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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Christkönigssonntag, Lesejahr A

Der Glaube ist eine Herausforderung, die mit Verstand bewältigt werden will. Wer die frohe Botschaft nicht bloß nachplappern, sondern verkünden will, der muss überzeugen können. Man kann aber nur dann überzeugen, wenn man selbst von dem überzeugt von dem ist, was man redet und tut. Überzeugung hingegen ist eine Haltung der Erkenntnis, eines Verstehens, das ohne Verstand nicht möglich ist.

Zu einer solchen Haltung gehört eine prinzipielle Offenheit für das Neue, das Kommende, das Streben nach tieferer Erkenntnis, die letztlich nichts anderes ist als ein Fortschreiten des Verstehens. Ein Glaubender, der nicht damit zufrieden ist, katechetische Sätze einfach auswendig zu lernen und phonetisch korrekt zu rezitieren, auch wenn das was der Mund spricht weder das Herz und noch weniger den Kopf erreicht haben, kann nicht anders als sich selbst immer wieder zu relativieren. Die Relativierung nimmt die Relation, also die Beziehung eines zu betrachtenden Gegenstandes zum Betrachter ernst. Mag auch der Gegenstand unveränderlich sein – der Betrachter ist es nicht. Er ist allein schon aufgrund seiner irdischen, raum-zeitlichen Existenz dem Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen. Erfahrungen, die er in jungen Jahren noch nicht hatte, verändern seinen Blick. Ängste, die die Jugend noch nicht kennt, können ihn trüben, ein aus Geben und Nehmen gewachsenes Vertrauen in das Leben können ihn weiten. Erkenntnis hat man daher nicht, Erkenntnis wächst. Selbst die Erkenntnis der absoluten Wahrheit ist also relativ, wird sie doch vom Blickwinkel, von der Haltung des Erkennenden, seinen Vorerfahrungen, seinen Ängsten und Hoffnungen bestimmt. Die Wahrheit bleibt, die Methode, der Weg, sie zu finden, ist hingegen relativ.

Es ist also wenig verwunderlich, wenn in der vergangenen Woche zu lesen war, Papst Benedikt XVI habe einen Aufsatz, den er 1972 geschrieben hatte, über vierzig Jahre später mit anderen Augen sieht. Der Vorgang allerdings erregt deshalb großes Aufsehen, weil er sich mit der Frage der Unauflöslichkeit der ehe befasst. Josef Ratzinger wagt 1972 den Versuch,


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kath 2:30 Auf ein Wort LogoDie Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zum Ratsvorsitzenden gewählt. Als römisch-katholischer Christ gratuliere ich zu dieser Wahl. Der neue Ratsvorsitzende betont, die Kirche solle nicht mit musealem Kult und abgehobenen Zukunftsträumen der gesellschaftlichen Wirklichkeit entfliehen und sich nicht ins Private zurückziehen.

Damit kann sich auch ein römischer-katholischer Christ identifizieren. Die Päpste von Johannes XXIII bis zu Franziskus haben immer wieder daran erinnert, dass die Kirche kein Museum und Christen keine Statuen seien.

Das sind Worte, die konfessionsübergreifend immer wieder gerne zitiert werden. Es sind gute und richtige Worte. Worte, die Geschwätz bleiben, wenn sie nicht zur Tat werden.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 30. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Das Evangelium dieses Sonntags führt uns das Gebot der Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe wieder einmal explizit vor Augen. Diese Gebote sind diejenigen, die Jesus benennt, als er nach dem höchsten aller Gebote, derer es schon zu seiner Zeit viele gab, gefragt wird.

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. (…) Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matthäus 22,37-39)

Eigentlich etwas, das jedem von uns bekannt ist, das alle mehr oder weniger anstreben, und doch wird der eine oder der andere Aspekt häufig „vergessen“. Da gibt es die Menschen, die eine enge Gottesbeziehung pflegen und sich für andere aufopfern, sich selbst darüber aber vergessen. Da gibt es Menschen, die zwar ein offenes Ohr und wache Augen für ihre Mitmenschen haben, auch sich selbst nicht aus dem Blick verlieren, diese Lebensweise aber quasi im luftleeren Raum vollziehen und sich nicht an Gott „festmachen“. Da gibt es Menschen, die sehr gut für sich selbst sorgen, aber für sonst nichts.

Und es gibt Menschen, die die Idee des „social freezing“ – durch den Arbeitgeber finanziert – vorantreiben.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 29. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Blutsbrüder zu sein, Blutsbrüder wie Winnetou und Old Shatterhand, das war mehr als Freundschaft. Blutsbrüder standen mit dem Leben füreinander ein. Sie waren nicht nur eines Sinnes und Geistes; sie waren eins. Über mehrere Tagesritte hinweg erahnten sie nicht nur, dass der andere in Gefahr war; sie spürten es geradezu am eigenen Leib. Der eine war der andere. Raum und Zeit waren nicht in der Lage, sie zu trennen. Auch der Tod vermochte das nicht, als der Häuptling der Apachen in den Armen des Mannes mit der sicheren Hand starb und dabei die letzten Worte haucht:

Schar-lih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!

Schar-lih, wie Winnetou Old Shatterhand nennt, hatte seinen missionarischen Auftrag als Christ erfüllt. Er hatte dem Häuptling der Apachen den Sohn des guten Manitou verkündet. Wer, wie Schar-lih, vulgo: Old Shatterhand, in Christus den Urgrund des Lebens erkannt hatte, kann da gar nicht anders. Als Blutsbruder war das für ihn wohl selbstverständlich

Keinesfalls aber ist es selbstverständlich, Blutsbruder zu werden. Die Blutsbrüderschaft muss errungen, ja erkämpft werden. Manchmal ist das gar ein Kampf um Leben und Tod. Die Loyalität der Blutsbrüder hat hier ihren Grund. Sie ist erprobt, errungen, gehärtet an Rivalität des Lebens. Wer nicht nur auf die Worte des anderen hört, sondern ihm sein Leben anvertraut und mit seinem Blut für ihn einsteht, der muss den anderen bis in die Tiefe hinein kennen lernen. Nicht das Wort „Bruder“ zählt, sondern das Leben in der Hand des anderen, während man sein Leben selbst in Händen hält. Blutsbrüder sind nicht selbstfixiert; sie leiden und leben im anderen. Deshalb sind Blutsbrüder die Guten, sie suchen das Gute, sie tun das Gute. Der Blutsbruder kennt keine Falschheit, keinen Betrug.

Wie anders stellen sich die Bruderschaften dar, von denen die Bibel erzählt: Kain und Abel, Jakob und Esau, Josef und seine elf Brüder – sie alle sind zwar dem Blut nach verwandt, aber sie suchen den eigenen Vorteil. Mord, Betrug und Verrat sind die Mittel, um die eigenen Ziele zu erreichen, Intrigen und Fallen ihre Methode. Wer solche Brüder hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr. Blut mag dicker als Wasser sein, wahre Blutsbrüder werden sie nie werden.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 26 Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Ja! Die meisten sagen aus vollem Herzen und tiefer Überzeugung „Ja!“ wenn sie vor dem Altar stehen und sich gegenseitig Liebe, Achtung und Ehre versprechen in den guten und den schlechten Tagen, bis der Tod allein dem gemeinsamen Weg ein Ende setzt.

Wer in der heutigen Zeit Hochzeiten beobachtet, kann mehr denn je diese Sehnsucht nach Ewigkeit erahnen. Man heiratet nicht einfach. Man inszeniert die Ehe. Selbst die standesamtliche Hochzeit ist mehr als der bloße Wechsel in eine günstigere Steuergruppe. Vor dem Rathaus werden aus Betttüchern Herzen geschnitten, weiße Tauben steigen in die Luft und die Brautsträuße werden unter großem Gejohle geworfen, auf dass die Nächste den Mann fürs Leben findet. Wer heiratet, denkt am Tag der Hochzeit nicht an das mögliche Scheitern. Wer heiratet, gibt kein Versprechen auf Zeit. Wer heiratet, ist sich in der Regel vor dem Tisch des Standesbeamten sicher, dass das Versprechen, das hier gegeben wird, halten wird. Um wieviel mehr aber gilt das, was für den weltlichen Bereich gilt, auch für das Versprechen vor Gott.

Man mag sich über den Hype wundern, der heutzutage um die Hochzeit gemacht wird. Eine ganze Industrie ist um diesen vermeintlich schönsten Tag des Lebens entstanden. Man muss sich nur einmal vor das Standesamt setzen, wenn dort im 20-Minuten-Tag geheiratet wird. Die LKWs mit Stehtischen, Taubenkäfigen, Rosentoren und anderem Zierat kommen und fahren nacheinander weg; und jedes Paar inszeniert die  Einzigartigkeit seiner Liebe. Das ist so romantisch, dass der Verstand bisweilen auf der Strecke bleibt. Das rosarote Hochgefühl dieses einen Tages überstrahlt mit intensiver Süße das drohende bittere Grau der kommenden Alltage. Was soll schon auf den schönsten Tag des Lebens folgen, wenn nicht ein steter Abstieg, denn das Schönste ist doch gerade vergangen?

Die Erwartungen an die Ehe sind heute anders als noch vor wenigen Jahrzehnten. Heutzutage ist die Eheschließung ein Höhepunkt im Zusammenleben vieler Paare; früher war es der Beginn des Zusammenlebens. Das spiegelt sich auch in der kirchlichen Ehevorbereitung wider. Frühere Ehevorbereitungskurse unterrichteten geradezu die Führung des Haushaltes und die gegenseitigen „Rechte und Pflichten“ der Eheleute; heutige Ehevorbereitungskurse der Kirche gleichen eher Events, wenn man im gemeinsamen Kanufahren, Steilwandklettern oder erotischem Kochen den besonderen Kick der Partnerschaft herauskitzeln möchte. Dann geht es um Teamarbeit, vielleicht auch um Konfliktbewältigung. Ein großer Unterschied zu manchem Seminar für gelangweilte Manager, bei dem man nicht weiß, worin eigentlich der Ertrag für die kommenden Aufgaben liegt, ist jedenfalls nicht erkennbar.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Die Täuschung des Zustandes absoluter Freiheit genießt der Mensch nur wenige Jahre. Die Entdeckung der eigenen Möglichkeiten, die Freiheit von Verantwortung, die Erkenntnis des eigenen Selbst – all das wird den weiteren Lebensweg prägen, zum Guten wie zum Schlechten. Denn nicht jeder erlebt diese Illusion eigener Mächtigkeit; für nicht wenige wird diese Zeit eine Zeit der schlechten Erinnerungen, der Ohnmacht und des Versagens sein. Trotzdem wird diese Zeit oft glorifiziert, diese Zeit der Jugend, in der alles möglich schien und der ungeliebte Schutz der Eltern einen Raum der Sicherheit gewährte, die den Schein der Freiheit erst ermöglichte.

Soziologische Studien versuchen den Zeitraum der Jugend immer wieder neu zu definieren. Oft wird der Definition der Faktor wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Elternhaus zugrunde gelegt. Dann kann es schon einmal sein, dass die Jugend erst mit 29 Jahren oder später endet. Faktisch aber wird man sagen müssen, dass die Jugend im Sinne der Individuation, also der Selbstfindung, meist mit dem Ende der Schulzeit zusammen fällt. Der Beginn eines Ausbildung oder eines Studiums, früher auch der Wehr- oder Zivildienst, setzen der vermeintlichen Freiheit nicht nur ein jähes Ende; häufig ist er auch mit einem Wechsel der Beziehungen verbunden. Die alten Freundschaften der Jugend lösen sich auf, weil die Bezugsgruppen sich ändern. An die Stelle der Schulklasse tritt das universitäre Seminar, an die Stelle der Jugendgruppe der Ausbildungsgang. Neue Leute werden wichtig. Auch Mobilität ist angesagt, denn wer fortkommen will, muss flexibel sein. Die Geburtsstadt wird zum Ort der Erinnerung in einer Zeit, in der man der Erwerbstätigkeit folgend an neuen Orten Wohnsitz nimmt.

Die Jugendzeit dürfte also jenseits aller berechtigten soziologischen und psychologischen Definitionen in Zeiten des G8-Abiturs mit etwa 18 Jahren beendet sein. Faktisch dauert das scheinbare Freiheitserleben damit wohl nicht mehr als 3-4 Jahre an – 3-4 Jahre, die prägend für das weitere Leben sein werden. Später wird man sich an diese kleine Lebensspanne intensiver Emotionen mit Wehmut erinnern – als wenn nach 3-4 Jahren das Leben vorbei wäre. Es gibt deshalb kaum eine Institution oder Vereinigung, die nicht ihr zukünftiges Heil in der Jugendarbeit sieht. Kirche und Parteien, Gewerkschaften und Umweltschutzorganisationen, Sportvereine und Hilfsdienste – alle sind bestrebt, die Jugend zu erreichen. Die Etats der Jugendarbeit sind oft so gut ausgestattet, dass man den Eindruck gewinnen könnte, danach käme nichts mehr.


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 22. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Es gibt Legenden, die halten sich hartnäckig, obwohl ihnen jede Grundlage fehlt. Die standhafte Wiederholung und redundante Behauptung schafft eine Wirklichkeit, die es gar nicht gibt. Im Mittelalter war es die Behauptung der sogenannten Konstantinische Schenkung. Mit dieser Legende, die auf einer nachweislich um das Jahr 800 n.Chr. gefälschten Urkunde beruhte, behaupteten die Päpste ihren Anspruch auf das gesamte ehemalige weströmische Reich. Die notorisch behauptete Echtheit hatte tiefgreifende politische Folgen; den Investiturstreit, die weltliche Macht der Päpste, aber auch die sixtinische Kapelle – es hätte sie ohne dieses Constitutum Constantini, die vermeintliche Schenkungsurkunde nicht gegeben.

Ähnlich verhält es sich mit einem Brief, der im 12. Jahrhundert auftauchte. Er sollte angeblich der Feder des Priesterkönigs Johannes entstammen – einer mythischen Figur, die angeblich als Regent ein großes christliches Reich in Ostasien beherrscht haben soll. Dieser Brief, der ebenfalls als Fälschung enttarnt wurde, war bis in das 17. Jahrhundert hinein entscheidend für mehrfache Expansionsversuche des christlichen Abendlandes nach Osten.

Ende des 19. Jahrhunderts war es ein weiterer Schwindel, der – obschon er relativ schnell aufgedeckt wurde – verheerende Folgen für das gesellschaftliche und friedliche Zusammenleben in Europa hatte. Ein gewisser Léo Taxil bezichtigte die Freimaurerei nicht nur satanischer Riten. Zusammen mit den ebenfalls als Fälschung entlarvten Protokollen der Weisen vom Zion, die den Juden eine Verschwörung zum Zwecke der Weltherrschaft unterstellten, wurde eine tiefgreifende Angst vor einer neuen, unüberschaubaren Weltordnung geschürt. Die kruden Behauptungen dieser Intrigen zeitigten – obschon schnell ihre Falschheit enthüllt wurde – menschenverachtende Folgen; sie bildeten auch ein Fundament der nationalsozialistischen Ideologie, die das Ziel der Ausrottung der vermeintlichen Verschwörer verfolgte und ihre furchtbare Konsequenz in Auschwitz fand.

Das sind nur drei Beispiele von Legenden, die – obwohl ihnen jede faktische Grundlage fehlt – immense Konsequenzen für Geschichte und Gesellschaft gezeitigt haben. Man fragt sich unwillkürlich, wie es dazu kommen konnte, dass Menschen in Massen auf diese Fiktionen und Fälschungen hereinfallen konnten. Ein Grund liegt sicher in der Präsentation der Behauptungen. Sie wurden in Form emotionaler Geschichten erzählt. Dabei hatten diese Fiktionen – wie der italienische Semiotiker Umberto Eco feststellt – einen Vorteil:


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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 19. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Das Auge gehört sicher zu den komplexesten Organen, die die Evolution hervorgebracht hat. Die Komplexität dieses Organs, die Umwandlung photonisch-physikalischer Impulse in elektrische Signale, die das Gehirn als Bilder wahrnimmt, ist für sich genommen schon eine Herausforderung. Der Mensch ist zwar in der Lage, die optischen Signale als solches in Film und Foto zu fixieren. Die vitale Qualität des Reiz-Reaktions-Schemas und die menschliche Fähigkeit, die optischen Reize mit Bedeutung zu versehen, ist bisher nicht künstlich zu reproduzieren. Nicht selten ist es daher gerade die Komplexität des Auges, die angesichts dieses Meisterwerkes der Evolution vor die Frage führt, ob ein solches Organ wirklich nur ein Produkt des Zufalls sein kann.

Das Auge versetzt den Menschen in die Lage, die Farben und Formen der Welt wahrzunehmen. Er erkennt die Vielfalt und Buntheit der Welt, in der er seinen Platz finden muss. Sehen und Erkennen werden nicht umsonst in der deutschen Sprache synonym verwendet. Allein der Aspekt des Erkennens zeigt schon, dass „Sehen“ nicht nur ein optisches Phänomen ist. Man muss nicht physikalisch sehen können, um Erkenntnis über die Vielfalt der Welt zu erlangen.

Um so erstaunlicher ist es, dass viele Menschen – nicht nur in der Gegenwart – offenkundig nur zu einem Denken in Schwarz-Weiß-Mustern in der Lage sind. Grauabstufungen und Buntheit sind wohl zu komplex und überfordern das eigene, selbstgestrickte Weltbild. Eine Welt, die in Freunde und Feinde aufgeteilt ist, ist leichter zu beherrschen als eine differenzierte Welt, in der man seinen eigenen Standpunkt immer wieder selbst in Frage stellen muss. Eine bunte Welt fordert intensive Kommunikationen, ständige neue Selbstvergewisserungen, weil nichts so scheint, wie es eben noch aussah. Eine bunte Welt fordert ständige Evolution, Weiterentwicklung des Selbst. Das ist anstrengend und herausfordernd. Manch einer möchte da doch lieber weiter bei seinen einfachen Denkmustern bleiben.


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kath 2:30 Dies DominiDie israelische Identität und die Unabhängigkeitserklärung
von Till Magnus Steiner

Welcher Religion jemand angehört, definiert in Israel, vielleicht mehr noch als in anderen Ländern, die Identität einer Person – und die Religion der Mitglieder der Gesellschaft definiert die Identität des Staates. In der israelischen Gesellschaft wird immer wieder heftig darüber diskutiert, ob Israel ein jüdischer Staat ist bzw. sein soll und was in diesem Falle das Adjektiv „jüdisch“ überhaupt bedeute. Nicht jeder Israeli ist Jude und nicht jeder Jude ist Israeli. Das Judentum ist sowohl eine Religion als auch ein Volk und das Adjektiv „jüdisch“ bezeichnet sowohl eine Religionszugehörigkeit als auch eine Volkszugehörigkeit – ein israelischer Freund von mir bezeichnet sich selbst als atheistischer Jude und sieht darin keinen Widerspruch. Aber das Adjektiv „jüdisch“ stellt für den Staat Israel seit der Staatsgründung notwendigerweise eine Herausforderung dar.

Die Unabhängigkeitserklärung Israels vom 14. Mai 1948 beginnt mit der klaren historischen Aussage: „Im Land Israel entstand das jüdische Volk“ – und der gesamte folgende Text rekurriert auf die Geschichte des Judentums. Aber über die Frage, ob in der Unabhängigkeitserklärung Gott genannt werden darf bzw. ob ein Gottesbezug Bestandteil des Dokuments sein soll, entbrannte ein heftiger Streit. Die religiösen Vertreter bestanden darauf, dass Gott in dem Dokument zumindest erwähnt wird, während die sozialistisch-säkularen Vertreter strikt dagegen waren. Ahron Zisling, ein Vertreter der linken Arbeiterpartei, sagte sehr deutlich: „Ich kann kein Dokument unterschreiben, dass sich in irgendeiner Art auf einen Gott bezieht, an den ich nicht glaube!“ Der Streit zwischen den beiden Lagern wurde durch einen Kompromißvorschlag gelöst. Man einigte sich auf die Bezeichnung „Fels Israels“ und formulierte den Beginn des Abschlußparagraphen folgendermaßen: „Mit Zuversicht auf den Fels Israels setzen wir unsere Namen zum Zeugnis unter diese Erklärung, […]“. Zwar nahm man damit die traditionelle und biblische Sprache des Judentums auf, aber zugleich verblieb man in einer Bildsprache, die vom Leser selbst entschlüsselt und mit Sinn gefüllt werden muss.


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kath 2:30 Auf ein Wort LogoSie saßen hinter verschlossenen Türen. Entscheidungen standen bevor. Von außen besehen herrschte Einmütigkeit; drinnen hingegen gespannte, vielleicht ängstliche Erwartung vor der großen Aufgabe. Nichts drang nach außen. Nichts sollte nach außen dringen. Wer weiß schon, was geschehen würde, wenn die Welt wüsste, worum es wirklich geht?

Nein, das ist nicht die in vielen Leserbriefen beschworene vermeintliche Haltung Wuppertaler Entscheidungsträgerinnen und –träger. Es ist die Situation, in der sich nach der Apostelgeschichte die Jünger nach der Himmelfahrt Christi befanden. Ihnen fehlte einfach noch der Mut zur offenen Auseinandersetzung.

Der Aufbruch kommt mit dem Pfingstfest. Eine plötzliche Begeisterung erfasst die eben noch Verschlossenen. Sie brechen auf. Im wahrsten Sinn des Wortes brechen sie Türen auf. Sie gehen in die Öffentlichkeit und bekennen öffentlich ihre Überzeugung. Viele begeistern sie mit ihrem Auftreten; bei vielen stoßen sie aber auch auf Widerstand. Wer öfffentlich redet, muss mit Gegenwind rechnen. Aber nur so kann die eigene Ansicht und die eigene Meinung zur Wahrheit reifen. Der Irrtum treibt hinter verschlossenen Türen seine eigenen Blüten.


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