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Der Papst schreibt in seiner Enzyklika zur Wirtschafts- und Sozialethik an „…alle Menschen guten Willens“. Was bedeutet dies für den „Normalbürger“ ohne Regierungsauftrag oder Führungsverantwortung?

Der Papst appelliert an jeden Einzelnen von uns; er fordert uns auf, nicht auf Utopia zu warten, sondern:

– In allem was wir tun, muss die Liebe im Mittelpunkt stehen. Diejenige Liebe, die Gott uns geschenkt hat, indem er uns zuerst geliebt hat. Durch Vernunft ist es vielleicht möglich, Gemeinschaft und bürgerliches Zusammenleben herzustellen, aber Geschwisterlichkeit kann nur durch Gottes Vaterliebe ermöglicht werden. Darum muss die Liebe immer über allem Handeln stehen. Doch auch die Liebe gleitet ohne Wahrheit in die Schnulze ab, weshalb die Wahrheit ebenfalls angestrebt werden muss, „denn die Wahrheit ist „logos“ der „dia-logos“ schafft und damit Gemeinschaft bewirkt“ (Nr. 4).

– Was bedeutet dies nun konkret?

  • Technik/ Forschung: Der technische Fortschritt leistet einen großen Dienst. Daher ist es für alle Teilbereiche des Fortschritts wichtig, ihn nicht „ideologisch zu verabsolutieren oder die Utopie einer zum Naturzustand zurückgekehrten Menschheit zu erträumen“ (Nr. 14) – will heißen: weder soll der Technik alles in die Hand gegeben werden, sodass die Vernunft und das menschliche Gewissen ausgeschaltet werden, noch darf die Technik verteufelt werden, da sie wie vieles andere auch, Produkt menschlicher Arbeit ist und oftmals wirkliche Entwicklung erst ermöglicht. Die Vorstellung von einer Welt ohne Entwicklung drücke -so der Papst- sogar Misstrauen gegenüber dem Menschen und gegenüber Gott aus.
  • Entwicklung: Der Papst sieht die Verpflichtung jedes Einzelnen, zur Entwicklung der Welt beizutragen. Entwicklung meint „den Völkern vor allem zu einer Überwindung von Hunger, Elend, endemischen Krankheiten [wie zum Beispiel Malaria oder Tuberkulose] und Analphabetismus zu verhelfen“ (Nr. 21).
  • Hunger in der Welt: Hunger hängt nach Benedikt XVI. weniger von einem materiellen Mangel ab, als vielmehr von einem Mangel an gesellschaftlichen Ressourcen. „Es ist notwendig, daß ein solidarisches Bewusstsein reift, welches die Ernährung und den Zugang zum Wasser als allgemeine Rechte aller Menschen betrachtet, ohne Unterscheidung und Diskriminierungen“ (Nr. 27).
  • Verhinderung bzw. Ausbremsung der Entwicklung aller: Der Papst prangert an, dass in vielen Gebieten der Erde die Menschenrechte nicht respektiert werden, dass internationale Hilfen oft durch Verantwortungslosigkeit zweckentfremdet werden, dass es übertriebene Formen des Wissensschutzes gibt und dass kulturelle Leitbilder und gesellschaftliche Verhaltensnormen einiger Gebiete den Entwicklungsprozess bremsen. Außerdem werden durch Produktion zu Niedrigstpreisen die Netze der sozialen Sicherheit erheblich reduziert, „was die Rechte der Arbeiter, die fundamentalen Menschenrecht und die in den traditionellen Formen des Sozialstaates verwirklichte Solidarität in ernste Gefahr bringt“ (Nr. 25). Darum ist es notwendiger denn je, durch die Gründung von Arbeitnehmervereinigungen die eigenen Rechte zu verteidigen. Der Papst stellt sich damit auf die Seite der Gewerkschaften.
  • Der Papst fordert auch in diesem Schreiben eine grundsätzliche Offenheit für das Leben. Dem stehen lebensfeindliche Gesetzgebungen, die beispielsweise die Kinderzahl beschränken o.ä., die straffreie Praxis der Abtreibung, Euthanasiebestrebungen sowie die Praxis der Sterilisierung in einigen Ländern, deren Folgen den betroffenen Frauen oftmals gar nicht bewusst sind, entgegen. Dem steht aber auch entgegen, dass die hohe Kindersterblichkeit in einigen Entwicklungsländern, ausgelöst durch Nahrungsmittelmangel oder hygienische Probleme nicht hinreichend bekämpft werden. „Die Annahme des Lebens stärkt die moralischen Kräfte und befähigt zu gegenseitiger Hilfe“ (Nr. 28).
  • Eine Form der Armut: Als eine der schlimmsten Formen von Armut benennt der Papst die Einsamkeit. Diese entsteht durch immer größer werdende Entfremdung, die durch verschiedene Faktoren wie Arbeitslosigkeit, geforderte Mobilität, welche oftmals ein „normales“ Familien- und Freizeitleben ausschließt, u.ä. befördert bzw. ausgelöst wird. „Der Mensch als Geschöpf von geistiger Natur verwirklicht sich in den zwischenmenschlichen Beziehungen“ (Nr. 53).
  • Globalisierung: Ein neues „Phänomen“, dem die heutige Welt begegnet ist die Globalisierung, welche der Papst als Explosion der weltweiten wechselseitigen Abhängigkeit beschreibt. Hier geht es darum „diese Dynamiken zu erkennen und auszurichten, indem man sie im Sinn jener Kultur der Liebe beseelt, deren Samen Gott in jedes Volk und in jede Kultur gelegt hat“ (Nr. 33). Zwar stellt die Globalisierung sicherlich einen sozioökonomischen Prozess dar, aber hinter diesem deutlich sichtbaren Prozess steht eine verflochtene Menschheit, die sich aus Personen und Völkern zusammensetzt, denen dieser zum Nutzen und zur Entwicklung gereichen soll. Die Globalisierung ist eine menschliche Realität, weshalb ihr gegenüber fatalistische Einstellungen zu entwickeln, sicher der falsche Weg ist.
  • Markt: Zur Bedeutung des Marktes führt Benedikt XVI. an, dass es nicht möglich sei, dass der Markt – der nie in Reinform existiert – die ihm eigene wirtschaftliche Funktion erfülle, wenn die Handlungsweisen in seinem Inneren nicht solidarisch und von gegenseitigem Vertrauen geprägt seien. Genau dieses Vertrauen sei jedoch verloren gegangen. Für wichtig hält er, dass wir in „unserem Denken und Handeln nicht nur zeigen, daß die traditionellen sozialethischen Prinzipien wie die Transparenz, die Ehrlichkeit und die Verantwortung nicht vernachlässigt und nicht geschwächt werden dürfen, sondern auch, daß in den geschäftlichen Beziehungen das Prinzip der Unentgeltlichkeit und die Logik des Geschenk als Ausdruck der Brüderlichkeit im normalen wirtschaftlichen Leben Platz haben können und müssen“ (Nr. 36). Als eine der größten Gefahren betrachtet Benedikt XVI., „daß das Unternehmen fast ausschließlich gegenüber den Investoren verantwortlich ist und so letztendlich an Bedeutung für die Gesellschaft einbüßt“ (Nr. 40). Die Führung eines Unternehmens darf nie allein die Interessen der Eigentümer achten, sondern immer auch jene der Arbeitnehmer, der Kunden, der Zulieferer etc.
  • Tourismus: Ein gerade für diese Ferienzeit spannendes Thema ist jenes, dass sich mit dem Tourismus befasst. Hier werden wir aufgefordert, uns auf Urlaubsreisen vor allem ins Ausland wirklich mit der fremden Kultur zu befassen. So erscheint es wenig sinnvoll, seine Reise so zu planen, dass Kontakt mit den Landsleuten, den regionalen Speisen und Getränken, sowie der jeweiligen Kultur ausbleibt und lediglich die gleichen Lebensbedingungen wie zuhause an einen andern Ort transferiert werden, wie es beispielsweise in vielen in sich abgeschlossenen all-inclusive-Hotelanlagen mit internationalen Speisen, aber in der Regel eben keinen regionalen, geschieht.
  • In der Enzyklika werden darüber hinaus (Problem-) Felder wie Migration (Nr. 62), der Umgang mit Produkten aus und Produktion in „Niedriglohnländern“ (Nr. 66), Arbeitsmobilität, sowie Arbeitslosigkeit (Nr. 25), Verweigerung des Rechts auf Religionsfreiheit (Nr. 29), Energieproblematik (Nr. 49-52) und verschiedenes mehr angesprochen.
  • Bioethik: Ein letzter Punkt aus der Enzyklika, der hier Erwähnung finden soll, ist die Bioethik. Die alles entscheidende Frage in diesem Bereich lautet: Hat der Mensch sich selbst hervorgebracht oder hängt er von Gott ab? Erst wenn diese Frage beantwortet ist, kann eine sinnvolle Auseinandersetzung über den großen Bereich bioethischer Fragen beginnen. Wenn die jeweiligen Diskussionspartner, beispielsweise bei der Frage der Stammzellforschung im Deutschen Bundestag, von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen, wird auf unterschiedlichen Ebenen argumentiert. Selbstverständlich ist die Position der Kirche jene, die von einer Abhängigkeit allen Lebens von Gott ausgeht, weshalb jedes einzelne Leben als von Gott geschenkt und somit zu schützen angesehen wird. Aber wie führt man die Diskussion, wenn der andere die von mir als zwingend angesehene Voraussetzung garnicht teilen will?

Und wie führen wir die Debatte gar im Weltmaßstab? Gerade hat Prof. Ockenfels (FAZ vom 20.07.2009) darauf hingewiesen, dass auch eine politische Weltautorität, die eben Auswüchsen der Globalisierung Einhalt gebieten sollte doch eine Einrichtung sein könnte, die „auch dem Vatikan das Fürchten lehren könnte“.

Im Hinblick auf die sozialen Kommunikationsmittel, wie beispielsweise das Internet, heißt es in der Enzyklika: „die Medien können eine wertvolle Hilfe darstellen, um die Gemeinschaft der menschlichen Familie und das Ethos der Gesellschaften wachsen zu lassen, wenn sie Werkzeuge zur Förderung der allgemeinen Teilnahme an der Suche nach dem, was gerecht ist, werden“ (Nr. 73).

Darum ist es wichtig, auch hier ins Gespräch zu kommen über die – in aller Kürze – umrissenen Forderungen, die der Papst in diesem Schreiben an uns richtet. Entsprechen die Forderungen der Realität, ist es leistbar, was hier verlangt wird und wollen wir es überhaupt leisten? Ich freue mich auf viele Meinungen.

Ihre Katharina Schwenzer (Diplom-Theologin)

Author: Redaktion

4 Kommentare

  1. Dr. Werner Kleine schrieb am 21. Juli 2009 um 16:05 :

    Eine sehr schöne Zusammenfassung. Ich freue mich schon auf die „Glaubensinformation spezial“ am 18.8.2009 mit der Vorstellung der Sozialenzyklika.

  2. David Nowak schrieb am 22. Juli 2009 um 13:21 :

    Da das päpstliche Lehrschreiben ziemlich lang ist, finde ich eine Zusammenfassung der Kernaussagen, wie sie hier getroffen worden sind, als sehr hifreich. Ihr Zusammenfassung stellt die Kernaussagen sehr klar und deutlich (auch für jeden Nicht-Theologen) dar. Vielen Dank.

  3. kath 2:30 schrieb am 21. August 2009 um 22:15 :

    Der politische Einfluss der Kirche schwindet!…

    Schon vor gut zwanzig Jahren mahnte der österreichische Theologe Paul Zulehner, die Kirchen müssten mystisch und prophetisch, gerade deshalb aber auch politisch sein. Erst in dieser dreifachen Dimension erfüllte die Kirche ihren Auftrag. Und tatsä…

  4. Daniel Offermann schrieb am 24. August 2009 um 22:01 :

    Der politische Einfluß der Kirche schwindet … und meine Meinung nach wird er weiter schwinden, wenn sich die Kirche bzw. der Papst in gutmenschelnden Allerweltsweisheiten ergeht, wie z.B. dem Ruf nach einer „politischen Weltautorität“ (67. Abschnitt), noch mehr Umverteilung (32.), noch mehr Entwicklungshilfe mit entsprechend höheren Sätze des Bruttoinlandproduktes der Geberländer (60.) usw. – dann erreicht auch unsere katholische Kirche die Ebene der Marginalisierung bezüglich der politischen Wahrnehmung wie unsere evangelischen Glaubensbrüder. Doch halt, da gibt es Sätze, die aufhorchen lassen: „… die längere Abhängigkeit von öffentlicher oder privater Hilfe untergraben die Freiheit und die Kreativität der Person…“ (27.), „… Spirale von Ansprüchen…“ (43.), Entwicklungszusammenarbeit: „Es kommt mitunter vor, dass der Hilfeempfänger zu einem Mittel für den Helfer wird und die Armen dazu dienen, aufwendige bürokratische Organisationen aufrecht zu erhalten“ (47.), „Ferner soll das Wort „ethisch“ nicht in ideologisch diskriminierender Weise angewandt werden“ ( in bezug auf Wirtschafts-Ethik, 45.). Für solche und viele andere Feststellungen (Globalisierung ist Chance, die Kirche hat keine technischen Lösungen anzubieten/es gibt keine universal gültigen Rezepte, Wissen ist steril ohne Liebe und niemals allein das Werk der Intelligenz, es gibt eine Verpflichtung zur Entwicklung statt zum Stillstand…) lohnt sich wirklich die gesamte Lektüre der Enzyklika, und natürlich für Papst-typische Sätze, die immer wieder das Wesentliche hervorbringen („Ökonomie der Liebe“, 2.).

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