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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 14. Sonntag im Jahrekreis, Lesejahr B

Wer auf den Mund gefallen ist, ist immer auch tief gebeugt. Man braucht sich bloß die damit verbundene Körperhaltung vorstellen, um zu erkennen, dass Aufrichtigkeit das Gegenteil einer solch scheinbar demütigen Duldsamkeit ist. Ist es ein Zufall, dass diejenigen, die den Glaubenden immer wieder das betende Knien anempfehlen auch jene sind, die bisweilen lautstark das Lob des Schweigens predigen? Eine hörende Kirche sei immer eine gehorsame Kirche heißt es dann, wobei sich nicht selten die Frage stellt, wem der so geforderte Gehorsam geschuldet wird. Gott selbst kann es offenkundig nicht sein – zumindest nicht, wenn man die Worte der ersten Lesung vom 14. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B ernst nimmt. Dort widerfährt dem Propheten Ezechiel eine Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn. Seine natürliche Reaktion ist die Niederwerfung.

So ist es immer, wenn in den Heiligen Schriften davon die Rede ist, dass die Herrlichkeit Gottes in die alltägliche Gewöhnlichkeit der Menschen hineinbricht. So mit dem Urgrund des Seins konfrontiert werden die Maßstäbe der Welt, ja wird der so herausgeforderte Mensch selbst verrückt. Das muss bereits Mose erkennen, der die Herrlichkeit des Herrn sehen möchte und Gott selbst ihm antwortet:

Ich will meine ganze Güte vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des HERRN vor dir ausrufen. Ich bin gnädig, wem ich gnädig bin, und ich bin barmherzig, wem ich barmherzig bin. Weiter sprach er: Du kannst mein Angesicht nicht schauen; denn kein Mensch kann mich schauen und am Leben bleiben. Dann sprach der HERR: Siehe, da ist ein Ort bei mir, stell dich da auf den Felsen! Wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht, stelle ich dich in den Felsspalt und halte meine Hand über dich, bis ich vorüber bin. Dann ziehe ich meine Hand zurück und du wirst meinen Rücken sehen. Mein Angesicht kann niemand schauen. (Exodus 33,19-23)

Diese Erfahrung zeigt, warum Gott in den Erzählungen der Heiligen Schrift den Menschen meist nur in vermittelter Weise begegnet. Er verbirgt sich dann hinter Engeln oder offenbart sich in Visionen. Selbst dann ist das Hereinbrechen des Ewigen in die raum-zeitlichen Wirklichkeit der Menschen offenkundig so groß, dass die, denen diese Begegnung zuteil wird, in Furch und Schrecken geraten und dermaßen außer sich sind, dass ein Großteil dieser Begegnung mit der Grußformel „Fürchte dich nicht!“ eröffnet wird. Es besteht kein Zweifel: Furcht und Schrecken sind der Lackmustest, ob eine Begegnung mit Gott echt oder doch nur die autosuggestive Halluzination einer ersehnten Außergewöhnlichkeit des eigenen Selbst ist.

Die Reaktion des Ezechiel in der ersten Lesung vom 14. Sonntag im Jahreskreis ist deshalb nur allzu verständlich. Er wirft sich nieder, fällt auf sein Gesicht und damit auf den Mund. Er schweigt erschrocken und hört, wie jemand redet (vgl. Ezechiel 1,28b).

Die Wende kommt überraschend. Gott kann mit dem so Niedergeworfenen nicht redet:

Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden. (Ezechiel 2,1)

Das ist bemerkenswert. Der Mensch soll sich nicht in proskynetischer Verehrung vor Gott niederwerfen, also in der Art eines Hundes. So hat Gott den Menschen nicht erschaffen. Zum Menschsein gehört der aufrechte Gang, die Freiheit der zum Handeln bereiten Hände, die Fähigkeit, den Herausforderungen des Lebens von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Dazu hat Gott dem Menschen ein Rückgrat gegeben, dass er aufrichtig aufrecht durch das Leben geht. Darin besteht die Gottebenbildlichkeit des Menschen, die der Schöpfer offenkundig so und nicht anders gewollt hat. So war es schon bei der Belebung des Menschen. Der noch bloß Lehm Seiende liegt. Der durch Gottes Atem Behauchte steht:

Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. (Genesis 2,7)

So ist es jetzt auch bei Ezechiel. Es ist Gottes Geist, der den Niedergeworfenen aufrichtet, nachdem er aufgefordert wurde, die Füße für das zu nutzen, für dass sie geschaffen wurden, und sich hinzustellen:

Als er das zu mir sagte, kam der Geist in mich und stellte mich auf die Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete. (Ezechiel 2,2)

Erst jetzt, als Ezechiel aufrecht vor der Herrlichkeit des Herrn steht, kann er den Auftrag empfangen, mit dem er zum Propheten des Herrn für das Volk Israel wird. Es ist kein leichter Auftrag, denn er wird zu den abtrünnigen Söhnen Israels gesandt, die sich gegen Gott aufgelehnt haben, Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen. Zu ihnen wird er gesandt, um ihnen zu sagten:

So spricht Gott, der Herr. (Ezechiel 2,4)

In der Lesung wird nicht näher ausgeführt, was der Herr spricht. Wenige Verse später, die nicht mehr Teil der ersten Lesung vom 14. Sonntag im Jahreskreis sind, wird Ezechiel eine Buchrolle schauen, die die von ihm zu verkündenden Botschaft enthält:

Und ich schaute und siehe: Eine Hand war ausgestreckt zu mir; und siehe, in ihr war eine Buchrolle. Er rollte sie vor mir auf. Sie war innen und außen beschrieben und auf ihr waren Klagen, Seufzer und Weherufe geschrieben. (Ezechiel 2,9f)

Es ist offenkundig keine bloß frohe Botschaft, nichts Beschwichtigendes oder Beschönigendes, was der Prophet zu verkünden hat. Es sind Klagen, Seufzer und Weherufe – nichts, was leise ist, nichts, was Schweigen duldet, nichts, wofür man auf den Mund gefallen liegen bleiben kann.

Wenn Gott ruft, dann richtet er den Menschen auf. Gott kann nur zu aufrichtig aufgerichteten Menschen reden. So wird es auch im Neuen Testament sein, wenn Jesus den aus der Gesellschaft Gefallenen begegnet. Ob es die Schwiegermutter des Petrus ist (vgl. Markus 1,29-31) oder die Heilung der beiden Blinden vor Jericho (vgl. Matthäus 20,29-34) – ein wesentlicher Bestandteil in der Begegnung mit Jesus ist die Aufrichtung. Jesus handelt nicht herablassend; er richtet die am Boden Liegenden auf, bringt sie dadurch auf Augenhöhe und kann erst so seinem heilenden Wort Wirksamkeit verleihen.

Die Schrift verspricht an keiner Stelle, dass das Schicksal der Glaubenden ein einfaches oder erfolgreiches sei. Im Gegenteil! Wer sich aufrichtig auf Gott einlässt und sein Wort in der Welt verkündet muss mit Widerspenstigkeit rechnen (vgl. Ezechiel 2,5) oder bisweilen sogar mit Nöten und Verfolgungen, von denen Paulus in der zweiten Lesung vom 14. Sonntag im Jahreskreis spricht (vgl. 2 Korinther 12,10). Eins aber ist klar: Wer auf den Mund gefallen ist, wird sich diesen Herausforderungen gar nicht erst stellen müssen, denn er schweigt ja. Was auch immer er hört – Gott wird, so erfährt es Ezechiel, erst dann mit ihm wirklich reden, wenn er aufrecht vor seinem Schöpfer steht. Gott will keine Knechte, er will Freunde, so, wie es Jesus selbst im Johannesevangelium sagt:

Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. (Johannes 15,15)

Der Knecht mag knien, Freundschaft aber braucht Aufrichtigkeit. Vor Gott zu knien mag ein erster verständlicher Reflex angesichts der Größe Gottes sein; vom ersten Schreck erholt wird es aber Zeit, aufrecht vor Gott zu stehen, um seine Botschaft zu hören und ihm zu dienen, indem man sein Wort in der Welt verkündet. Dazu sind die Knie ja eigentlich da – damit man geschmeidig und aufrecht in das Leben und die Welt gehen kann. Er aufrechte Gang ist das, was Gott dem Menschen gegeben hat. Um das den Widerspenstigen einer Gegenwart zu verkünden, in der es immer wieder den Aufstand der Aufrichtigen braucht, darf man wirklich nicht auf den Mund gefallen sein.

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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