Herzlich Willkommen bei kath 2:30, dem Blog der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Hier geht es zum Videopodcast von kath 2:30.
Besuchen Sie auch die Mystagogische Kirchenführung.
Oder die Seite des Heiligen Laurentius, unter Stadtpatron Wuppertal.

kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 1. Adventssonntag, Lesejahr B

Der Mensch liebt es einfach. Komplexität fordert ihn heraus, wenn sie ihn nicht sogar überfordert. Deshalb strebt er entweder danach, komplexe Situationen auf einfache Denkmuster zu reduzieren oder er delegiert die Lösungskompetenz direkt an höhere Mächte. In Ermangelung tatsächlicher höherer Mächte wird dann auch schon einmal der Ruf nach starken Führerfiguren laut. Nicht dass die gegenwärtigen Herausforderungen zwischen den Herausforderungen des Klimawandels, der Erfahrung einer globalen Pandemie und dem Zerbrechen der Illusion eines Lebens in Frieden und Sicherheit durch den Angriff Russlands auf die Ukraine und den durch den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 erneut aufgeflammte Konflikt im Nahen Osten die ersten menschheitsgeschichtlichen Kontingenzerfahrungen, als dem Erleben der Zufälligkeit und Nichtnotwendigkeit der eigenen Existenz, wären; für viele Menschen im wohlstandsverwöhnten Mittel- und Westeuropa scheint die Welt allerdings im wahrsten Sinn des Wortes verrückt worden zu sein. Woher also kommt Hilfe?

Es ist wohl eine jener Erfahrungen, die auch den Worten aus der ersten Lesung vom ersten Adventssonntag im Lesejahr B begegnet. Mit ihnen richtet sich der Beter geradezu flehend an Gott als himmlische Macht:

„Du, Herr, bist unser Vater, ‚Unser Erlöser von jeher‘ ist dein Name. Warum lässt du uns, Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbbesitz sind! Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen, sodass die Berge vor dir erzitterten.“ (Jes 63,16b-17.19b)

Hätte und wäre – der Konjunktiv zeigt an, dass Gott, der doch der Erlöser ist, nicht eingegriffen hat. Die existentielle Herausforderung bleibt bestehen. Mehr noch: Der Beter deutet sie als Ausdruck des Zornes Gottes, der auf das Abirren des Menschen vom rechten Weg reagiert:

„Seit Urzeiten hat man nicht vernommen, hat man nicht gehört; kein Auge hat je einen Gott außer dir gesehen, der an dem handelt, der auf ihn harrt. Du kamst dem entgegen, der freudig Gerechtigkeit übt, denen, die auf deinen Wegen an dich denken. Siehe, du warst zornig und wir sündigten; bleiben wir künftig auf ihnen, werden wir gerettet werden. Wie ein Unreiner sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein beflecktes Kleid. Wie Laub sind wir alle verwelkt, unsere Schuld trägt uns fort wie der Wind.“ (Jes 64,3-5)

Konsequent zu Ende gedacht heißt das aber, dass der Mensch sein Schicksal eigentlich selbst in der Hand hat. Für den Beter ist klar, dass Gott ihm durch seine Weisung alles gegeben hat, um ein gelingendes Leben zu führen. Das Abirren von der Weisung aber führt den Menschen ins Verderben. Gott greift eben nicht einfach so ein. Die Rettung liegt hingegen im Umdenken und in der Rückkehr zu den Weisungen Gottes. Nicht der Mensch formt Gott nach seinem Willen, sondern er muss sich nach der Weisung Gottes formen lassen:

„Doch nun, Herr, du bist unser Vater. Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.“ (Jes 64,7)

Das Bemerkenswerte an dem prophetischen Gebet ist die Selbsterkenntnis: Du, Mensch musst dein Schicksal selbst bewältigen. Gott hat dir alles, was notwendig ist, dazu gegeben. Folge seiner Weisung und achte auf sie. Lass dich nicht beirren!
Genau diese Erkenntnis liegt wohl den Worten der zweiten Lesung vom ersten Adventssonntag im Lesejahr B zugrunde. Paulus ruft dort zu Beginn des 1. Korintherbriefes geradezu jubelnd aus:

„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Ich danke meinem Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde, 5dass ihr an allem reich geworden seid in ihm, an aller Rede und aller Erkenntnis. Denn das Zeugnis über Christus wurde bei euch gefestigt, sodass euch keine Gnadengabe fehlt, während ihr auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus wartet. Er wird euch auch festigen bis ans Ende, sodass ihr schuldlos dasteht am Tag unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn.“ (1 Kor 1,3-9)

Liest man den 1. Korintherbrief weiter, wird man feststellen, dass dort doch mehr Konflikte herrschen, als es der Eingangsjubel vermuten lässt. Gerade deshalb aber weist Paulus direkt zu Beginn auf die eigentlich notwendige Grundhaltung hin: Feststehen im Zeugnis über Christus. Feststehen in seiner Weisung.

Es bleibt also dabei: Wenn der Mensch wartet, dass jemand anderes seine Problem löst, sei es Gott als höchster Macht, seien es in Ermangelung eines Glaubens an diesen Gott die Sehnsucht nach einem starken weltlichen Führer, wird sich seine Herausforderung nicht nur nicht von selbst lösen; seine Situation wird sich womöglich noch verschlimmern.

Es nutzt also nichts, auf Hilfe zu warten. Der Mensch als Einzelner wie die Menschheit als Ganzer muss sich selbst ihren Herausforderungen stellen. Sie muss die Zeichen der Zeit deuten und die Geschehnisse in der Welt klug und wachsam wahrnehmen. Kein Wunder, dass Jesus selbst im Evangelium ausruft:

„Gebt Acht und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.“ (Mk 13,33)

Die Verantwortung ist nicht delegierbar. Der Mensch hat alles bekommen, was er braucht, um die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen. Echtes Gebet ist deshalb kein einseitiger Rettungsruf, sondern eine Form wachsamer Selbsterkenntnis!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

Du kannst einen Kommentar schreiben.

Hinterlasse einen Kommentar