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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 32. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Geht es Ihnen auch so? Manche Bibeltexte, nehmen Sie manche Passage der Apokalypse, sind so dunkel und rätselhaft, jedenfalls für mich, dass ich Mühe habe, einen Zugang zu finden und bei diesem Bemühen bin ich durchaus nicht immer erfolgreich. Andere Texte, denken Sie an die Emmaus-Erzählung, sprechen mich unmittelbar an, sozusagen instant. Die alttestamentarische Lesung des heutigen Sonntags aus dem Buch der Weisheit gehört für mich zu beiden Kategorien.

Wer sie (die Weisheit) am frühen Morgen sucht, braucht keine Mühe, er findet sie vor seiner Tür sitzen.“ (Weish 6,14)

Toll, ein wunderbares, märchenhaftes Bild, wie die Weisheit vor meiner Tür sitzt, wenn ich am frühen Morgen hinaustrete, um die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen. Aber – was soll das heißen?

„Über sie nachzusinnen, ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen wacht, wird schnell von Sorgen frei.“ (Weish 6,15)

Auch großartig, aber doch auch wieder dunkel: wieso ist es klug, über die Weisheit nachzusinnen? Und wer hätte je bei schlaflosem Grübeln die Erfahrung gemacht, seiner Sorgen ledig zu werden? Sonderbar und rätselhaft.

Es ist menschenfreundlich und sympathisch, sich die Weisheit als zugewandte, liebenswürdige Frau vorzustellen, aber wie kommt der Verfasser darauf und was sollte es damals, was kann es heute bedeuten?

Macht man sich bewusst, dass dieser jüngste Text des Alten Testaments in die spezifische Situation der Zeitenwende hineingesprochen worden ist, in der der Autor den jüdischen Glaubensbrüdern in einer griechisch-hellenischen Welt die Schönheit und Wahrheit des überlieferten Glaubens gerade auch unter den Bedingungen der philosophischen Grundlegung der modernen Begrifflichkeiten nach den Schulen der griechischen Denker zeigen wollte, dann tut sich eine Tür des Verstehens auf: ich muss als mediterraner Semit gar nicht Platon und Aristoteles studiert haben und dabei meine vertraute Glaubenswelt an den Nagel hängen. Ich kann mir mit meinen Vorstellungen und Bildern den Schatz der neuen Begriffe erschließen, ohne dabei den Glauben aufzugeben. Und ebenso kann der klassisch-griechische Zeitgenosse, auch wenn er gar nicht wusste, dass wir ihn einmal so sehen werden, sich den Schatz der jüdischen Überlieferung zu eigen machen, ohne das Denken in den neuen, modernen Begriffen aufzugeben.

„Mit dem weitgefächerten Begriff ‚Weisheit‘ war dem Verfasser des Weisheitsbuches ein Substrat an die Hand gegeben, ins dem sich das Denken und Empfinden zweier Kulturkreise begegneten. dadurch gelang es ihm, die alte biblische Botschaft in einer aktuellen und attraktiven Form darzubieten .“ (A. Schmitt).

Könnte uns solch ein Versuch nicht auch heute einen Weg zu den Zeitgenossen eröffnen? Nicht, indem wir vordergründig nur von Festplatten als Gedächtnis und Beichte als Reset sprechen und unsere Gottesdienste über das Internet in die Wohnzimmer streamen, sondern indem wir uns wirklich auf die Bedingungen unserer Zeit einlassen, dem Gerechtigkeitswillen unserer Zeitgenossen, die geschlechtsspezifische Diskriminierung auch dann nicht hinnehmen wollen, wenn man es als göttlichen Willen behauptet, ihrem Freiheitsdrang, der sich auch dann nicht zwingen lassen will, wenn doch ein anderer Gehorsam als evangelischen Rat verkaufen möchte und ihrer Angst, dass doch so vieles in unserer Welt zum Himmel schreit, dass man meinen muss, der Himmel sei leer und Gott schon lange tot?

Nicht, dass man alle Forderungen einfach übernehmen sollte und dann nichts mehr in Händen hält, was noch von Interesse für unsere Mitmenschen sein könnte. Aber doch, dass wir das Faszinosum unseres Glaubens nicht im Festhalten an wunderlichen und zum Teil unbrauchbaren Regeln und Riten erblicken, sondern in der radikalen Zeitgenossenschaft unseres Gottes mit uns Menschen heute, wie er es am Karfreitag bis zum Kreuz vorgegangen ist?

Erlösung, Erb-Sünde, Sühne und Barmherzigkeit Gottes sind nicht mehr die Kategorien heutigen Denkens. Der Verfasser des Weisheitsbuches ließ sich von seinen Zeitgenossen herausfordern und dachte ganz neu nach. Was machen wir?

Katharina Nowak

Author: Katharina Nowak

Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.

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