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kath 2:30 Dies DominiAm 14. April 2012 teilte Papst Benedikt in einem Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz seine Entscheidung mit, dass bei der deutschen Übersetzung der Einsetzungsworte in der Eucharistiefeier sei das „pro multis“ nicht mehr mit „für alle“, sondern mit „für viele“ wieder zu geben. Diese Entscheidung war nicht nur Anlass für einen intensive exegetische und liturgietheologische Diskussion, die bis in die heutigen Tage anhält, wie nicht zuletzt der Beitrag „Vergiftung des Heiligtums?“ von Andreas Odenthal und Wolfgang Reuter in der Herder Korrespondenz (Ausgabe 4/2013) zeigt. In semantischer Sicht wurde vor allem hinterfragt, was die Änderung den soteriologisch, also für die Erlösungsfrage bedeutet; „viele“, so betonten einige – meist in der Ansicht, selbst auf der richtigen Seite zu stehen – das seien eben nicht alle. Es sei ja ein Gebot der menschlichen Freiheit, sich von Gott abwenden zu können. Und wer von dieser Freiheit Gebrauch mache, der habe dann eben die Konsequenzen des Heilsverlustes zu tragen.

Einmal abgesehen davon, dass eine solche Interpretation tendenziös ist und die semantische Option des „pro multis“ übersieht, dass mit „den vielen“ das Übersteigen des eigenen Horizontes gemeint ist: „die vielen“ sind die, die (noch) nicht zur Gemeinschaft des Volkes Gottes gehören (vgl. hierzu meine Kath 2:30-Beitrag „Wenn Hyperpollonesier auf Peripantonen treffen“); das „pro multis“ beinhaltet also geradezu einen missionarischen Auftrag, der das „für alle“ intendiert.
Diesen Aspekt hat jetzt auch Papst Franziskus während der Inbesitznahme der römischen Lateranbasilika, die der eigentliche Sitz des Bischofs von Rom ist, bestätigt. Darauf – und auf die Kontinuität der letzten Päpste in dieser Frage – wies jüngst der Regensburger Theologe Michael Hauber hin:

Dieses Allerbarmen hat der Papst auch im Hochgebet zum Ausdruck gebracht, als er im italienischen Hochgebet über den Kelch die von Paul VI. approbierten, von Johannes Paul II. stets verteidigten und von Benedikt XVI. immer in ihrer Richtigkeit bestätigten Worte betete, dass Jesu Blut für alle Menschen zum Heile vergossen wurde. (Michael Hauber, Auf der römischen Kathedra. Ein Essay zur Theologie des Amtsantritts von Bischof Franz, am 10.4.2013 als pdf-Datei veröffentlicht im Münsteraner Forum für Theologie und Kirche)

Die Barmherzigkeit prägte auch die Inbesitznahme der Lateranbasilika selbst. Wo früheren Päpsten betont die Aufgabe des regierenden Leitens, des Heilens und des Lehrens mit universaler Dimension zugesprochen wurde, wurde der neue Bischof von Rom nun mit folgenden Worten vom Kardinalvikar der römischen Diözese – auf italienisch – begrüßt:

Seligster Vater,
in lautem Jubel freut sich die Heilige Kirche in Rom heute im Herrn, ihren Bischof, den Nachfolger des Apostels Petrus, aufzunehmen, der Besitz ergreift von seiner Kathedra.
Diese ist der erwählte und gesegnete Platz, von welchem aus treu im Laufe der Jahrhunderte der Fels, auf welchem die Kirche gegründet ist, in der Glaubenswahrheit alle Brüder stärkt, in Liebe den Vorsitz über alle Kirchen innehat und mit sicherer Sanftheit alle führt auf den Wegen zur Heiligkeit.
Unser Lob- und Dankgesang und unsere flehende Fürsprache erhebt sich an die selige Dreifaltigkeit, damit sich vom einen Ende der Erde zum anderen eine einzige Herde unter einem einzigen Hirten bildet.
Seligster Vater, mit kindlicher Hingabe bekennen wir uns als Ihrem Lehramt und Ihrer Leitung gehorsam und gefügig. (Quelle: http://www.vatican.va/news_services/liturgy/libretti/2013/20130407-libretto-cathedra-romana.pdf, 10.4.2013, S. 7 – Übersetzung Michael Hauber)

Hier steht nicht mehr die päpstliche Universalgewalt und Macht im Vordergrund, sondern Sanftheit und Zärtlichkeit, mit der alle zum Heil geführt werden sollen. Um das zu erreichen soll der Vorsitz in Liebe geführt werden.

Dass das Petrusamt ein Amt der Liebe ist, ergibt sich schon aus der Begegnung des Auferstandenen mit Petrus, die im Evangelium des 2. Sonntags der Osterzeit im Lesejah C beschrieben wird (Johannes 21,1-19). Dort kommt es zu einem bedeutenden Dialog zwischen dem auferstandenen Christus und Petrus, dessen Brisanz in der deutschen Übersetzung kaum zu erahnen ist:

Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer!
Zum zweiten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!
Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte: Hast du mich lieb? Er gab ihm zu Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!
Amen, amen, das sage ich dir: Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.
Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach! (Johannes 21,15-19)

Weil die deutsche Sprache nicht in der Lage ist, die Vielfalt der Möglichkeiten des Griechischen abzubilden, was unter „Liebe“ zu verstehen ist, erscheint es so, als würde Jesus fast begriffsstutzig dreimal Dasselbe fragen. Tatsächlich aber ergibt sich bei einem Rückgriff auf den griechischen Urtext ein viel differenzierteres Bild. Jesus fragt nämlich die ersten beiden Male: Petrus, liebst du mich? – wobei er das griechische Verb άγαπᾶν (agapãn) verwendet, das die liebende Zuneigung oder auch die (existentielle) Nächstenliebe meint. Petrus anwortet hingegen mit dem Verb φιλεῖν (phileĩn), das so viel heißt wir „jemand zum Freund sein“. Es besteht also ein erheblicher Unterschied zwischen der Frage Jesu, der nach einer existentiellen Grundhaltung des Petrus fragt und dessen Antwort, die qualitativ weit hinter dem existentiellen Anspruch des Auferstandenen zurückbleibt.

Interessant ist, dass Jesus bei der dritten Frage auf die Unfähigkeit des Petrus, seinem Anspruch gerecht zu werden, eingeht. Der Auferstandene verwendet in seiner dritten Frage jetzt selbst das φιλεῖν (phileĩn). Die Trauer des Petrus wird nun allzu verständlich, denn er begreift den Unterschied zwischen dem Anspruch Jesu und seinem Unvermögen. Diese Selbsterkenntnis kommt in dem „Herr, du weißt alles.“ (Johannes 21,17) zum Ausdruck. Trotzdem empfängt Petrus zum dritten Mal den Auftrag, die Schafe zu weiden.

Die ganze Szene wird zu einem Lehrstück für Petrus. Er muss mit Demut sein eigenes Unvermögen erkennen. Er muss lernen, dass sein Auftrag nicht unbedingt irdischen Ruhm und Ehre zur Folge hat. Sein Schicksal führt Jesus ihm am Schluss dieses Dialogs deutlich vor Augen. Auch seine Eifersucht auf den Lieblingsjünger, die in der folgenden Szene, die nicht in diesem Sonntagsevangelium enthalten ist, spricht da Bände:

Petrus wandte sich um und sah, wie der Jünger, den Jesus liebte, (diesem) folgte. Es war der Jünger, der sich bei jenem Mahl an die Brust Jesu gelehnt und ihn gefragt hatte: Herr, wer ist es, der dich verraten wird? Als Petrus diesen Jünger sah, fragte er Jesus: Herr, was wird denn mit ihm? Jesus antwortete ihm: Wenn ich will, dass er bis zu meinem Kommen bleibt, was geht das dich an? Du aber folge mir nach!
Da verbreitete sich unter den Brüdern die Meinung: Jener Jünger stirbt nicht. Doch Jesus hatte zu Petrus nicht gesagt: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, dass er bis zu meinem Kommen bleibt, was geht das dich an? (Johannes 21,20-23)

Vor allem aber lernt Petrus etwas über die Liebe des Auferstandenen, die auch die Liebe Gottes ist: Gott überfordert den Menschen nicht. Er kommt ihm entgegen. Gott ist offenkundig bereit, seine Ansprüche an den Menschen so zu gestalten, dass der Mensch ihnen genügen kann. Gott liebt alle! Und aus dieser Liebe lässt Gott den Menschen frei. Ja, der Mensch kann aus Freiheit die Liebe Gottes ablehnen. Aber Gott steht es frei, auch diesem Menschen liebend hinterher zu laufen. Wer wollte Gott das versagen?

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,
Ihr

Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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