen Empfindung soll also Gelassenheit walten. Nicht das Gebet an sich verändert die Welt, wohl aber die Tat, zu der das Gebet den Glaubenden motiviert. Um die Gemeinde vor dem Fehlschluss eines Vertrauens auf eine illusionäre Macht des Gebetes zu bewahren, hatte der Autor des Briefes seinen Adressaten eine Regel gegeben:

Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. (2 Thessalonicher 3,10b)

Beten alleine macht eben nicht satt; Beten alleine verändert auch nicht die Welt. Ein Gebet, das Taten und Fakten schafft, allerdings sehr wohl. Und so mündet die zweite Lesung vom 33. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C in eine Mahnung, die gerade in diesen Tagen wieder einmal von großer Aktualität ist:

Wir ermahnen sie und gebieten ihnen im Namen Jesu Christi, des Herrn, in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbst verdientes Brot zu essen. (2 Thessalonicher 3,12)

Es ist die Haltung, das Jammern aufzuhören und „in Ruhe“ weiter zu machen. Keine höheren Mächte werden die Zukunft verändern. Es liegt jetzt an jedem und jeder einzelnen der Aufrechten und Anständigen, das ihre mit ihren Möglichkeiten und Mitteln zu tun und Ordnung zu schaffen – jetzt erst recht!

Die Endzeit ist immer! Endzeit ist jetzt! Gerade deshalb gilt wie zu allen Zeiten: Betet und arbeitet!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. Kath 2:30 schrieb am 3. Dezember 2016 um 22:20 :

    […] Es ist wieder einmal Endzeit. Und die Welt ist toll. […]

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