Dies domini – Sechster Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C/b>
Politik ist die Umsetzung einer Idee in die Tat. Damit das gelingt, braucht es überhaupt erst einmal eine Idee – und danach einen Plan, ein Konzept, das Ressourcen analysiert, Wege und Methoden erörtert und einen Plan entwickelt, der aus der ideellen Theorie in eine ebenso gelebte wie lebbare Praxis führt. Meist wird die reine Idee pragmatisch geläutert. Ohne die reine Idee aber gäbe es wahrscheinlich weder Motivation noch Orientierung, die einem Plan Gestalt geben könnten. Wer auf die Gegenwart von Politik, Gesellschaft, aber auch der Kirche in Deutschlang schaut, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es überhaupt noch eine Idee gibt, wohin man will. Es werden zwar hier wie dort viele Worte gemacht; gleichwohl erscheint die Tatkraft, den Worten auch Wirklichkeit zu verleihen, umgekehrt proportional zum Quantität der Worte. Neben dem Fehlen einer klaren Idee trägt dazu aber auch bei, dass die verfügbaren Ressourcen, seien sie personeller, finanzieller oder materialer Art, weder analysiert, noch berücksichtigt werden. So wird zwar allenthalben nach mehr Personal gerufen – in der Pflege, in den Schulen, für die öffentliche Sicherheit; allein die Frage bleibt unbeantwortet, woher denn die Menschen kommen sollen, die die zweifelsohne vorhandenen personellen Lücken füllen sollen. Selbst wenn es sie der Zahl nach gäbe, stünde die Frage nach der Qualifikation, die an sich ja Zeit und entsprechende Ausbildungsressourcen erfordert, vor einer offenen Antwort. Da kann man zwar träumen und Luftschlösser bauen, nur in der relevanten Wirklichkeit ändert sich nichts – schon gar nicht zum Besten.
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Es war schon leichter, katholisch zu sein. Nicht erst seit der Veröffentlichung des Gutachtens zu sexuellem Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising ist der Rechtfertigungsdruck groß. Bereits die sogenannte MHG-Studie im Jahr 2018 hatte den Missbrauch von mindestens 3677 Kindern und Jugendlichen durch 1670 Kleriker zutage gefördert. Sie war der Anlass für weitere Untersuchungen auf der Ebene der (Erz-)Bistümer. In Aachen, Köln, Berlin und nun in München wurden erste Studien veröffentlicht. Das Ausmaß an Leiden, das Betroffenen zugefügt wurde und das offenbar wird, ist erschreckend. Erschreckend ist vor allem aber auch, wie klerikale Täter von klerikalen Vorgesetzten – Bischöfen, Generalvikaren, Personalchefs und Offizialen (so die Bezeichnung für die obersten Kirchenrichter in einem Bistum) – geschützt wurden, während die von Missbrauch Betroffenen oft bis heute darum kämpfen müssen, überhaupt Gehör zu finden. Die römisch-katholische Auffassung, dass Männer durch die Weihe eine „seinsmäßige Erhöhung“ (die sogenannte ontologische Superiorität) empfangen, erweist sich in dieser Krise als fatal. Führt ein solches Übermaß an Heiligkeit nicht zu jener sakralen Sepsis, die ein Eingeständnis des eigenen Versagens, der eigenen Verantwortung und der möglichen eigenen Schuld so schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht? Was glauben Sie denn?
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Dies domini – 4. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Dieser Tage gerät manches arg aneinander: die Münchner Missbrauchsstudie, Benedikt/Gänsweins-Einwendungen, Stellungnahmen verschiedener Kreise oder Tische, Journalisten, Politiker und Kirchenführer, alles liegt in Unstand. Wie verhält es sich mit dem Krieg in Europa – Ukraine, Putin, Schröder, Gazprom? Oder wie wäre es mit „Anfänge“ von David Graeber und David Wengrow: eine neue Geschichte der Menschheit oder Unfug? Wie empfinden Sie die Auseinandersetzung zwischen reellen und realen Zahlen? Ist unsere Welt kompliziert oder komplex?
Eigentlich können Sie machen, was Sie wollen, welche Tür Sie auch nur ein Stückchen öffnen, es bricht das Chaos hervor. Allerdings: lesen Sie nicht das Sonntagsevangelium. Das haut Sie um, wenn Sie es genau lesen:
„Alle stimmten ihm zu; sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen.“ (Lk 4,22)
Jesus erläutert, was er meint und dann:
„Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut.“ (Lk 4,28)
Da sind vier Verse dazwischen und die Leute, die eben noch über die Gnadenworte staunen, geraten in Wut und wollen ihn vom Abhang hinabstürzen.
Und was tut der Herr?
„Er aber schritt mitten durch sie hindurch und ging weg.“ (Lk 4,30)
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Am Sonntag war es wieder so weit: Im Stadion an der Hafenstraße wurde wieder ein Hochfest des Fußballs zelebriert. Derby, Topspiel, Traditionsduell: Der Wuppertaler SV traf auf Rot-Weiss Essen. Ich muss gestehen, dass auch mich dieses Spiel nicht kalt lässt, schlagen doch zwei Herzen in meiner Brust: Als gebürtiger Essener habe ich die Hafenstraße schon in Kindertagen kennengelernt und als jemand, der aus Überzeugung in Wuppertal seine Wahlheimat gefunden hat, lässt mich auch der WSV nicht kalt. Zwei Vereine, die sich nichts schenken; Spiele, in denen jedes Tor umkämpft und bejubelt wird; Fans, die an der Grenze zur Totalidentifikation mit dem eigenen Verein manchmal vergessen, dass alles eigentlich nur ein Spiel ist – im besten Fall voller Spannung und Leidenschaft. Ohne sie verkommt das Spiel zum müden und langweiligen Gekicke, ohne Fairness und Respekt vor dem Gegner aber wird es einfach nur schäbig, unsportlich und unansehnlich. Als Fans genießen wir doch die sportlichen Siege, in denen die Gegner an die Wand gespielt und nicht umgeholzt wurden. Die andere Mannschaft ist kein Feind, sondern ein Gegner. Was glauben Sie denn?
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Dies domini – Zweiter Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Es sind verwirrte Zeiten, in denen wir leben. Die Gesellschaft irrt sich durch die Corona-Pandemie voran, während einige Schreihälse meinen, die Weisheit spazierengehend gepachtet zu haben. Das pandemische Schlamassel wird man so sicher nicht ordnen können. Das schein den verirrten Flaneuren aber herzlich egal zu sein. Sie wollen einfach Recht haben. Weil Argumente diese Selbstillusion zu stören im Stande sind, muss man halt lautstark rufen, Kindern gleich, die im dunklen Wald das Raunen des Unterholzes und die mit ihm aufkommenden Angst mit albernem Gekicher und Gebrüll übertönen müssen. Wer sich auf diese Weise selbst zum Maßstab des Rechtes hat, weiß nicht natürlich befugt, alle anderen, die nicht seinem Weg folgen, des Unrechtes zu zeihen. So sich selbst zum Richter erhebend lässt es sich fein urteilen gemäß dem Grundgesetz der Ignoranten, das aus exakt zwei Paragraphen besteht:
§1 Ich habe immer Recht.
§2 Sollte das einmal erwiesenermaßen nicht der Fall sein, tritt automatisch § 1 in Kraft.
Die Infallibilität ist bequem und macht unangreifbar. Sie immunisiert gegen jede Kritik. Wo aber Kritik gemieden wird, fehlt jener Diskurs, der ein Fortschreiten – und sei es ein Voranirren – zur und in der Wahrheit unmöglich macht. Unfehlbarkeit ist und bleibt eine gefährliche Eigenschaft, der man sich nur mit höchstem Bedacht bedienen sollte. Was, wenn man auch im Irrtum unfehlbar ist?
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Dies domini – 2. Sonntag nach Weihnachten, Lesejahr C
„Im Anfang war das Wort
Und das Wort war bei Gott
und das Wort war Gott.
Dieses war im Anfang bei Gott.“ (Joh 1,1f.)
Damit beginnt das Johannes-Evangelium und der zentrale Text unseres Sonntags. Worte, die wir schon oft gehört haben, die wir als dicht, markant und bedeutungsschwer, aber vielleicht doch auch als weit entfernt von unserer Lebenswirklichkeit empfunden haben. Hohe Literatur und hohe Theologie.
„Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Joh 1,3ff.)
So setzt der Evangelist fort und wenn wir uns einmal der Möglichkeit aussetzen, dass wir nicht alles im Licht der vernünftigen Aufklärung verstehen müssen, weil wir es dazu nicht stets auf den rechten Begriff zu bringen vermögen, dann könnte man doch annehmen, dass hier eine Wirklichkeit ausgedrückt werden soll, die uns zwar übersteigt, aber auch voraus liegt. Alles was geworden ist, also doch auch wir als geschaffene Wesen, wurden auch durch das Wort. Also wird man ohne Vereinnahmung der Absichten des Evangelisten doch sagen dürfen, wir selbst seien dieses Wort, das Gott an uns richtet. Wir sind die Flaschenpost, wie es P. Salmann einmal in einem wunderlichen, aber auch wunderbaren Bild beschrieben hat, die an unseren Strand gespült wurde und jetzt sitzen wir da und entkorken und entziffern sie. Was mag mit uns gemeint sein?
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Wie ein Windhauch ist auch dieses Jahr vergangen. Höhen und Tiefen, Siege und Niederlagen – alles ist nur noch Erinnerung. Das Jahr hat seine Zeit gehabt und in diesem Jahr haben viele, allzu viele ihre Zeit verloren. Zwar ist die Festlegung eines Jahreswechsels eine einigermaßen willkürliche Angelegenheit. Die ganz alten Römer begingen ihn am 1. März im Frühjahr, orthodoxe Christen feiern Neujahr am 1. September, dem Tag der Schöpfung der Welt. Christen der lateinischen Tradition feierten Neujahr im Lauf der Geschichte wahlweise am 25.12., dem Weihnachtsfest, dem 25.3., dem Hochfest Verkündigung des Herrn oder auch am 1. Advent, mit dem heute noch das Kirchenjahr beginnt. Dass man Neujahr am 1. Januar begeht, geht wieder auf die Römer zurück. Das Datum war der traditionelle Amtsantritt der römischen Konsuln und wurde von Julius Cäsar mit der Einführung des julianischen Kalenders im Jahr 45 v.d.Z. zum Datum des Jahresanfangs proklamiert. Nun feiern wir also als am 31.12. Silvester und am 1. Januar Neujahr. Wechselzeiten sind Bilanzzeiten. Es wird Inventur gemacht, die Bestände werden prüft, Gewinne und Verluste dokumentiert – das gilt wohl im geschäftlichen wie im privaten Leben. Vor allem aber gilt es eben im Leben, denn nur Lebende haben Zeit. Tote haben keine Zeit mehr. Was glauben Sie denn?
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Dies domini – Vierter Adventssonntag, Lesejahr C
Stille ist die Sache des göttlichen Geistes nicht – wenigstens nicht, wenn man seinem Wehen in den Worten der Heiligen Schrift folgt. Wenn Gott spricht, sich mitteilt, im Flügelschlagen der Engel oder im Wehen seines Geistes dann wird es laut. Wie Donnerhall ist seine Stimme, wie das Rauschen mächtiger Wassermaßen, wie Sturm und Feuerzungen. Gut – wenigstens der Prophet Elija macht die Erfahrung, dass Gott auch im leisen Säuseln ist (vgl. 1 Könige 19,13). Warum sollte Gott auch nicht in darin sein? Er ist doch in allem, was atmet, in allem, was ist gegenwärtig, verdankt sich doch alles Sein seinem schöpferischen Wort. Aber selbst in der Erzählung vom Propheten Elija fällt auf, dass es nicht heißt, Gott sei im Säuseln. Vielmehr muss der Prophet, der gegenüber den Baalspriestern mächtige Zeichen im Auftrag des Höchsten sprechen ließ (vgl. 1 Könige 18), dass das alleine eben nicht reicht. Gott ist mehr als Naturgewalt. Er ist mehr als Donnerhall, Wasserrauschen und Feuersgluten. Er ist nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen. Wer hier das eine gegen das andere ausspielt – und war egal von welcher Richtung – der versucht sich an einer Zähmung des Höchsten. Und so spricht Gott in der Elijah-Erzählung erst, als das Säuseln verklungen ist und Elijah seine Lektion gelernt hat:
Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle. Da vernahm er eine Stimme, die ihm zurief: Was willst du hier, Elija? 1 Könige 19,12-14
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Gaudete! – so nennt die Tradition der Kirche den dritten Adventssonntag.
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4)
– so lautet der namensgebende Eröffnungsvers der römisch-katholischen Liturgie. In der Tat dürfte bei vielen selbst in diesen pandemischen Zeiten die Vorfreude auf das Weihnachtsfest steigen. Weihnachten ist ein eigentümliches, heimeliges Fest, dem sich niemand so ganz entziehen kann. Oder hat man je gehört, dass handfeste Nichtglaubende an Weihnachten nichts schenken würden? Was glauben Sie denn?
Wie auch immer man zum Glauben an die Menschwerdung Gottes stehen mag, die in zwei Wochen gefeiert wird, – so richtig kalt lässt sie niemanden. Dabei haben die historischen Umstände damals wohl wenig mit den romantischen Bildern gemein, die heute das Fest der Heiligen Nacht prägen. Nach dem Lukasevangelium soll ein kaiserlicher Erlass die Ursache dafür gewesen sein, dass sich der Handwerker Josef mit seiner schwangeren Frau Mirjam von Nazareth auf den Weg nach Bethelehm machen muss. Der Eintrag in Steuerlisten steht an. Dass es solche Zählungen tatsächlich gegeben hat, ist mittlerweile durch einen Papyrus aus dem Archiv der Jüdin Babatha archäologisch belegt. Auch sie muss sich römischen Steuerschätzung beteiligen, für die sie im Jahr 127 n.d.Z. mit ihrem Mann Judanes von Maoza in der Provinz Arabia nach Rabbath reist. Aus gleichem Grund haben sich auch Josef und Maria auf den Weg nach Bethlehem gemacht. Fünf bis sechs Tagesmärsche brauchte man wohl für die etwa 150 Kilometer lange Strecke von Nazareth nach Bethlehem. Dort war dann kein Platz in der Herberge. Dort kam das Paar unter – der Rest ist Geschichte.
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Dies domini – Zweiter Adventssonntag, Lesejahr C
Lässt man die Lesungen des heutigen zweiten Adventssonntages unvoreingenommen auf sich wirken, so scheinen sie dem komfortablen Straßenbau verpflichtet:
„Denn Gott hat befohlen: Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel und heben sollen sich die Täler zu ebenem Land, sodass Israel unter der Herrlichkeit Gottes sicher dahinziehen kann.“ (Bar 5,7f.)
So heißt es bei Baruch und das Evangelium setzt gleich noch einen drauf:
„Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden. Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.“ (Lk 3,4f.)
Man bräuchte schon Garten- und Landschaftsbauer vom Format eines Capability Brown, um diese Aufforderungen erfüllen zu können. Allerdings wäre das Ergebnis womöglich ebenso bewunderungswürdig, die Parks von Blenheim Palace und dem Landsitz der Familie Crawley, Highclere Castle alias Downton Abbey sprechen beispielhaft für sich.
Allerdings geht es in den Lesungen ja nicht um eine Augenweide für wohlhabende, englische Aristokraten, sondern um die Wegbereitung für Israel und den Herrn selbst, für den sich der Rufer in der Wüste, Johannes, so wortmächtig einsetzt. Trotzdem kann vielleicht dieser Blick auf die natürliche Umwelt, unsere Städte, Parks und Landschaften uns dabei helfen, den Sinn der Adventszeit für uns umzusetzen: Diese vielfältigen Bezüge wahrzunehmen zwischen den Bewohnern und ihrer Art und Weise, sich ihre Umwelt selbst zu gestalten und uns in demselben Bereich, unsere Mitmenschen, Nachbarn, anderen Verkehrsteilnehmer, aber auch die Natur, die Häuser, die Straßen, die unglaubliche Infrastruktur, die für unsere Lebensweise erforderlich ist, wie ein riesiger Ameisenhaufen. Myriaden von Notwendigkeiten wie in unserem Alltag. Die täglichen Verrichtungen im Haushalt, die Sorge für die Kinder, die Arbeit, die Begegnungen mit Freunden, Sport, Konsum, Fernsehen und andere Medien: überall von morgens früh bis abends spät Anforderungen, Notwendigkeiten, Aufgaben. Wir mittendrin als Erfüllungsgehilfen unserer to-do-Listen.
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