Es ist vorbei. Die Wahlkampfschlachten sind geschlagen. Die Wahl ist vollzogen. Der Souverän hat seine Arbeit getan und schaut nun zu, was aus seinem Willen wird. Das Volk wolle dieses oder jenes und man würde doch nur das tun, was die Mehrheit sage. Zumindest hätten Umfragen dieses oder jenes ergeben. Vor allem die Frage der Migration wurde zur Mutter aller Probleme erkoren. Und so hat man das Volk umworben, ihm scheinbar aufs Maul geschaut und dabei nur allzu oft das zutage gefördert, was man ihm zuvor in den Mund gelegt hat.
Ist die Migration wirklich die Mutter aller Probleme? Werden die Brücken wieder in Stand gesetzt sein, wenn man den „Zustrom“ begrenzt? Werden die Menschen wieder bezahlbare Wohnungen haben? Wird man sich dann endlich wieder auf den Fahrplan der Deutschen Bahn verlassen können? Begegnet man dem erstarkenden linken, rechten und islamistischen Antisemitismus mit einer klaren Haltung? Wohl kaum! In der gegenwärtigen Diskussion wird ein Scheinriese aufgebaut, der Herrn Turtur aus Michael Endes Jim Knopf-Erzählung alle Ehre macht.
Tatsächlich hält die Gegenwart zahlreiche Herausforderungen bereit. Wenn – wie vor Kurzem in Wuppertal bei der Konferenz des Stadtdekanates geschehen – Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft davon berichten, dass sie Pflegekräfte in Kenia, den Philippinen oder der Ukraine anwerben müssten, weil der personelle Notstand sonst kaum auszugleichen ist; und wenn der Geschäftsführer eben dieses Krankenhauses berichtet, dass es viel zu lange dauert, bis etwa syrische Ärzte die Anerkennung ihrer Ausbildung erhielten, damit sie endlich hier in Deutschland ihren Beruf ausüben können, sie zuvor aber noch nicht einmal ein Pflaster verabreichen dürfen, dann wird die Mutter aller Probleme sichtbar: Es ist eine überbordende Bürokratie und eine verengte Sicht auf die Migration, die auf einer spontanen Empörung basiert: Wer würde angesichts der Taten von Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München unberührt bleiben! Fraglich ist allerdings, ob solche Taten durch ein „Zustrombegrenzungsgesetz“ verhindert worden wären. Eher ist zu fragen, warum die Überwachung der schon zuvor auffälligen Täter nicht konsequent umgesetzt wurde. Personal, das zur Sicherung der Außengrenzen eingesetzt wird, fehlt in der Sicherung des Inneren.
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Dies Domini – 6. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
In einer Woche ist es soweit: Es wird gewählt in diesem Land. Erlauben Sie mir in Anlehnung an das heutige Evangelium den Seligpreisungen und Weherufen je eine hinzuzufügen:
Weh euch, die ihr nur die einfache und angenehme Lösung sucht, denn ihr verkennt den Ernst der Lage.
Selig, ihr Zweifler, die ihr Dinge hinterfragt, denn ihr macht es euch nicht zu einfach.
In den Versen vor Beginn des heutigen Evangeliums erwählt Jesus auf einem Berg seine Jünger und steigt dann hinunter in die Ebene, um sich an das dort versammelte Volk zu wenden. Er gibt seine erhöhte Position, bei der er nicht nur für mehr Menschen sichtbar, sondern auch besser hörbar ist, auf, um direkt zu den Menschen zu gehen, die seiner Meinung nach seine Botschaft am dringlichsten hören sollen – zu den Armen, den Trauernden und den Verfolgten. Nicht die Reichen und Mächtigen sind seine Adressaten, sondern die von der damaligen Gesellschaft Vergessenen. Jesus dreht die Skala einfach um, nicht Erfolg ist das Maß seiner Dinge, sondern Demut.
Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Lk 6,20f
Und genau hier sollten nicht nur wir, sondern auch unsere Politikerinnen und Politiker ansetzen. In einer Woche haben wir es in der Hand zu entscheiden in welche Richtung unsere Gesellschaft sich weiterdrehen wird. Hin zu Reichtum, Macht und Ruhm? Oder zu den Armen, den Trauernden und den Verfolgten? Wollen wir eine Gesellschaft, die wieder näher zusammenrückt oder eine, die immer weiter auseinanderdriftet? Es liegt an jedem einzelnen von uns, sich bei der Wahl für eine Politik zu entscheiden, bei der christliche Werte wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Solidarität wieder im Mittelpunkt stehen.
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Es ist Wahlkampf. Die Masken fallen. Und hinter den Masken zeigen sich die wahren Gesichter. Es ist verständlich, dass die Parteien um Wähler buhlen. Unverständlich ist allerdings, dass im Kampf um die Wählergunst Taschenspielertricks, Erpressungen, Unwahrhaftigkeiten und auch billige Stimmungsmache angewendet werden. Die Wählerinnen und Wähler sind doch nicht blöd! Was glauben Sie denn?
Drei Wochen vor der Bundestagswahl offenbaren die Parteien durch die Bank eine merkwürdige Sicht auf den eigentlichen Souverän. Der Anstand scheint vielen perdu zu sein. Die einen versuchen mit der wenig subtilen Ankündigung, es sei egal, wer die eigenen Anträge mittrage, die Parteien in der demokratischen Mitte faktisch zu einer Zustimmung zu drängen; die Gegner einer solchen Entscheidung goutieren das mit unverhohlenen Drohungen, Vandalismus und Schmierereien an Parteibüros. Der kommunikative Anstand ist verloren gegangen – und mit ihm die Währung, die für eine stabile Demokratie unerlässlich ist: das Vertrauen.
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Dies Domini – Fest Darstellung des Herrn, Lesejahr C
War das ein Lehrstück der Demokratie? Oder war es das Versagen der elementarsten demokratischen Konventionen? Der Streit um die Frage, welchen Sinn es macht, drei Wochen vor der Bundestagswahl „All in“ zu gehen, und in der Frage der Neuordnung der Migrationsfrage die Zustimmung einer demokratisch nur schwer satisfaktionsfähigen Partei billigend in Kauf zu nehmen, wird von Medien, Zeitgenossinnen und -genossen und natürlich von den im Bundestag im Pro oder Contra beteiligten Parteien je nach persönlicher Perspektive unterschiedlich beantwortet. Ausgangspunkt war der durch einen mutmaßlich psychisch erkrankten Asylbewerber begangenen Mord an einem Kind und einem Mann in Aschaffenburg. Dieser Mord reiht sich ein in die Taten von Solingen, Magdeburg und Mannheim, bei denen Menschen durch von Migranten verübte Messerangriffe ermordet wurden. In allen Fällen gibt es bei den Tätern eine Vorgeschichte, die fragen lässt, warum diese Menschen zum Tatzeitpunkt überhaupt auf freiem Fuß waren oder nicht wenigstens unter besonderer Beobachtung der Behörden standen. Vorausgegangen waren immer andere Straftaten, Angriffe, versuchte Vergewaltigungen, Drohungen usw. usw. Selbst wenn die Täter psychisch belastet sind, kann das keinesfalls die Taten entschuldigen. Gerade weil die Dispositionen längst bekannt waren, bleibt eher die Frage, warum die Bevölkerung und auch die Mitbewohnerinnen und -bewohner in den Heimen nicht vor erwartbaren Übergriffen geschützt werden können. Statt sich aber mit dieser Frage und der Schaffung entsprechender rechtlicher Möglichkeiten auseinanderzusetzen wird das größtmögliche Besteck ausgepackt und ein Zustrombegrenzungsgesetz diskutiert, das zwar die niedrigschwelligen Befindlichkeiten einer Mehrheit der Bevölkerung goutiert (nach einigen Umfragen sollen 66% der Deutschen ein solches Gesetz befürworten), in der Praxis aber keine Auswirkungen haben dürfte. Nicht nur, dass in Großbritannien und Italien vergleichbare Ansinnen der Begrenzung der Zuwanderung durch nationale Gerichte ausgebremst wurden. Auch das europäische Recht lässt solche nationalen Alleingänge nur in eng begrenztem Rahmen und einer entsprechenden Notlage zu, die als solche erst einmal festgestellt werden müsste. Es ist fraglich, ob die Morde von Mannheim, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg eine solche nationale Notlage begründen. Und wenn, müsste man etwa angesichts der Femizide in Deutschland (im Jahr 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten) nicht viel eher eine nationale Notlage erklären? Und hätte eine Zustimmung des Bundestages zu Zustrombegrenzungsgesetzt, die am 31. Januar 2025 nicht zustande kam, solche Taten wirklich verhindert? Die Täter – auch jene, die potenziell zu solchen Taten fähig sind – sind doch längst im Land. Die Vorgeschichte der Täter von Magdeburg, Solingen, Mannheim und Aschaffenburg lässt eher fragen, warum die Behörden nicht in der Lage waren, die Gefahr zu sehen und die Taten zu verhindern. Kann man es sich leisten, massenhaft polizeiliches Personal an die Grenzen zu schicken, die nach Auskunft von Fachleuten nie zu 100% zu sichern sind, das dann dort fehlt, wo es eigentlich benötigt würde – bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit zur Überwachung der potenziell gefährlichen Täter?
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Dies Domini – 2. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Die drei Schriftlesungen zum heutigen Sonntag mögen auf den ersten Blick nicht allzu viel miteinander zu tun haben: Da ist der überschwängliche Prophet Jesaja, der den Zuhörerinnen und Zuhörern seine Freude über Größe und Schönheit der Heiligen Stadt entgegenwirft. Da ist der Apostel Paulus, der eine verkopfte Abhandlung über die Geistesgaben an seine Korinther Gemeinde schreibt. Und da ist Jesus, der in Kanaa bei seinem ersten öffentlichen Auftreten auf einer Hochzeitsfeier Wasser in Wein verwandelt.
Doch schaut man ein wenig hinter die Kulissen, kann man in den drei Perikopen für den heutigen Sonntag die Aufforderung, aktiv zu werden, erkennen, wenn auch aus jeweils unterschiedlichen Gründen. Wir lesen von dem Träumer Jesaja, dem Gelehrten Paulus und dem Macher Jesus. Und alle zielen auf eine Veränderung zum Besseren ab.
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Es ist die Zeit der vielen Worte. Der Wahlkampf für die bevorstehende Bundestagswahl nimmt Fahrt auf. Von radikaler Zuversicht ist da die Rede, von Kompetenz und Kampf für die Zukunft, von Freiheit und Sicherheit. Auch will man Deutschland wieder nach vorne bringen, wobei sich natürlich alles ändern soll. Worte, Worte, Worte, die so viel heiße Luft enthalten, dass man besorgt sein muss, dass sie den menschengemachten Klimawandel nicht verschärfen. Statt inflationär Worthülsen mit Parolen in die Welt zu entlassen, wäre es doch wünschenswert, einmal echte Lösungsvorschläge für jene Probleme vorzustellen, von denen viele glauben, dass sie allen bekannt wären. Was glauben Sie denn?
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Dies Domini – Zweiter Sonntag nach Weihnachten, Lesjahr C
Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Selbst dort, wo die Demokratie das Volk als eigentlichen Souverän vorsieht, scheint es die Sehnsucht nach dem starken Führer zu geben, der die Einzelnen von der Last der Verantwortung für das eigenen Leben befreit. Zwar werden selten realistische Lösungen angeboten; dafür werden tief liegende Emotionen angesprochen. Die Weisheit bleibt auf der Strecke, wenn Clowns die Macht übernehmen. Weise Politikerinnen und Politiker regieren mit ruhiger Hand, verzichten auf persönliche Angriffe und tun – mit weiser Voraussicht – das bisweilen unpopulär Notwendige. Die Clowns hingegen recken lustvoll Fäuste in die Höhe, springen auf der Bühne herum und nutzen jede Gelegenheit, sich über den politischen Gegner lustig zu machen. Wozu Politik treiben, wenn die Sucht nach Unterhaltung groß ist. Der Clown wird auch dann noch lachen, wenn die Welt dem Abgrund entgegengeht. The Show must go on!
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Das Fest ist gefeiert, die Geschenke sind ausgepackt, manche von innen werden heute wohl wieder umgetauscht. Die ersten Weihnachtsbäume liegen schon auf der Straße. Weihnachten ist vorbei. Sicher nicht in der Kirche – da dauert Weihnachten noch mindestens bis zum 6. Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn, im Volksmund auch Dreikönigsfest genannt. Die meisten Zeitgenossen aber dürften sich auf den Jahreswechsel vorbereiten in dieser Zeit „zwischen den Jahren“.
„Zwischen den Jahren“ – diese merkwürdige Redewendung hat ihre Wurzeln in Zeiten, in denen nicht ganz klar war, wann das neue Jahr begann. Erst mit der gregorianischen Kalenderreform im Jahr 1582 wurde der Beginn des Neuen Jahres definitiv auf den 1. Januar fixiert. Vorher begann für manche das Jahr mit dem 1. Advent, der heute noch der Beginn des neuen Kirchenjahres ist, für viele markierte der 25.12. als Hochfest der Geburt des Herrn den Jahresanfang. Aber auch der 6.1. galt für nicht wenige als Jahresbeginn. Die Unklarheit über den Zeitpunkt des Jahreswechsel führt zu der Redewendung einer Zeit „zwischen den Jahren“.
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Dies Domini – Vierter Adventssonntag, Lesejahr C
Es sind unfriedliche Zeiten. Wieder einmal. Und das, obschon zu Weihnachten weltweit der große Friede beschworen wird. Dabei werden in den vielen Kriegen, die derzeit in der Welt geführt werden, wohl selten die Waffen wenigstens in der Heiligen Nacht schweigen. Versagt der Friedefürst, dessen Geburt an Weihnachten mit Inbrunst gefeiert wird?
Weihnachten ist zu einem naiv-romantischen Fest geworden. Friede, Liebe, Familie – die heile Welt soll wenigstens an Weihnachten Wirklichkeit werden. Die Ratschläge eilfertiger Psychologen, die alle Jahre wieder Tipps für ein Gelingen des weihnachtlichen Familienfriedens geben, lassen allerdings erahnen, dass auch hier die viele frommen Wünsche nur oft genug Illusionen sind. Je höher die emotionalen Erwartungen, desto tiefer häufig die Enttäuschungen. Dabei sind die weihnachtlichen Erzählungen im Neuen Testament selbst wenig romantisch. Im Matthäusevangelium fühlt sich Joseph als gehörnter Verlobter, der sich mehr pflichtbewusst als überzeugt in sein Schicksal fügt. Wenn Engel sprechen, bleibt den Menschen wohl kaum eine Wahl, wollen sie im Angesicht Gottes nicht ungerecht erscheinen. Ähnlich erging es wohl auch Maria, als der Engel ihr die Geburt eines Sohnes verkündete. Sie nimmt die Botschaft mit gesundem Zweifel auf und fügt sich eher in ihr Schicksal:
„Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ (Lk 1,38)
Freudige Zustimmung klingt jedenfalls anders.
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Dies Domini – Zweiter Adventssonntag, Lesejahr C
Hoffnung ist eine fragile, aber aufrechte Haltung. Wer hofft, schaut nach vorne. Wer hofft, krempelt die Ärmel hoch. Wer hofft, wartet nicht einfach auf bessere Zeiten. Der hoffende Mensch arbeitet daran, dass sie besser werden. Zweifelsohne braucht es in jeder Krise Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben. Wer die Hoffnung fahren lässt, hat sich längst aufgegeben. Dann geht es nur noch um das eigene Überleben. Mögen die anderen untergehen, solange die eigene kleine Existenz davon unberührt bleibt, mag geschehen, was will. Die, die die Hoffnung fahren lassen, kämpfen nicht – nicht für andere, nicht für sich, schon gar nicht für eine Welt, in der das nahe Reich Gottes sichtbar wird. Die Hoffnung hingegen ist das Rückgrat, das den Menschen aufrichtet. Hoffnungslose hingegen haben dieses Rückgrat verloren, so dass sie in sich zusammenfallen und die Gefahr, sich selbst im Spiegel begegnen zu müssen gering ist … in sich zusammengesunken schaffen sie es gar nicht mehr, in den Spiegel zu schauen. Deshalb übernimmt die Angst vor numinosen Gefahren. Die Hoffnungslosigkeit schwächt. Wie soll die Welt da besser werden. Wie soll man da dem Bösen entgegentreten?
Die gegenwärtige Zeit ist voll von Konflikten und Krisen, die geeignet sind, alle Hoffnung fahren zu lassen. Es scheinen höllische Zeiten zu sein. Der Krieg in der Ukraine mit dem ständigen Drohen Putins, nukleare Waffen einzusetzen, das durch das bestialische Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 ausgelöste Grauen in Gaza, die Folgen der Angriffe der Hisbollah und der Gegenwehr Israels für den Libanon, die zahlreichen Kriege auf dem afrikanischen Kontinent, der Konflikt in Aserbaidschan und Armenien, die politischen Krise in Südkorea, die Gefährdung Taiwans, die politischen Wirren in Georgien, die Sorge um den sich beschleunigenden Klimawandel und, und, und … die Endzeit scheint mal wieder nahe zu sein. Viele stecken angesichts der Krisen den Kopf zwar nicht in den Sand, verstecken sich aber gerne unter jenem weichen Kissen der Forderung nach Verhandlungen – als wenn Diktatoren mit sich handeln ließen. Und auch das Klima ist da wenig kompromissbereit. Bei näherem Hinschauen aber wird deutlich, dass solche Haltungen entweder feige oder abgrundtief angstgesteuert, in jedem Fall aber hoffnungslos sind. Wie will man so die Zukunft gewinnen?
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