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kath 2:30 Dies DominiIn den Farben getrennt, in der Sache vereint … wenn es um Fragen geht, die noch wichtiger sind als die schönste Nebensache der Welt, treten sogar im Fußball jene Rivalitäten in den Hintergrund, die dem Spiel die eigentliche Würze geben. Es wäre dem Spiel höchst abträglich, wenn die gegnerischen Mannschaften sich gegenseitig höflich die Tür zum Tor aufhielten. Auch die Stimmung im Stadion lebt von der Konkurrenz. Wenn es aber um die Existenz geht, Leib, Leben und Freiheit, tritt die Rivalität in den Hintergrund. Die Farben trennen weiterhin, der Respekt vor dem Leben aber gebietet Einheit in der Sache.

Wuppertal hat in der vergangenen Woche ein eindrückliches Zeichen für den Respekt des Lebens, der Freiheit und Demokratie gesetzt. Ganze zwei Demonstrationen wendeten sich angesichts der Enthüllungen eines Geheimplanes rechtsextremer AfD-Anhänger und Neonazis, die das Recherchenetzwerk „Correctiv“ veröffentlicht hatte, gegen antisemitische, rechtsnationale und rassistische Umtriebe. Eindrucksvoll war vor allem die Demonstration mit geschätzt 10.000 Teilnehmern, zu der das Aktionsbündnis „Wuppertal stellt sich quer“ aufgerufen hatte. An der Kundgebung des „Runden Tisches gegen Extremismus“ hatten immerhin 500 Menschen teilgenommen. Es schadet sicher überhaupt nicht, dass es zwei Demonstrationen zu einem Thema gab, dass existentiell für die Demokratie gab. Es steht sogar zu hoffen, dass es nicht bei diesen zwei Kundgebungen bleibt. Was irritiert, ist die Tatsache, dass es beiden Bündnissen nicht gelungen ist, trotz aller Differenzen zu einem einheitlichen Aufruf für die wichtige Sache zusammen zu finden. Nicht ohne Grund mahnt der Weisheitslehrer Jesus von Nazareth:

„Jedes Reich, das in sich gespalten ist, wird veröden und eine Stadt und eine Familie, die in sich gespalten ist, wird keinen Bestand haben.“ (Mt 12,25)

Der politische Streit ist auch in seiner rhetorischen Schärfe durchaus wichtig, ja, in einer Demokratie sogar notwendig. Für die Existenz genau dieser Demokratie wäre aber eine Einheit in der Sache noch wichtiger gewesen … in den Farben getrennt, in der Sache vereint. Was glauben Sie denn?

Am 27. Januar 2024 jährt sich zum 79. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz. Die lebensverachtende Ideologie der Nationalsozialisten fand hier mit der bürokratisch und industriell durchgeplanten Tötungsmaschinerie ihren menschenverachtenden Ausdruck, die nicht nur 6 Millionen Juden, sondern auch tausenden Sinti und Roma, Homosexuellen und anderen Menschen, die nicht in das Bild vom „Herrenmenschen“ passten, das Leben kostete. So viel Leben, das einfach vernichtet wurde, soviel Hoffnung, die zerstört wurde, soviel Tod. Genau diese Kultur des Todes treibt auch heute noch die um, die Angst vor der Macht und Vielfalt des Lebens haben. Sie stören sich an dem, was anders ist. Deshalb wollen sie es weg haben – egal wie, einfach weg. Deshalb machen sie wieder Pläne. Die Anfänge sind schon gemacht. Deshalb kann man nicht schweigen. Um des Lebens willen darf man nicht schweigen!

Es reicht sicher nicht, einmal gegen die rechten Umtriebe auf die Straße zu gehen. Vielleicht reicht es sogar nicht, immer wieder auf die Straße zu gehen. Die Angst vor den Blockwarten verhinderte für gut 80 Jahren, den Nachbarn zu schützen. Um der Toten von Ausschwitz willen, darf genau das nicht wieder passieren. Es fängt in der Nachbarschaft an. Schon hier darf man nicht schweigen und wegsehen, wenn die Saat des Rassismus und des Antisemitismus gesät wird. Wenn das Unkraut einmal wächst, wird es schwer sein, es auszureißen.

Eine jüdische Weisheit lautet:

„Das Vergessenwollen verlängert das Exil – das Geheimnis der Erlösung lautet Erinnerung“.

Die Toten von Ausschwitz mahnen die Lebenden heute: Achtet des Leben! Wählt das Leben (vgl. Dtn 30,19)! Steht gegen die auf, das Leben verachten – im Großen, wie im Kleinen! Schweigt nicht! Streitet, wenn es notwendig ist! Aber seid eins in der Achtung für das Leben und die Freiheit! Seid in den Farben getrennt, aber in der Herzenssache des Lebens vereint!

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 26. Januar 2024.

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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