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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Erster Adventssonntag, Lesejahr B

Sanfte, wohltuende Klänge schweben durch den Kirchenraum. Die scharfen Kontraste und Konturen werden durch mildes Licht gemildert. Bunte Strahler tauchen das Kirchenschiff in ein mystisches Licht. Gott tut gut – das signalisiert die Wohlfühlatmosphäre. Nichts stört, nichts verstört. „Confitemini domino“ klingt es – mehr wispernd gehaucht denn gesungen – vierstimmig gesetzt ohne große Dissonanzen. Arg- und harmlos ist diese Liebe Gottes, vor dem man mit schief gelegtem Haupt knien kann, weil man nicht fürchten muss, dass er die offene Flanke des Halses treffen wird, die doch so verwundbar ist.

Das Glück der so Glaubenden ist mit Händen zu greifen. Die Kirche als Snoezelen-Raum macht das Glauben leicht. So erhebt sich die Seele zu Gott und lässt die bittere Wirklichkeit alleine zurück. Die frohe Botschaft fühlt sich gut an. Nichts ängstigt, nichts trennt. Reine Mystik – oder doch eher frommer Trug?

Der selbstgemachte Glaube liebt den Klang der Harmonie. Er liebt die Endorphine, deren Ausschüttung die fromme Atmosphäre verursacht. Nach diesem Glauben kann man süchtig werden. Aber wie jede Sucht flieht ein solcher Glaube der Wirklichkeit des Lebens.

Die Wirklichkeit des Lebens verträgt keinen heiligen Schein. Die Wirklichkeit des Lebens versagt sich einer oberflächlichen Harmonie. Die Wirklichkeit des Lebens scheint auf in dem Wort Gottes, das sich sperrig in den Weg des Glaubens stellt, so dass die bunte kontrastarme Harmonie ins Wanken gerät und der moderne Mystiker erschrocken zurückweicht: das soll frohe Botschaft sein? – um dann schnell festzustellen: Das ist nicht meins!

Gott hat dem Mystiker zu gehorchen wie weiland dem heiligen Pfarrer von Ars, der in einer Schrift über den Priester mit unverhohlenem Stolz konstatiert:

„Oh, wie groß ist der Priester! (…) Gott gehorcht ihm: Er spricht zwei Sätze aus, und auf sein Wort hin steigt der Herr vom Himmel herab und schließt sich in eine kleine Hostie ein (…).“ (Le Sacerdoce, c’est l’amour du cœur de Jésus” (in Le curé d’Ars. Sa pensée – Son cœur. Présantés par l’Abbé Bernard Nodet, éd. Xavier Mappus, Foi Vivante, 1966, S. 98)

Auch wenn dieser Satz Eingang in den Katechismus der Katholischen Kirche Eingang gefunden hat (Nr. 1589) zeugt er doch von einem gewissen Hochmut. Denn nicht der Priester ist es, der Gott in die Hostie einschließt. Gott ist es, der sich des Priesters bedient. Er repräsentiert in der Liturgie Christus als dem eigentlichen Haupt der Kirche; so hat er Christus zu gehorchen und seinen Willen zu vollziehen. Es ist also genau umgekehrt. Auch Heilige können also offenkundig über das Ziel hinausschießen, was nicht zuletzt auf die Gefahr der Selbstüberhebung hindeutet, die sich aus der selbstdefinierten Nähe zum Heiligen ergibt. Der heilige Pfarrer von Ars hat schlicht übersehen, was Jesaja in der ersten Lesung am ersten Adventssonntag des Lesejahres A den Glaubenden heute noch zuruft:

Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der ton, und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände. (Jesaja 64,7)

Gott schafft den Menschen, nicht der Mensch schafft Gott. Gott bleibt fremd. Er ist nicht einfach zugänglich. Man kann ihn nicht einfach herbei beten. In der Sprache des Alten Testamentes steht der Himmel zwischen der Sphäre der Menschen und der Sphäre Gottes. Der Himmel ist nah und weit zugleich. Er umgibt den Menschen und entzieht sich doch seinem Zugriff. Der Mensch kann Gott nicht vom Himmel herabbeten. Gott ist es, der allein den Himmel zu öffnen vermag:

Reiß doch den Himmel auf, und komm herab, so dass die Berge zittern vor dir. (Jesaja 63,19b)

heißt es deshalb in der Lesung.

Das ist ein Satz, der vertraut klingt. „O Heiland, reiß die Himmel auf“ erklingt es wieder in der Adventszeit. Der Schrecken der Gegenwart Gottes, der sogar die Berge zittern macht, verliert sich allerdings im Kerzenschein.

Das ist das, was dem modernen Mystiker fremd geworden ist: der Schrecken Gottes, der φόβος θεοῦ (phóbos theoû/griechisch: Gottesschrecken oder Gottesfurcht).

Die Gegenwart Gottes macht nicht zuerst selig. Sie führt in den Schrecken, weil sie die Größe Gottes offenbart. In der Heiligen Schrift begegnet Gott dem Menschen deshalb meist in vermittelter Gestalt. Er umhüllt sich mit Wolken, er verbirgt sich hinter den Engeln, er umgibt sich mit dem Himmel wie mit einem Kleid. Selbst Mose muss das lernen, als er nach der Erneuerung des Bundes die Herrlichkeit Gottes schauen möchte:

Mose sagte: Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen! Der Herr gab zur Antwort: Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will. Weiter sprach er: Du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben. Dann sprach der Herr: Hier, diese Stelle da! Stell dich an diesen Felsen! Wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht, stelle ich dich in den Felsspalt und halte meine Hand über dich, bis ich vorüber bin. Dann ziehe ich meine Hand zurück, und du wirst meine Rücken sehen. Mein Angesicht aber kann niemand sehen. (Exodus 33,18-23)

Das Bewusstsein um diese Größe Gottes scheint bei vielen heute geschwunden zu sein. Gott ist lieb, aber ist dieser Gott wirklich ein Gott der Liebe, jener Liebe, die wie Feuer brennt, in Frage stellt, herausfordert und verstört, einer Liebe, die widerständig ist und überfordert? Statt des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs, der auch der Vater Jesu Christi ist, redet man dann doch lieber vom eigenen Gott. „Mein Gott ist nicht so“, oder: „das entspricht nicht meinem Gottesbild“ – als wenn der Mensch Gott nach seinem Bild erschaffen würde und nicht umgekehrt …

Im sicheren Glück dachte ich eins: Ich werde niemals wanken. (Psalm 30,7)

So betet der Psalmist. Psalmen, so ist heute bei dem einen oder der anderen zu hören, seien nicht mehr angesagt. „Das ist nicht meins“ – sagen dann viele, die die fromme Harmonie suchen. Vielleicht liegt das daran, dass die Psalmen zu nah am Leben sind. Der Psalmbeter weiß, dass die Erfahrung der Nähe Gottes eher verstört als selig macht. Denn die holde Glückseligkeit der vermeintlichen Gottessicherheit wird jäh gestört und weicht dem Schrecken:

Herr, in deiner Güte stelltest du mich auf den schützenden Berg.
Doch dann hast du dein Gesicht verborgen. Da bin ich erschrocken. (Psalm 30,8)

Gott ist offenkundig eben nicht einfach lieb. Er fordert den Menschen, fordert seine Antwort. Heiß oder kalt soll der Mensch sein, nicht aber von einer lauen Leichtgläubigkeit beseelt, die sich vom Leben gewogen als zu leicht erweist.

Es gilt also, die Zeichen richtig zu deuten. Der Schrecken ist kein Zeichen der Gottesferne. Jesus selbst beschreibt im Evangelium vom ersten Adventssonntag des Lesejahres B die Ankunft des Menschensohnes in gewaltigen Bildern:

In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels. (Markus 13,24-27)

Das Erscheinen der Nähe Gottes verrückt die Maßstäbe, mit denen der Mensch sein Leben sichern zu können glaubt. Wer sich darauf vorbereiten will, muss wach sein. Wider die sedierende Wirkung seichter Klänge, wider die Anästhetik des grellen Farbenspiels wattstarker Strahler, wider die Oberfläche der schönen, gern gehörten Worte, die den Verstand vernebeln, soll er hellwach sein. Wo das Leben stolpert, kann es Gott sein, der des Lebens Lauf verrückt. Wer auch immer den Namen Gottes anruft – er muss damit rechnen, dass nichts so bleibt, wie es ist. Die Liebe Gottes ist anders, ändert. Erst, wer sich so im Angesicht Gottes erschreckt, wird den Gruß der Engel wirklich verstehen: Fürchtet euch nicht!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,

Ihr Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. Daniel Offermann schrieb am 3. Dezember 2014 um 16:23 :

    „Die Gegenwart Gottes macht nicht zuerst selig. Sie führt in den Schrecken, weil sie die Größe Gottes offenbart.“

    Eine Randbemerkung zu dem Aspekt, dass die häufig in Kirchenräumen anzutreffende harmonisch-säuselnden Musik mit einem harmlosen, eindimensionalen Gottesbild korrespondiert, mit einem Hinweis auf folgendes Werk:
    https://www.youtube.com/watch?v=JWqxPp6SvMw&list=PL47D599591DF469BA&index=2
    (am besten über Kopfhörer statt PC-Boxen zu hören)

    Diese im obigen Sinne „schreckliche“ Musik verwundert, irritiert, bestürzt – eröffnet Horizonte. Sie ist so ganz anders, wie Gott ganz anders ist. Ich bekomme eine Ahnung davon.

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