Dies Domini – 10. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Die Nachkriegszeit ist endgültig vorbei. Allerorten ist spürbar, dass die Erinnerung an die Zerstörungen, die der totale Krieg als Frucht hervorgebracht hat, nicht mehr nur verblasst sind. Die Generation derer, die die Folgen eines egomanischen Nationalismus mitverantwortet, als Mitläufer geduldet und als Gegner ertragen und erlitten haben, steht zum größten Teil schon vor dem göttlichen Richter. Krieg und Holocaust – das sind für viele Heutige nur noch unwirkliche Szenen dokumentiert in schwarz-weißen, unscharfen und verwackelten Bildern, unterlegt mit Moderationen, die in Tonfall und Diktion im zeitlichen Abstand künstlich wirken. In Zeiten, in denen HD von 4K abgelöst wird, Auflösungen, in denen selbst Computerspiele geradezu realistisch wirken, droht die Erinnerung der fatalen Folgen von Führerkult und Nationalismus nicht nur zu verblassen. Manch einer verklärt sie gar zu einem Vogelschiss der Geschichte, eine Flatulenz bloß heißer Luft, die man heute doch nicht mehr ernst nehmen kann. Gauland, Höcke und Weidel, die Führer der AfD wollen den Schuldkult endlich beenden. First! ist der Ruf der Zeit! America first, Ungarn first, Polen first – und natürlich Deutschland first! Wo die Väter und Mütter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, die Architekten eines ebenso geeinten wie friedlichen Europas und die Völkergemeinschaft überhaupt aus den Ruinen des Zweiten Weltkrieges gelernt hatten, dass so etwas nie wieder passieren darf, vereinen sich heute die Egomanen aller Völker in einer kollektiven Kakophonie: Wir zuerst!
Es ist schon bemerkenswert schizophren, wenn sich die Nationalisten vieler Völker zu internationalen Kongressen treffen. Sie planen gemeinsam die Auflösung Europas. Sie sägen gemeinsam am Stamm des Friedens. Sie säen gemeinsam die Sporen der Spaltung, die sich tief in die Gesellschaften fressen. Es ist der gemeinsame Feind, der sie vereint – ein Feind, der dazu beigetragen hat, dass ein Kontinent die längste Friedensperiode der letzten 2000 Jahre erlebt hat. Es ist der Feind Europa, der bekämpft wird, weil ein Europa der Vielen immer mit sich bringt, dass die vielen Einzelnen Rücksicht und Solidarität üben müssen. Das Miteinander der vielen Einzelnen hat Europa stark gemacht und den Frieden gebracht. Ein Miteinander, das immer neu erarbeitet werden muss. Europa führt eben kein Schoßhündchen an der Leine, sondern reitet auf einem Stier!
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Die Zeit ist nicht arm an schlagenden Worten. Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Transformation sind einige dieser Begriffe, die immer wieder auftauchen. Jörg Heynkes sieht in einem Beitrag für den Weblog „Sparrow Journal“ hinter diesen Begriffen aber nicht nur Worte, die schlagen, sondern gar eine vierte industrielle Revolution, die als unsichtbare Welle, einem Tsunami gleich, auf die Gesellschaft zurollt. Wer so redet, kann in der Digitalisierung nicht wirklich nur eine Verheißung sehen, und auch die Transformation, etwa in der Mobilität, erscheint dann nicht als Lösung, sondern als Gefahr.
Das Problem liegt schon im Wort selbst. Trans-Formation – wörtlich Um-Formung – das scheint zuerst etwas Äußerliches zu sein. Eine äußere Form soll geändert werden. In der Diskussion um die Mobilität der Zukunft bedeutet das etwa die Bevorzugung elektrischer Antriebe oder die Förderung selbstfahrender Autos. Das wird eine schöne neue Welt sein, in der niemand mehr ein Kraftfahrzeug besitzt, weil man alles per App ordern kann, um mit dem Gemeinvehikel von A nach B zu gelangen. Man braucht auch keine Parkplätze mehr, weil die Fahrzeuge immer in Bewegung sind. Das verbraucht zwar Energie, gibt aber Platz. Und die Luft ist so sauber, weil alles elektrisch ist. Nur: Der Strom wird anderswo produziert und schädigt dort die Umwelt; um die Batterien bauen zu können, müssen im Kongo Kinder in die Kobaltminen und der Faktor Mensch und sein Individualitätsstreben darf ab sofort keine Rolle mehr spielen. Werden Handwerker in Zukunft mit Materialhängern am Straßenrand stehen und auf den nächsten Flitzer warten? Die schöne neue Welt hat halt ihren Preis. Was glauben Sie denn?
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Dies Domini – Dreifaltigkeitssonntag, Lesejahr B
Dreifaltigkeitssonntag, das fügt sich mit dem Christkönigssonntag oder Fronleichnam zu einer Reihe von Festtagen im Kirchenjahr, für die der nicht besonders kirchennah sozialisierte Zeitgenosse kaum spontanes Verständnis aufbringen wird. Dreifaltigkeit? Wahrscheinlich so eine spitzfindige dogmatische Nuss, die ohne Theologiestudium kaum unfallfrei zu knacken sein wird. Und eine lebenspraktische Dimension dürfte hier auch nur sehr schwer zu erkennen sein.
Jedenfalls haben wir hier einen Quell des z.B. islamischen Vorwurfs, das Christentum sei gar nicht wirklich eine monotheistische Religion, sondern mit der Omnipräsenz des Hl. Geistes sogar eine pantheistische Religion, wo es demgegenüber doch in der Lesung aus dem Buch Deuteronomium heißt
„Jahwe ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst.“ (Dtn 4,39)
Ja, an dem Vorwurf scheint etwas dran zu sein. Es sind Bibliotheken damit gefüllt worden, diesen Fragen nachzugehen und dabei dogmatische Gebäude filigraner Präzision zu errichten, aber bis auf die Schönheit damit gefüllter österreichischer Klosterbibliotheken fällt das uns Zeitgenossen nicht ohne weiteres auf.
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Dies Domini – 7. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B
Zeiten des Überganges sind Zeiten der Auferstehung. Das Leben verläuft selten in Bahnen gleichförmiger Mittelmäßigkeit. Zwischen den Höhen und Tiefen ist es eigentlich permanent ein Leben im Übergang. Genau das ist ja das, was Tradition ausmacht, jenen Prozess der Weitergabe von Erfahrungen, Wissen und Gewissheiten im Übergang von einer Generation auf die nächste. Und dieser Übergang muss gestaltet werden. Er bedeutet ein Fortschreiten, ein Entdecken neuer Herausforderungen, einen Neuaufbruch, bisweilen auch eine Auferstehung. Es ist sicher kein Zufall, dass das Aufstehen des Petrus im Kreis der Brüder, von dem die erste Lesung am 7. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr B spricht, mit demselben Wortstamm bezeichnet wird, wie die Auferstehung des Gekreuzigten – ἀναστάς (gesprochen: anastás):
In jenen Tagen erhob (ἀναστάς) sich Petrus im Kreis der Brüder – etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen. (Apostelgeschichte 1,15)
„In jenen Tagen“ – mit diesen Worten schließt die Lesung an die vorausgehende Erzählung von der Himmelfahrt Jesu an. Das, was hier beschrieben wird, ereignet sich eben zwischen der Himmelfahrt Jesu, die sich nach Apostelgeschichte 1,3 vierzig Tage nach der ersten Auferstehungserfahrung zugetragen hat, und der Sendung des Heiligen Geistes am Schawuot-Fest, also 50 Tage nach Pessach, dem Pfingstfest. Pfingsten wird der große Aufbruch sein, wenn die Apostel in der Kraft des Heiligen Geistes zum ersten Mal öffentlich von der Auferstehung des Gekreuzigten reden werden. Aufgrund dieser Predigt wird die erste Gemeinde entstehen.
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Zurückgeblieben stehen sie da: Luftgucker, die das Loch im Himmel suchen, in dem sich das Problem, dass sie jetzt haben, auflöst. So erzählt es die Bibel von den Jüngern nach Christi Himmelfahrt. Zurück bleibt nur ein Auftrag: „Ihr werdet die Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.“ (Apg 1,8) Nun sind sie allein unterwegs mit diesem Auftrag des Herrn – ein Auftrag, der keinen Raum für Kompromisse lässt. Nun gilt es zu lösen, was zu lösen ist, und zu binden, was zu binden ist. Dazwischen gibt es nichts, keinen Ort der Unangreifbarkeit, keinen Platz zwischen den Stühlen, bei dem man vermeiden könnte, sich festnageln zu lassen. Für Christen gilt besonders, dass nicht dicht ist, wer nach allen Seiten offen ist. Was glauben Sie denn?
Der Sohn des Zimmermanns aus Nazareth hat am Holz des Kreuzes in kompromissloser Konsequenz sein Meistersstück gezeigt. Nach Aussage der Schriften unterweist er als Auferstandener seine Jünger, deren Lehrzeit mit Christi Himmelfahrt zu Ende geht. Der Meister spricht sie los, der Rabbi entlässt seine Schüler, die nun ihre Reife an der Wirklichkeit zeigen müssen. Sie sind keine Lämmer mehr, die schweigen können. Leithammel sollen sie nun sein, die selbst den Weg weisen, Zeugen mit Leib und Seele, handfeste Leute, die keine Löcher in die Luft schauen. Die Lehrzeit ist vorbei. Es ist jetzt an ihnen, die Fragen zu beantworten, die sich ihnen stellen. Aus unmündigen Kindern sollen sie nun selbst zu Erwachsenen werden, die zwischen Gut und Böse zu unterscheiden wissen, die lösen und binden, Halt und Wegweisung geben.
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Dies Domini – 5. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B
„Meine Kinder,“ – so fordert uns die 2. Lesung des heutigen Sonntags aus dem 1. Johannesbrief auf, -„wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1 Joh 3,18)
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Menschen mit Handicap sind in der Öffentlichkeit meist nicht sichtbar. Das liegt daran, dass Menschen mit Handicap sich anders verhalten. Menschen mit Handicap fühlen sich deshalb in der Natur wohl, wenn sie Gras unter den Füßen haben und große Flächen voller Sand. Auch am Wasser bewegen sie sich gerne. Menschen mit Handicap spielen Golf. Damit es da fair zugeht, gibt es eben das Handicap – einen Faktor zur Nivellierung unterschiedlicher Leistungsstärken, damit auch zwischen Spitzensportlern und Anfängern ein sinnvoller Wettbewerb stattfinden kann. Kurz gesagt: Die Schwachen bekommen einen Vorsprung, eine Sonderbehandlung – ja: im Sport herrscht eine Segregation, bei der eben nicht alle gleichbehandelt werden. Das entspricht im Übrigen jenem grundständig christlichen Ideal, das Paulus im Römerbrief zur Sprache bringt: „Wir müssen als die Starken die Schwäche derer tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben. Jeder von uns soll dem Nächsten zu Gefallen leben, zum Guten und zur Auferbauung.“ (Römer 15,1f)
Das ist freilich etwas viel Enthusiasmus, wenn man auf das übereilt vorangetriebene Inklusionskonzept schaut, bei dem Menschen mit Behinderung wie Nichtbehinderte behandelt werde, man ihnen aber dadurch das Handicap abspricht. Wenn man so tut, als gebe es keine Unterschiede, sind eben nicht alle gleich. Eine solche Inklusion ist nicht nur eine Illusion, sie macht auch die letztlich zu chancenlosen Verlierern, die einer Sonderbehandlung bedürften, um gleichberechtigt am Leben teilhaben zu können. Wie im Sport gehört dazu allerdings auch, dass die Leistungsstarken sich überhaupt auf ein Spiel mit Handicap-Inhabern einlassen. Selten hat man bei olympischen Spielen gesehen, dass etwa ein Usain Bolt aus freien Stücken seinen Mitläufern einen Vorsprung gewährt hätte. Was glauben Sie denn?
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Dies Domini – 3. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B
Jeder Wunsch scheitert an der Wirklichkeit; jedes Märchen zerschellt an der Materie. Wenn das Gewünschte Wirklichkeit wird, hört es auf Wunsch zu sein. Das Märchen hingegen lebt vom Zauber des Unwirklichen, des Surrealen, dessen Wahrheit auf einer immateriellen Ebene zu finden ist. Das materielle Begreifen einer Wahrheit, der greifbare Beweis widerspricht dem Märchenhaften.
In den Zeiten als das Wünschen noch geholfen hatte, lebte in den Märchen noch ein Sinn für eine Wahrheit, die das bloß Sichtbare übersteigt. Märchen sind eine wichtige und notwendige Form der Kommunikation über das Erhoffte, Ersehnte, Archetypische und Existentielle des menschlichen Daseins, das sich eben nicht bloß im Materialistischen ergibt. Die todzerstörende Macht der Liebe kommt eben in einem Märchen wie Schneewittchen viel stärker zum Ausdruck als es naturwissenschaftliche Analysen über die Hormonausschüttung bei der olfaktorischen Wahrnehmung eines geruchskomplementären Gegenübers, dessen Pheromone einen den eigenen Genpool erweiternden Chromosomensatz anzeigen, vermögen. Ebenso wird in demselben Märchen die tiefenpsychologische Dimension der Loslösung der jungen Generation von den Altvorderen und das Entdecken des eigenen Lebens wie die Schwierigkeiten der Altvorderen der Jugend die Jugend zu gönnen viel unmittelbarer erfasst, als es noch so gelehrte psychologische Studien je könnten. Keine Frage: Die Märchen erzählen Wahrheit auf eine subtile und gerade deshalb unmittelbare Weise. Wird diese Wahrheit weniger wahr, wenn man die Märchen dekonstruiert und entdeckt, dass es gar keine Zwerge in den sieben Bergen gibt?
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Dies Domini – Hochfest der Auferstehung des Herrn (Ostersonntag)
Christus ist auferstanden – halleluja. Und was hat das mit mir zu tun?
Es gibt wohl kaum eine größere Spannung des Lebens, als sie uns während der Kar- und Ostertage geboten wird. Vom gemeinsamen Essen der Jünger mit Jesus am Paschaabend, über die dicht gedrängten Ereignisse der Nacht und des frühen Karfreitagmorgen, die ihren dunklen und erschütternden Höhepunkt am Kreuz nehmen, bis zur Grablegung und dann der Entdeckung der Auferstehung Jesu am frühen Ostermorgen. Von tiefster Trauer bis zu überraschter, aber tiefer Freude ist die ganze menschliche Gefühlspalette in diesen Tagen greifbar. Da stellt sich unweigerlich die Frage: wie war der Karfreitag für die Jünger eigentlich auszuhalten ohne die Hoffnung auf das Osterfest? Obwohl sicher auch für uns der Moment in der Passion, wenn es heißt: „und er gab den Geist auf“ immer wieder ein erdrückender Moment ist, so wissen wir doch: das ist nicht das Ende. Das konnten die Jünger am Karfreitag noch nicht wissen, auch wenn Jesus in einem der Kernsätze unserer frohen Botschaft, am Kreuz sterbend, dem neben ihm gekreuzigten Verbrecher – und damit letztlich auch allen anderen – zusagt:
Heute noch, wirst du mit mir im Paradies sein.
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Fahr zur Hölle, Jesus! Zwischen karfreitäglichen Totentanz, der für viele selbsternannte Gottlose ein Heidenspaß ist, und dem Osterlachen derer, die in der Osternacht die Auferstehung des Gekreuzigten feiern, liegt der Karsamstag. Die Ohnmacht des Karfreitags ist noch spürbar, als man, wahrscheinlich im Jahr 30 unserer Zeitrechnung, den galiläischen Rabbi Jesus von Nazareth durch die engen Gassen Jerusalems führte – er, bereits von den Folterungen gezeichnet den Querbalken des Kreuzes, das Patibulum, auf den Schultern tragend und angetrieben von Soldaten, während am Gassenrand hinter den Gaffern das lärmende Leben einfach weiterging mit Lachen, Weinen, Tanzen, Klagen – Alltag halt. Viel hat sich seitdem nicht geändert, wenn die, denen der Kreuzestod Jesu nichts bedeutet, auch heute lieber tanzen wollen – ein richtiger Heidenspaß halt: Zur Hölle mit diesem Jesus!
Dass Gott die Heiden je ernst nehmen könnte, damit haben die Frommen schon zur Zeit Jesu nicht gerechnet. Ein Heide ist von jeher ein Goj, ein Nichtjude. Die Heiden, von denen die Bibel spricht, sind die nichtjüdischen Völker. Gott hatte sich das eine Volk Israel erwählt, ihm seinen Namen offenbart und mit ihm den Bund geschlossen. Sicher gilt die Verheißung: Wenn der Messias, der Gesandte Gottes kommt, dann werden auch die Völker zum Zion kommen.
Die Jüngerinnen und Jünger, die mit Jesus durch Galiläa und später durch Judäa nach Jerusalem zogen, haben wohl große Hoffnungen in Jesus gesetzt. Oft genug berichten die Evangelien aber auch davon, dass sie ihn nicht verstanden, ihn und seine Botschaft vom Reich Gottes, das eben nicht von dieser Welt ist. In Jerusalem kommt es schließlich zur Katastrophe: Ihr Meister, ihr Rabbi stirbt am Kreuz einen Tod, den man damals als Tod der Gottverlassenen verstand. Wer am Kreuz starb, der fuhr zur Hölle, verlassen von Menschen und Gott.
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