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kath 2:30 Dies DominiTohuwabohu – Wüste und Wirrnis sind der Stoff, aus dem Gott eins die Welt erschuf. Mit der Schilderung dieses Urzustandes beginnt die erste Schöpfungserzählung am Anfang der Bibel. Bei näherer Betrachtung erweist sie sich eigentlich als ein Hymnus, der sieben Strophen mit identischem Aufbau aufweist: Gott tut etwas; dann sieht er, dass es gut ist. Dann wird es Abend und dann Morgen, bevor die Schöpfungstage am Ende jeder Strophe durchgezählt werden. Die hymnische Form zeigt, dass es sich hier um keinen dokumentarischen Bericht handelt. Vielmehr deutet die strenge Form an, dass Gott Ordnung schafft, wo es wüst und wirr war. Aus Chaos wird Kosmos. Was glauben Sie denn?

Gott wird am siebten Tag ruhen. Das Werk ist vollbracht – und muss doch gehegt und gepflegt werden. Wohl nicht zuletzt deshalb erschafft Gott am sechsten Tag den Menschen als sein Bild. Und so setzt Gott den Menschen als Statthalter in seine Schöpfung. Der Mensch kann mit der Schöpfung nicht tun und lassen, was er will. Er muss Gott Rechenschaft für sein Schalten und Walten ablegen. Er soll ihm nacheifern und aus ungezügelter Natur lebendige Kultur schaffen, Ordnung in das Chaos bringen und das, was wüst und wirr ist, so hegen und pflegen, dass eine lebenswürdige Welt entsteht. Das ist der Schöpfungsauftrag Gottes.

Wer in diesen Tagen durch die Elberfelder Innenstadt spaziert, kann allerorten sehen, wie schwer der Mensch sich mit dieser Zumutung des Schöpfers tut. Nicht nur der Bahnhofsvorplatz am Döppersberg, auch der Von-der-Heydt-Platz zeigen, wie schwer sich der Mensch tut, der Idee Gottes gerecht zu werden. Wo ehedem Bäume Schatten spendeten, am alten Brunnen Kinder spielten, und Menschen über einen kleinen und liebenswerten Platz flanierten, plauderten und einfach lebten, ist nun einen schattenlose Asphaltwüste. Wo eine kleine Oase in der Innenstadt war, ist es wieder wüst geworden. Nun zieren goldene Bänke das verlorene Paradies. Die passen in die zahnbröckelnde Stadt, in die Else Lasker-Schüler verliebt war, wie Schotter in lebendige Gärten. Sie erinnern doch sehr an das Schicksal des Königs Midas von Phrygien. Dem nämlich wurde alles zu Gold, was er berührte – auch die Speisen, so dass er reich geworden armselig verendet. Auch eine goldene Wüste bleibt eine Wüste!

Tatsächlich muss das Paradies kein Garten sein. Das war es am Beginn der Zeit – so jedenfalls erzählt es der zweite Schöpfungsmythos, der vom Heranreifen des Menschen im Garten Eden erzählt. Den aber muss er, durch die Erlangung der Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden, verlassen. Diese Fähigkeit ist kein Sündenfall, sondern ein Ausweis der Fähigkeit, als Statthalter Gottes wirken zu können. Nicht ohne Grund heißt es im Hebräerbrief:

„Jeder, der noch mit Milch genährt wird, ist unerfahren im richtigen Reden; er ist ja ein unmündiges Kind; feste Speise aber ist für Erwachsene, deren Sinne durch Gebrauch geübt sind, Gut und Böse zu unterscheiden.“ (Hebr 5,13f)

Wenn nun aber mündige Bürger dieser Stadt angesichts der changierenden mit goldenen Einsprengseln durchsetzten Grautöne eben nicht sehen, dass es gut ist, dann sollten die städtischen Statthalter in sich gehen. Schotterreiche Gärten des Grauens gibt es schon genug. Eine Stadt des Grauens braucht niemand Es ist nicht schlecht, eine Stadt zu bauen. Im Gegenteil: Das Paradies als Sehnsuchtsort erscheint in der Offenbarung des Johannes am Ende der christlichen Bibel sogar als Stadt. Die ist zwar auch golden und aus Kristall, hat aber ein besonders Merkmal – einen Baum:

„Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom, hüben und drüben, steht ein Baum des Lebens. Zwölfmal trägt er Früchte, jeden Monat gibt er seine Frucht; und die Blätter des Baumes dienen zur Heilung der Völker.“ (Offb 22,2)

Der Baum des Lebens stand schon im Garten Eden. Wo Bäume sind, kann der Mensch sein. Pflanzt Bäume!

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 11. November 2022.

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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