Herzlich Willkommen bei kath 2:30, dem Blog der Katholischen Citykirche Wuppertal.
Hier geht es zum Videopodcast von kath 2:30.
Besuchen Sie auch die Mystagogische Kirchenführung.
Oder die Seite des Heiligen Laurentius, unter Stadtpatron Wuppertal.

kath 2:30 Dies DominiDie Welt ist krank. Die gewohnte Ordnung ist aus den Fugen geraten. Der russische Angriff auf die Ukraine und der nun schon dreieinhalb Jahre währende Krieg, der durch den genozidalen Angriff der Hamas auf Israel ausgelöste Krieg in Gaza, Luftraumverletzungen durch Russland, hybride Angriffe auf die zivile Infrastruktur oder die geballte Straßenmacht der Schreihälse, die manchen Politiker das Rückgrat erweichen … was gilt noch in Zeiten wie diesen, denen der Einzelne nur noch mit geballter Ohnmacht gegenüber steht? Die einen flüchten sich in utopische Appelle, andere sehnen sich nach großen Führern, die einen von der Eigenverantwortung entlasten, wieder andere ballen die ohnmächtigen Fäuste zum Gebet. Ja wenn das Beten sich lohnen würde … warum tut der angerufene Gott denn nichts? Was glauben Sie denn?

Ich bitte Sie als Leserinnen und Leser um Verständnis, wenn ich meine theologische Expertise auf das Gebet richte. Manch einer behauptet ja, das Gebet sei für Glaubende notwendig wie das Atmen. Aber was ist Beten überhaupt? Paulus scheint diese Auffassung zu bestätigen, wenn er die Thessalonicher auffordert:

„Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17)

Meint er das ernst? Soll man sein Leben kniend mit gefalteten Händen verbringen?

Für Jesus von Nazareth ist die Sache klar. Für ihn ist Beten keine Sache vieler Worte. Man soll nicht plappern,

„denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet“ (Mt 6,8).

Direkt im Anschluss an diese Worte lehrt er seine Jünger das Vater unser. Das enthält die merkwürdige Bitte:

„Unser tägliches Brot gib uns heute!“

Ich weiß nicht, wie es anderen christlich Betenden geht, aber es lag noch nie Brot vor der Tür – und das, obwohl dieses Gebet täglich aus zahllosen Seelen und Millionen Kehlen zu Gott gesprochen und gesungen wird. Das ist wohl die große Versuchung, die im Beten liegt: Dass man erwartet, Gott agiere wie ein Kellner, bei dem man dieses oder jenes bestellt. Und wenn nicht geliefert wird, dann wird eben das Trinkgeld gestrichen!

In der römisch-katholischen Liturgie wird am Beginn des eucharistischen Teiles der Messe ein auf die jüdische Brot-Beracha basierender Brotsegen gesprochen (meist leider vom Priester bloß gemurmelt):

„Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde.“

Dieser Brotsegen gibt einen wichtigen Hinweis auf das, was Beten aus römisch-katholischer Sicht ist: Danksagung für die göttliche Gabe und Erinnerung des Menschen an seine Verantwortung und Mitwirkungspflicht. Brot gibt es eben erst, wenn die göttliche Gabe (das Getreide) durch menschliche Arbeit (säen, ernten, mahlen, backen) verarbeitet wird. Beides muss zusammen kommen.

Das ist Beten aus katholischer Sicht: Hören auf den Anruf Gottes, Nachdenken und erst dann folgt die Antwort. Die kann Lob, Klage, Dank oder auch Bitte sein. In jedem Fall aber ist Beten nie eine Entlastungsdelegation an Gott. Im Gegenteil: Beten ist aus katholischer Sicht eine Selbstreflexion in der Gegenwart Gottes, die die Betenden selbst zum Handeln auffordert. Schließlich hat Gott den Menschen als sein Ebenbild erschaffen, damit er als Stellvertreter Gottes agiert. Das Beten mag aus der Ohnmacht erwachsen; wenn es kein reines Plappern sein soll, werden die Betenden durch das Gebet ermächtigt, das tun, was sie selbst tun können … und vielleicht noch etwas mehr. Gott gibt also nicht unbedingt das Erbetene, wohl aber die Mittel und Möglichkeiten, das Erbetene selbst zu vollbringen.

Ob man nun glaubt, das Unterbewusste würde Erkenntnis schaffen, das eigene Nachdenken oder die Selbstreflexion im Angesicht Gottes … alle Erkenntnis bleibt nutzlos, wenn sie nicht zum Tun führt. Beten ist eine tatkräftige Lebenshaltung.

Und Gott? Der handelt sicher längst auf seine Weise. Vielleicht hat er längst auf seine Weise zu den Mächtigen der Welt gesprochen, sie aber wollen ihn nicht hören. Wer weiß das schon … Es ist halt wie mit dem Beten: Vor dem Reden kommt das Hören. Sonst bleibt alles nur Plapperei.

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht  in der Westdeutschen Zeitung vom 26. September 2025.

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

Du kannst einen Kommentar schreiben.

Hinterlasse einen Kommentar