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kath 2:30 Dies DominiDies domini – Palmsonntag, Lesejahr BDies domini – Zweiter Sonntag der Osterzeit/Weißer Sonntag, Lesejahr B

Die Kirche der Gegenwart hat jeden moralischen Anspruch verloren. Wie will sie angesichts des bigotten Umgangs mit Missbrauchten anderen ins Gewissen reden? Zweifellos hat sie sich selbst den moralischen Zeigefinger, den sie so gerne erhob, amputiert – weil sie mehr um den eigenen Ruf und den Schein makelloser Reinheit bemüht war als um das Mitleiden mit Betroffenen. Der großen Selbsterbarmung steht die noch größere Ungerechtigkeit gegenüber, die man den Missbrauchten gegenüber walten ließ. Darf man dabei allerdings von „der Kirche“ sprechen? Das ist bei näherer Betrachtung zu undifferenziert, denn es würde die Kirche mit denen identifizieren, die in der Kirche als Kleriker, als Auserwählte erscheinen. Zweifellos ist die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen die Gemeinschaft derer, die am Heiligen partizipieren – und das dürften nicht nur Kleriker sein; schon gar nicht, wenn es sich um Kleriker handelt, die Missbrauchstäter sind. Es ist unverständlich und moralisch verwerflich, dass solche Männer im Priestergewand sich noch hinter die Altäre des Brotes und des Wortes stellten, das Brot in ihre unehrwürdigen Hände nahmen und den Menschen ins Gewissen predigten. Es ist unehrenhaft, wenn selbst hochrangige Bischöfe den Selbstentehrten Gnade und Schutz angedeihen ließen, gleichzeitig aber über alles, jede und jeden den Stab brachen, der der reinen Lehre des Katechismus nicht entsprachen: Homosexuelle, die in Partnerschaften leben, wiederverheiratet Geschiedene und vor allem Frauen in Konfliktsituationen wurden schnell als Sünderinnen und Sünder beurteilt und gescholten, die sich der Sakramente während die ehrlosen Missbrauchstäter weiterhin fröhlich Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi wandelten. Laien hingegen, die sich vergangen hatten, wurden rasch aus dem Dienst entfernt. So sehr Moral eine Frage des Forums Internums ist – vor dem Gerichtshof der Welt hat haben die Verantwortlichen das Urteil über sich selbst so gesprochen. Wie will man kraftvoll das Evangelium dessen verkünden, der denen, die auf der rechten Seite stehen, nicht nur verheißt:

Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Matthäus 25,40

Die auf der linken Seite Stehenden mahnt er eben auch:

Das ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Matthäus 25,45

Wie man handelt, spricht man das Urteil über sich selbst – und das gilt unterschiedslos für Laien wie für Kleriker. Mehr noch: Je höher die Würde des Amtes, desto tiefer die Gefahr des Falls. Es ist wie bei Ikarus: Wer Täter, weil sie scheinbar seinesgleichen sind, wachsweich behandelt, wird abstürzen … Gibt es für eine solche Kirche der Gegenwart überhaupt noch eine Chance?

Die erste Lesung vom Weißen Sonntag, dem zweiten Sonntag der Osterzeit, stellt den Leserinnen und Hörern ein ideales Kirchenbild vor Augen:

Die Menge derer, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös  und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte. Apostelgeschichte 4,32-35

Das scheint ein wahrhaft paradiesischer Urzustand der frühen Gemeinde gewesen zu sein. Alle hatten sich lieb, alle teilten miteinander, was sie hatten. War es wirklich so?

Schon wenige Verse wird Lukas vom Betrug des Hananias und der Saphira berichten (vgl. Apostelgeschichte 5,1-11), die zwar ihr Grundstück verkauften, einen Teil des Erlöses aber für sich behielten. Die Strafe ist drakonisch, denn Hananias und Saphira werden beide sterben. In ihrem Handeln gegen das gemeindliche Ideal hatten sie das Urteil über sich selbst gesprochen.

Nun erzählt diese Geschichte auch, dass gerade hohe Ideale früher oder später das Scheitern der Menschen bedeuten. Wahrscheinlich war es um die Gemeinde, für die Lukas schreibt, selbst nicht zum Besten gestellt. Anderen neutestamentlichen Texten, die in etwa gleichem Zeitraum entstanden sind wie das Lukasevangelium, kann man entnehmen, dass die Glaubenspraxis bei vielen schon erlahmt war. Der Autor des Schreibens an die Hebräer etwa mahnt:

Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen! Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander, und das umso mehr, als ihr seht, dass der Tag naht! Hebräer 10,24f

Auch der Autor des Jakobusbriefes mahnt wohl nicht ohne Grund, wenn er folgende Worte an seine Adressaten richtet:

Wisset, meine geliebten Brüder und Schwestern: Jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn; denn der Zorn eines Mannes schafft keine Gerechtigkeit vor Gott. Darum legt alles Schmutzige und die viele Bosheit ab und nehmt in Sanftmut das Wort an, das in euch eingepflanzt worden ist und die Macht hat, euch zu retten! Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer, sonst betrügt ihr euch selbst! Wer nur Hörer des Wortes ist und nicht danach handelt, gleicht einem Menschen, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich, geht weg und schon hat er vergessen, wie er aussah. Jakobus 1,19-24

Auch in den Gemeinden der frühen Kirche hat es also schon eine beobachtbare und schädliche Differenz zwischen Reden und Handeln gegeben. Das Wort Gottes aber will getan werden, wenn es wirksam werden soll. Das ist der eigentliche Grund, wenn es in der ersten Lesung dieses Sonntags heißt:

Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Apostelgeschichte 4,33

Im griechischen Urtext ist hier von einer δύναμις μεγάλη (gesprochen: dynamis megále) die Rede, wenn einer großen Kraft gesprochen wird. Als δύναμις (dynamis) werden in den synoptischen Evangelien aber auch jene jesuanischen Machterweise bezeichnet, die im Volksglauben gerne als „Wunder“ bezeichnet werden. Dabei geht es bei Jesus aber gar nicht um übernatürliche Taten, sondern um die Kongruenz von Reden und Handeln, um Aufrichtung der Gefallen, Integration der am Rand Stehenden, um Ermächtigung der Ohnmächtigen. Die große Kraft der Apostel entfaltet ihre Wirkung nur dann, wenn sie in ihrem Zeugnis dem jesuanischen Vorbild nachfolgen.

Genau das aber hat eine Kirche, die in ihrer Geschichte immer wieder mehr um den eigenen Ruf als um die Aufrichtung der Menschen bemüht war, immer wieder verraten. Im Streben um den schönen Schein selbstgemachter Heiligkeit haben Verkünderinnen und Verkünder, Weihelose wie Weihevolle sie die Botschaft Jesu Christi immer wieder korrumpiert. Der Verrat ist umso größer, je christusähnlicher man sich selbst wähnt. Es ist kein Wunder, dass eine Verkündigung, die auf der Bigotterie beruht, anders zu handeln als man redet, keine Kraft mehr entfaltet. Wer andere, die nur das Leben suchen, der Sünde zeiht, jene aber, die anderen des Lebens Seele genommen haben, mit nebulöser Barmherzigkeit umhüllt, kann nicht kraftvoll verkünden.

Das lukanische Ideal einer heiligmäßigen Urgemeinde mag es vielleicht nie gegeben haben. Wenn es sie gab, hat sie den Idealzustand schnell verloren. Der Auftrag für die Verkünderinnen und Verkünder, wortgewaltig und tatkräftigt zu verkünden, bleibt bestehen. Eines nämlich ist klar: Gott war und ist parteiisch – und er wird es immer sein. Er steht an der Seite der Schwachen. Wer Hand an Kinder gelegt hat und wer solche schützt, hat sein Urteil über sich selbst schon gesprochen. Wie mahnt Jesus doch für solche Fälle:

Wehe der Welt wegen der Ärgernisse! Es muss zwar Ärgernisse geben; doch wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt! Wenn dir deine Hand oder dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Es ist besser für dich, verstümmelt oder lahm in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen und zwei Füßen in das ewige Feuer geworfen zu werden. Und wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus! Es ist besser für dich, einäugig in das Leben zu kommen, als mit zwei Augen in das Feuer der Hölle geworfen zu werden. Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters. Matthäus 18,7-10

Damit ist eigentlich alles gesagt … um wieder kraftvoll verkünden zu können, müssen den Worten Taten folgen. Die Engel der Kleinen schauen da gerade jetzt ganz genau hin …

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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