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kath 2:30 Dies DominiZu den vermeintlich unhinterfragbaren Voraussetzungen des Katholischen gehört die Ansicht, Petrus sei der erste Papst gewesen. Häufig wird hierfür der euphorische Ausruf Jesu angeführt, der sich singulär im Matthäusevangelium findet:

Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten des Hades werden sie nicht verschlingen. (Matthäus 16,18)

Jesus antwortet mit diesem Ausruf, der den Beinamen Petrus des Simon wortspielerisch aufnimmt, auf dessen Messiasbekennntis. Schon wenige Verse später ist die Euphorie schon Makulatur. Petrus, der nicht wahrhaben will, dass sich die Messianität Jesu in seinem Leiden und Sterben offenbaren wird, wird von Jesus brüsk mit folgenden Worten abgewiesen:

Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. (Matthäus 16,23)

Der Fels ist schnell erodiert. Ist eine Kirche, die auf diesem Fundament aufbaut, nicht doch auf Sand gebaut?

Wieder einige Verse später berichtet Matthäus von der sogenannten „Verklärung“ Jesu. Drei Apostel werden Zeugen dieser Verklärung: Petrus, Jakobus und Johannes. Die Nennung dieser drei Apostel geschieht nicht ohne Grund. An mehreren Stellen des Neuen Testamentes taucht dieses „Dreiergremiums“ auf. Paulus spricht von ihnen als denen, die „etwas zu sein scheinen“ (vgl. Galaterbrief 2,6). Jakobus, Kephas (so lautet die hebräische Version des lateinischen Petrus) und Johannes werden von ihm schließlich als diejenigen bezeichnet, die als „‚Säulen‘ ansehen genießen“ (vgl. Galaterbrief 2,9).

Die Äußerungen des Paulus finden sich im Zusammenhang seiner autobiographischen Schilderung des sogenannten „Apostelkonzils“ (Galaterbrief 2,1-10). Das Apostelkonzil bildet auch den Hintergrund der ersten Lesung vom 6. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr C (Apostelgeschichte 15,1f.22-29). Die Lesung präsentiert nur das Ergebnis dieser bedeutsamen Versammlung, nicht aber die zugrunde liegende Streitfrage. Diese Streitfrage war existentiell für das frühchristliche Selbstverständnis. Es ging um die Frage, ob nur Beschnittene getauft werden können oder ob die Taufe auch Unbeschnittene, also Heiden, empfangen können. Die Jerusalemer Urgemeinde, die sich um die zwölf Apostel versammelt hatte, vertrat ursprünglich die Ansicht, dass die Beschneidung notwendig für die Taufe sei, während die konkurrierende Gemeinde, die in Antiochien ihr Zentrum hatte, ein Evangelium der Gesetzesfreiheit verkündete: Weil Jesus wie ein Sünder starb, trotzdem aber von den Toten auferstand, wird offenbar, dass die Sünde nicht von Gott trennt; man wird nicht dadurch gerecht, dass man das Gesetz (gemeint ist die Thora) hält, sondern weil man sich Gott zuwendend Jesus nachfolgt. Eine Beschneidung, die Teil der Forderung der Thora ist, ist deshalb nicht mehr notwendig.

Die Brisanz dieses Disputs liegt darin, dass Juden (Beschnittene) nicht ohne Weiteres mit Heiden (Unbeschnittenen) verkehren durften. Nach der Thora machte die Tischgemeinschaft mit Heiden unrein. Innerhalb der frühen Kirche zeichnete sich daher eine Zweiklassengesellschaft ab – ein Konflikt, der weite Teile des Neuen Testamentes prägt.

Zur Bereinigung des Konfliktes berief man eine Versammlung ein. An diesem Konzil nahmen die führenden Köpfe der Jerusalemer Urgemeinde und der antiochenischen Gemeinde, deren Mitglieder sich übrigens erstmals als „Christen“ bezeichneten (vgl. Apostelgeschichte 11,26), teil. Namentlich bekannt sind seitens der Jerusalemer Gruppe eben jenes Dreiergremium Jakobus, Petrus und Johannes (vgl. Galaterbrief ; seitens der antiochenischen Fraktion werden Paulus und Barnabas (Apostelgeschichte 15,2) sowie der Heide Titus (Galaterbrief 2,1.3) genannt.

Das Ergebnis des Konzils ist wegweisend: Die Jerusalemer Urgemeinde verkündet das Evangelium den Juden, die antiochenischen Christen betreiben die Mission der Völker. Paulus bringt das im Galaterbrief auf die einfache Formel: Paulus zu den Unbeschnittenen (Heiden), Petrus zu den Beschnittenen (Juden). Noch bedeutsamer ist dabei die Vereinbarung, dass die Taufe die Beschneidung nicht mehr voraussetzt – ein entscheidender theologischer Schritt, ohne den die Kirche eine jüdische Sekte geblieben wäre. Die Kirche, wie wir sie heute kennen, gäbe es ohne diese Entscheidung nicht, denn sie ist eine Kirche der Heiden.

Die Lesung aus der Apostelgeschichte betont allerdings, dass den getauften Heiden eine notwendige Regel befolgen sollen: Sie sollen Götzenopferfleisch, Blut und Ersticktes meiden sowie keine Unzucht treiben (Apostelgeschichte 15,20f.29). Diese als „Jakobusklausel“ bekannt gewordene Einschränkung wird von Jakobus eingefordert, während Petrus vorher als entscheidendes Argument auf das Handeln Gottes verweist, dessen Zeuge er selbst bei der Taufe des heidnischen Hauptmanns Kornelius geworden ist (vgl. Apostelgeschichte 10,1-48): Gott selbst hat den Heiligen Geist Unbeschnittenen vor der Taufe gesandt, so dass Petrus feststellt:

Er machte keinerlei Unterschied zwischen uns und ihnen; denn
er hat ihre Herzen durch den Glauben gereinigt. (Apostelgeschichte 15,9)

So unterschiedlich die autobiografische – und damit sicher parteiliche – Darstellung des Konzils aus der Sicht des Paulus und die idealisierende, auf Berichten beruhende Darstellung der lukanischen Apostelgeschichte sind, so lässt die Zusammenschau beider Schilderungen doch interessante Rückschlüsse auf die Struktur der frühchristlichen Führung zu. Sowohl im Galaterbrief als auch in der Apostelgeschichte erscheinen Paulus und Petrus auf Augenhöhe. Paulus scheint keinen singulären Führungsanspruch des Petrus zu kennen. Demgegenüber tritt vor allem Jakobus deutlich in den Vordergrund. Er ist es, der laut der Darstellung der Apostelgeschichte das letzte Wort hat und die Entscheidung des Konzils feststellt und verkündet (vgl. Apostelgeschichte 15,13-21).

Seine Autorität auch gegenüber dem Petrus wird außerdem durch eine Anekdote bestätigt, die Paulus über den Fortgang der Ereignisse nach dem Jerusalemer Konzil zu berichten weiß:

Als Kephas aber nach Antiochia gekommen war, widerstand ich ihm ins Angesicht, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte. Bevor nämlich Leute aus dem Kreis um Jakobus eintrafen, pflegte er zusammen mit den Heiden zu essen. Nach ihrer Ankunft aber zog er sich von den Heiden zurück und trennte sich von ihnen, weil er die Beschnittenen fürchtete. Ebenso unaufrichtig wie er verhielten sich die anderen Juden, sodass auch Barnabas durch ihre Heuchelei verführt wurde. Als ich aber sah, dass sie von der Wahrheit des Evangeliums abwichen, sagte ich zu Kephas in Gegenwart aller: Wenn du als Jude nach Art der Heiden und nicht nach Art der Juden lebst, wie kannst du dann die Heiden zwingen, wie Juden zu leben? (Galaterbrief 2,11-14)

Petrus hat Respekt vor den Leuten des Jakobus. Handelt so ein Apostelfürst? Oder ist es nicht etwa so, dass Jakobus innerhalb der Trias Jakobus, Petrus und Johannes die eigentliche Autorität war?

Das Echo der Ereignisse, die den Hintergrund nicht der nur der ersten Lesung vom 6. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr C, sondern auch anderer neutestamentlicher Texte bilden, zeigt eine höchst lebendige Entwicklungsgeschichte der frühen Gemeinden. Eine strenge Hierarchie, die sich auf eine Weisung Jesu berufen könnte, hat es so offenkundig nicht gegeben – sieht man einmal davon ab, dass das Dreiergremium Jakobus, Petrus und Johannes nach dem übereinstimmenden Zeugnis der Evangelien von Jesus immer wieder in ein besonderes Vertrauen gezogen wurde (man denke beispielsweise an die Gethsemane-Szene – vgl. etwa Markus 14,33 und die entsprechenden Parallelstellen).

Innerhalb dieses Gremiums war aber wohl nicht Petrus, sondern Jakobus der Wortführer. Wenn es einen Apostelfürst gab, dann war er es. Dass Petrus für die frühe Kirche trotzdem prägend wurde, erklärt sich aus dem frühen Tod des Jakobus, von dem die Apostelgeschichte berichtet (vgl. Apostelgeschichte 12,2). Von dem Führungsgremium blieben nun Petrus und Johannes übrig. Petrus als der deutlich Ältere dürfte in dieser Beziehung einen „natürlichen“ Respekt genossen haben, der sich nicht zuletzt in der schönen Erzählung vom „Wettlauf“ zum leeren Grab widerspiegelt, wie ihn das Johannesevangelium erzählt: Johannes, der als der Jüngere deutlich schneller am Grab ist, lässt dem Älteren respektvoll den Vortritt (vgl. Johannes 20,4-6).

Der 1999 verstorbene Bonner Neutestamentler Prof. Dr. Helmut Merklein pflegte häufig festzustellen, dass sich das Wirken des Heiligen Geistes gerade in der alltäglichen Entwicklung der Dinge erweisen würde. Das trifft auch auf die führende Rolle des Petrus zu, die sich im Laufe der frühchristlichen Geschichte ergeben hat. Ein unumstrittener Apostelfürst oder gar ein erster Papst war er aber wohl nicht. Und doch ist auch aus seinem Zeugnis das Fundament gelegt worden, auf dem die Kirche gebaut wurde – ein Fels mit Ecken und Kanten, an denen man sich stoßen, vor allem aber auch festhalten kann.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche,
Ihr
Dr. Werner Kleine, PR
Katholische Citykirche Wuppertal

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. Kath 2:30 schrieb am 11. Mai 2013 um 22:51 :

    […] Tag nach der Auferstehung Jesu Christi entstanden, ist die kirchliche Einheit schon früh durch den Streit um die Heidentaufe bedroht. Das Apostelkonzil, von dem die Apostelgeschichte (Apg 15,1-35) und der Galaterbrief (Gal […]

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