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kath 2:30 Dies DominiDies domini – Hochfest Christkönig, Lesejahr A

Die Macht ist ein Dienst. Das wird jedenfalls immer wieder suggeriert. Nein, nicht von den Mächtigen der Welt. Da ist eher von Machtinstinkt die Rede, ja, es wird sogar offen von Machtsicherung gesprochen. Macht ist dort nichts Schmutziges, von dem man sich distanzieren müsste. Ganz im Gegenteil: Nach Macht wird offen gestrebt, offen um sie gerungen; Machtkämpfe gehören zum politischen Alltag. Der Machtverlust hingegen wird beklagt, geleugnet und bisweilen sogar ignoriert. Nur in der Kirche wird in offen geheuchelter Demut davon gesprochen, dass Macht ja eigentlich ein Dienst sei. Das ist ein wunderschöner rhetorischer Trick, mit dem man sich scheinbar klein macht. Wer will schon Diener der Diener kritisieren. So lässt sich leicht Macht ausüben, die ja ein Dienst ist, den man dann aber häufig manch aufstrebendem Wunsch mit dem Hinweis auf ein vermeintliches Machtstreben verwehrt. Macht ist eben nur dann Dienst, wenn man sie verschleiern möchte. Andere, die so dienen möchten, werden die Gefahren der macht vorgehalten, vor denen man sie bewahren möchte. Ein doppelter Doublebind – das ist wahre rhetorische Kunst der Verwirrung, bei der die so Redenden wahrscheinlich selbst nicht mehr wissen, ob sie nun Männlein oder Weiblein, mächtig oder dienend oder was auch immer sind. Das ist eine fein ziselierte Form eloquenter Selbstreferenzialität, die ihresgleichen sucht und dabei aus dem Blick verliert, dass Macht immer nur geliehen ist. So verweist der geschundene Jesus seinen Richter Pontius Pilatus auf die eigentlichen Relationen der Macht, als der zu ihm spricht:

Du sprichst nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete ihm: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre; darum hat auch der eine größere Sünde, der mich dir ausgeliefert hat. (Johannes 19,10f)

Das wird dem römischen Statthalter, der sicher nicht dem Gott und Vater Jesu Christi zugetan war, historisch wahrscheinlich wenig beeindruckt haben. Johannes berichtet zwar, dass er Jesus aufgrund dieses Satzes erst freilassen wollte, letztlich aber doch zum Tod am Kreuz verurteilt.

Für diejenigen, die an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der auch der Gott und Vater Jesu Christi ist, stehen die Dinge aber eigentlich anders. So spricht der vom Kreuzestod Auferstandene Jesus Christus selbst:

Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. (Matthäus 28,18)

„Alle Vollmacht“ – das ist ausnahmslos. Wenn einer „alle Vollmacht“ hat, dann kann es daneben eigentlich keine anderen Mächtigen mehr geben; das würde die Generalvollmacht als solches relativieren. Was würde denn geschehen, wenn es mehrere Vollmächtige gäbe, die dann in ihrer Macht gegenteilige Entscheidungen träfen … Wenn also der Auferstandene „alle Vollmacht“ hat, dann ist – zumindest aus Sicht des Glaubens – alle andere Macht von ihm abhängig. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der Auferstandene die verbliebenen Elf von den ehedem zwölf Aposteln beauftragt:

Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Matthäus 28,19f)

Sie sind Auftragnehmer und erhalten ihre Vollmachten selbst vom Auftraggeber, dem gegenüber sie rechenschaftspflichtig bleiben. Da wird die Verheißung, dass er bei ihnen ist alle Tage bis zum Ende der Welt, gleichzeitig auch zur Mahnung: Der Auftraggeber wacht über die Art und Weise, wie sein Auftrag ausgeführt wird. Er ist und bleibt derjenige, dem „alle Vollmacht“ zukommt. Er agiert so, wie ein sorgender König, dem es letztlich um sein Volk geht, dem er Menschen sendet, die es in seiner Stellvertretung führen, wie Hirten ihre Herde führen und vor Gefahren schützen. Dabei ist die Herde alles, nicht die Hirten. Die weisen zwar den Weg, bekommen aber die größten Schwierigkeiten, wenn ein Schaft verloren geht. Deshalb such im Gleichnis vom verlorenen Schaf (Lukas 15,4-7 par) der Hirte das verlorene Schaft und lässt – riskanterweise – dafür sogar die 99 anderen allein zurück – weil er und nicht das Schaf einen Fehler gemacht hat und nicht aufgepasst hat. Was würde er, wenn er das Schaf nicht wiederfände, seinem Herrn und Auftraggeber sagen? Ist ein solcher Hirte mächtig? Und wenn er Macht hat – dann muss er sich für seine Machtausübung rechtfertigen. Was aber wird sein, wenn er nicht nur das verlorene Schaf nicht findet, sondern auch die übrigen 99 noch stiften gehen?

Das ist der Ausgangspunkt der ersten Lesung vom Hochfest Christkönig im Lesejahr A. Er wird leider im Lesungstext aus dem Buch des Propheten Ezechiel nicht verkündet, bildet aber doch die Voraussetzung für dessen Verständnis

Das Wort des HERRN erging an mich: Menschensohn, sprich als Prophet gegen die Hirten Israels, sprich als Prophet und sag zu ihnen, den Hirten: So spricht GOTT, der Herr: Weh den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Müssen die Hirten nicht die Schafe weiden? Das Fett verzehrt ihr und mit der Wolle kleidet ihr euch. Das Mastvieh schlachtet ihr, die Schafe aber weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt, das Kranke habt ihr nicht geheilt, das Verletzte habt ihr nicht verbunden, das Vertriebene habt ihr nicht zurückgeholt, das Verlorene habt ihr nicht gesucht; mit Härte habt ihr sie niedergetreten und mit Gewalt. Und weil kein Hirt da war, zerstreuten sie sich und sie wurden zum Fraß für alles Getier des Feldes, als sie zerstreut waren. Meine Schafe irren auf allen Bergen und auf jedem hohen Hügel umher und über die ganze Erdoberfläche sind meine Schafe zerstreut. Doch da ist keiner, der fragt, und da ist keiner, der auf die Suche geht. (Ezechiel 34,1-6)

Die Hirten Israels sind mit sich selbst beschäftigt, mit ihren feinen Kleidern, mit dem Prunk und Tand und dem Wohlstand, der sie nicht nur von der Herde entfremde hat. Nein – sie beuten die Herde sogar aus und kümmern sich nicht mehr um sie, weil sie eben nur mit sich selbst beschäftigt sind. Kann man so überhaupt noch Hirte sein? Wohl kaum, denn die Herde hat Fakten geschaffen – sie hat sich längst zerstreut. Und die Hirten? Sie suchen nicht, keinem einzigen Schaf gehen sie nach. Warum auch? Sie haben doch alles: Feine Gewänder, fettiges Essen, feisten Wohlstand – und: Sie sind doch Hirten! Das reicht ihnen doch. Hirte – das ist ein feiner Titel! Wer braucht da Herden. Diese Schafe machen doch nur Arbeit, stinken nach nasser Wolle und sind dreckig. Hirte ohne Herde – das ist ein feines Leben.

Aber nicht im Angesicht des HERRN, dessen Wort an die Hirten ergeht:

So wahr ich lebe, Spruch GOTTES, des Herrn: Weil meine Schafe zum Raub und meine Schafe zum Fraß für alles Getier des Feldes wurden – denn es war kein Hirt da – und meine Hirten nicht nach meinen Schafen fragten, sondern die Hirten sich selbst geweidet und nicht meine Schafe geweidet haben, darum, ihr Hirten, hört das Wort des HERRN: So spricht GOTT, der Herr: Siehe, nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe aus ihrer Hand zurück. Ich mache dem Weiden der Schafe ein Ende. Die Hirten sollen nicht länger sich selbst weiden: Ich rette meine Schafe aus ihrem Rachen, sie sollen nicht länger ihr Fraß sein. (Ezechiel 34,8-10)

Die Hirten behalten ihren Titel, werden aber zur Rechenschaft gezogen. Die Herde wird ihnen genommen. Damit wird auch ihr Wohlstand ein Ende finden. Denn ein reiner Titelhirte ist … nichts. Eine Hohlfigur, ein Mantelträger, ein Kleiderständer ohne Inhalt. Heiße Luft bläht die Gestalten auf, der Geist aber weht längst woanders. Denn hier, leider erst hier, setzt die erste Lesung des Hochfests Christkönig ein:

So spricht Gott, der Herr: Siehe, ich selbst bin es, ich will nach meinen Schafen fragen und mich um sie kümmern. Wie ein Hirt sich um seine Herde kümmert an dem Tag, an dem er inmitten seiner Schafe ist, die sich verirrt haben, so werde ich mich um meine Schafe kümmern und ich werde sie retten aus all den Orten, wohin sie sich am Tag des Gewölks und des Wolkendunkels zerstreut haben. (Ezechiel 34,11f)

Das Versagen der Hirten, die ihren Dienst mächtig missverstanden haben, ist eklatant. Es hat die Herde zerstreut und die Schafe in Gefahr gebracht. Jetzt kümmert sich Gott, der Auftraggeber, selbst um seine Herde. Die Hirten sind damit nutzlos geworden. Es braucht sie nicht mehr. Kein Dienst macht machtlos. Die normative Kraft des Faktischen hat sie überholt. Gott selbst wird zum Hirten für seine Herde:

Ich, ich selber werde meine Schafe weiden und ich, ich selber werde sie ruhen lassen – Spruch GOTTES, des Herrn. Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen. Doch das Fette und Starke werde ich vertilgen. Ich werde es weiden durch Rechtsentscheid. Ihr aber, meine Herde – so spricht GOTT, der Herr – , siehe, ich sorge für Recht zwischen Schaf und Schaf. (Ezechiel 34,15-17a)

Die Verhältnisse werden wieder zurecht gerückt. Die Hirten mögen sich berufen wähnen – aber eine solche Berufung kann rückgängig gemacht werden. Zum Hirten gemacht zu werden, verleiht offenkundig kein unauslöschliches Prägemal. Hirten, die sich selbst genügen, wird der Titel „Hirte“ einfach entzogen. Hirten sind für Herden da, nicht umgekehrt. Und da, wo das aus dem Blick gerät, schreitet der Auftraggeber selbst ein. Er verschafft Recht zwischen Schaf und Schaf. Die Herde wird neu geordnet. Eine neue Form nimmt Gestalt an – ganz ohne Hirten, die ihren Auftrag mächtig missverstehen. Hirten – das sind eigentlich immer bloß Diener, ganz ohne Macht. Sie sind Wegweiser, die Zäune eigentlich nur bauen, um die Herde zu schützen. Und abends, wenn es dunkel wird, müssen sie die Herde ihrem Herrn geben. Ein Hirte, der von seiner Macht als Dienst redet, hat eines schon nicht verstanden – das ein Hirte immer bloß Diener, ganz ohne Macht. Wehe, wer sich auf den Thron des Mächtigen setzt und dabei erwischt wird.

Steigt herab aus den Höhen selbstgefälliger Heiligkeit, ihr Hirten der Kirche, und sucht eure Herden, die sich in diesen Zeiten immer weiter zerstreuen. Gott hat sie schon gefunden. Er ordnet seine Herden längst neu. Was aber werdet ihr zu eurer Verteidigung sagen?

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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