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kath 2:30 Dies DominiWas waren das für Zeiten, in denen man die Ferien ersehnt und sich auf den verdienten Urlaub vorbereitete. Die Fahrt zu Flughafen, Einchecken und beim Abheben schon die Seele baumeln lassen. Und jetzt das: Chaos an den Flughäfen, gecancelte Flüge, Stress am Check-in. Wer vom Strand in Dubai träumte, findet sich gestrandet in Düsseldorf wieder. Natürlich zeigen sich viele überrascht, wie das passieren konnte: Die Ferien kamen wieder einmal völlig unerwartet. Was glauben Sie denn?

Der Weg ist eben nicht das Ziel. Im Gegenteil: Mancher Weg entpuppt sich als Sackgasse oder als Kreisverkehr, der an gar kein Ziel führt. Tatsächlich hätte man vorausschauend planen und entsprechende Ressourcen bereitstellen müssen. Wenn die denn da wären. Jetzt erlebt die Gesellschaft unter anderem die realen Folgen der Corona-Pandemie: Die Lockdowns der Vergangenheit haben dazu geführt, dass sich viele beruflich umorientiert haben. Außerdem deuten die bleibend hohen Inzidenzwerte auf einen wahrscheinlich hohen Krankenstand hin. So muss die Wuppertaler Stadtsparkasse in diesen Tagen wegen des hohen Krankenstandes mehr als die Hälfte ihrer Filialen schließen. Der Lockdown ist Geschichte, also muss geschlossen werden! Der Höhenflug der vermeintlich wiedererlangten Freiheit und die aus Vor-Corona-Zeiten stammende Gewohnheit, der im Großen und Ganzen reibungslosen Verfügbarkeit personeller und materieller Ressourcen, erlebt einen harten Aufprall in der tatsächlichen Wirklichkeit. Das Recht auf individuelle Freiheit erfährt die Grenzen der faktischen Wirklichkeit.

Den Urlaub aber hat man sich nun einmal verdient. Flugs stehen deshalb die vorahnungslosen Verantwortlichen bereit, um die personellen Ressourcenmangel zu beseitigen. In Rekordzeit hat die Bundesagentur für Arbeit die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte für Abfertigungstätigkeiten an deutschen Flughäfen genehmigt. Ob die tatsächlich kurzfristig zur Verfügung stehen, weil ja immerhin Sicherheitsstandards zu beachten sind, ist allerdings noch offen.

Von solch eilfertiger Problemlösungskompetenz können Pflegekräfte allerdings nur träumen. Der anfängliche Aktionsapplaus für die Pandemieprotagonisten ist längst verstummt … kofferrollende Hände können nicht mehr klatschen. Das Problem der Überbelastung bleibt. Die Prioritäten sind halt klar verteilt: Das Verhältnis von Urlaub zu Pflege verhält sich proportional zu dem von Hemd und Hose … das eine ist einem eben näher. Bereits jetzt warnen Experten vor einem heißen Corona-Herbst. Der mag nun kommen oder nicht – man wird sehen. Die Frage ist nur, ob wir vorbereitet sind …

Überrascht zeigen sich in diesen Tagen auch wieder die Verantwortlichen der römisch-katholischen Kirche. Mit dem Gestus tiefer, letztlich aber ritualisiert eingeübter Betroffenheit wird zum wiederholten Mal die hohe Zahl derer zur Kenntnis genommen, die der Kirche den Rücken gekehrt haben. Obschon die Zahl seit einigen Jahren tendentiell und ständig steigt, zeigt man sich wieder ahnungslos überrascht. Dabei kann jeder, der den Menschen nahe ist, schon lange ahnen, dass die Kirche nicht mehr die Fragen beantwortet, die die Menschen umtreiben: Woher kommt in Zeiten wie diesen, in der Krieg, Inflation, kalte Heizungen und volle Flughäfen drohen, Hilfe?

Die Kirche war mal ein Weg, um die frohe Botschaft zu verkünden. Längst aber ist sie ist sich selbst zum Zweck geworden. Ändern will sie sich nicht wirklich. Dabei wirbt das Motto „Ich will so bleiben, wie ich bin“ für eine Diätmargerine, deren Zweck es ist, weniger zu werden, statt mehr. Oder, um es mit Albert Einstein zu sagen: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Man müsste also etwas ändern … Wer jetzt beim Nachdenken noch eine Runde im Kreis läuft, hat immer noch nicht verstanden, dass Aufbrüche immer auch das Verlassen vertrauter Standpunkte bedeutet …

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 8. Juli 2022.

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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