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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 14. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A

Die Folgen sind verheerend. Das menschliche Streben nach Selbstbestimmung, die Leugnung jedweder Selbstrelativierung, das menschliche Sinnen und Trachten, das eigene Wünschen für das Wohl der Welt zu halten, zeitigt letztlich immer Folgen, die der Mensch an sich kaum oder gar nicht beherrschen kann. Den Folgen seiner schöpferischen Entscheidungen ausgeliefert spürt selbst manch Vernunftstolzer plötzlich den Stoß zum Gebet. Klagend ruft er dann nach einem Gott, der eingreifen soll: Wieso, Gott, lässt Du das zu? Wo bist Du jetzt, Gott?

Chaos ist nur allzu oft das, was herauskommt, wenn der Mensch sich in seinem schöpferischen Streben nicht selbst relativiert. Er wähnt sich dann als Mittelpunkt der Welt. Sein Standpunkt ist exklusiv. Aus dieser Exklusivität heraus betrachtet er die Welt, hin und wieder auch Gott. Seine Sicht der Dinge ist die allein gültige. Dieser Mensch allein entscheidet zwischen Gut und Böse, Wohl und Wehe, bisweilen sogar zwischen Leben und Tod. Wer nicht für ihn ist, wird verurteilt, entwürdigt, entwertet. Spiegel liebt er nicht, dieser Mensch, denn er würde eine Fratze erblicken, die nicht dem Bild entspricht, das er von sich selbst hat. Lieber definiert er selbst die Regeln. Einer seiner Lieblingssätze aber lautet: „Das hat alles nichts zu tun mit …“.

„Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ – hört man, wenn sich selbsternannte Gotteskrieger Allahu akhbar schreiend im Auftrag eines sogenannten „Islamischen Staates“ in die Luft sprengen. Dem gleichen Reflex folgt auch die Reaktion eher links im politischen Spektrum stehender Politikerinnen und Politik, die angesichts der Gewalt linksautonomer Gruppen in der Hamburger Krawallnacht vom 7. Juli 2017 schnell in die Tastaturen Ihrer Smartphones tippen:

„Anständige Linke hatten noch nie was mit Gewalttätern gemein. Bei Rechten gehört Gewalt dagegen zur politischen DNA.“ (Quelle: Twitter @Ralf Stegner vom 8.7.2017 – https://twitter.com/Ralf_Stegner/status/883691739600564226 [Stand: 8.7.2017])

Der Distanzreflex gleicht einem Bauernopfer, mit dem man die Auseinandersetzung mit den eigenen Verflechtungen und Netzwerken als ungerechtfertigt erscheinen lassen möchte. Eine andere Spielart ist die Whataboutism-Variante, mit der man das eigene Verhalten dadurch rechtfertigt, das andere ja auch so handeln. Die kritische Aufarbeitung problematischer Ansätze in der eigenen Gruppe oder Partei werden dann damit beantwortet, dass man selbst doch schon Opfer eben jener Haltungen anderer Gruppierungen geworden sei.

Beide Varianten erscheinen bei näherem Hinsehen einigermaßen infantil. Das „Wie-du-mir-so-ich-dir“-Schema kann in jedem Sandkasten beobachtet werden, in dem aus nichtigem Anlass ein Streit unter Kindern entsteht, der schließlich dazu führt, dass Mütter und Väter schreiend über den Spielplatz rennen und sich ganze Familien unüberbrückbar zerstreiten. Das alttestamentarische Talionsprinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wird immer wieder gründlich missverstanden, denn es bietet nicht Anlass zu Eskalation, sondern begrenzt sie eigentlich. Ein Sandschüppchen im Sandkasten ist ein Sandschüppchen. Ein praktischer Hinweis auf praktizierte Nächsten- und, wenn es sein muss, auch die Feindesliebe (nicht jeder muss ja den Spielnachbar mögen), hätte den familiären Kampf verhindern können. Ein Zahn ist schließlich ein Zahn. Wenn dafür ein Auge genommen wird – wo soll das enden?

Wer aber im Sand mit dem Schüppchen zu graben anfängt, wird manch eine und manch einen Finden, der dort seinen Kopf hineingesteckt hat, um den Konsequenzen, die jetzt angezeigt wären, aus dem Weg zu gehen. Sprecher muslimischer Verbände sitzen in diesen Tagen da ebenso wie manche links der Mitte zu verortenden Politikerinnen und Politiker. Man erledigt die drängenden Fragen einfach damit, indem man definiert, was mit einem zu tun hat und was nicht. Schuld sind dann sowieso immer die anderen: Der Westen, die Polizei, der politische Gegner – es findet sich immer einer, auf dem man mit dem Finger zeigen kann.

Der Platz im Mittelpunkt der Welt ist bequem. Er wandert mit. Mag der Denkhorizont auch noch so eng sein – im Mittelpunkt der eigenen Welt stehend ist sich jede und jeder selbst Herr und Herrin der Welt, die er sich erschafft. So wird man seiner eigenen Welt Schöpferin und Schöpfer. Wer diese Welt in Frage stellt, kann nur des Teufels sein!

Die Abwertung der Gegner ist Programm. Es reicht ja, dass er Gegner ist, was braucht es da Argumente? Es reicht doch, dass sie nicht so ist, wie man selbst, was lohnt da überhaupt die Auseinandersetzung? Wahrheit ist, was der Mensch im Mittelpunkt der Welt sagt. Gott braucht er – wenn überhaupt – nur, wenn sein eigenes Polster anfängt zu brennen …

Gott wird auf diese Weise selbst von denen ins Sein gerufen, die sonst ohne ihn auskommen glauben. Man kann lange darüber streiten, ob Gott ist oder nicht. Für den Menschen im Mittelpunkt der selbsterschaffenen Welt ist er in jedem Fall ein Störenfried, den man am besten ignoriert. Manche Gottesleugner ignorieren ihn zweifelsohne so laut, dass man sich fragt, wen sie denn da bekämpfen, wenn sie doch behaupten, er sei gar nicht. Offenkundig ist die Suche nach Halt in Zustimmung wie in Ablehnung lebensnotwendig. Der Mensch im Mittelpunkt der selbsterschaffenen Welt hat keinen objektiven Punkt, an dem er sich orientieren kann. Er hat sich ja selbst zum Maß aller Dinge gemacht und kommt so ins Wanken. Da kann ein Gott, dessen Sein man leugnet, schon hilfreich sein. Immerhin weiß man ja dann, wogegen man ist.

Unabhängig von der Frage, ob Gott nun ist oder nicht – er gibt Orientierung und Halt. In der Auseinandersetzung mit Gott findet der Mensch sein eigentliches Maß. Er rückt aus der Mitte der Welt hinaus. Er wird, was er zu allererst ist: Geschöpf. Daran erinnert auch der Prophet Sacharja in der ersten Lesung vom 14. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A:

Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Sacharja 9,9

Gott ist der eigentliche Fixpunkt. Er ist der König. Er kommt jetzt. Er kommt, das legt der Kontext nahe, um Recht und Ordnung, vor allem aber, um Frieden angesichts der Bedrohung durch die Nachbarvölker zu schaffen. Das ist Anlass für Jubel und Jauchzen, denn Gott hilft!

Bemerkenswert ist freilich, wie sehr das Königsein Gottes selbst konterkariert wird. Gott sei demütig und reitet auf einem jungen Esel. Das scheint so gar nicht königlich zu sein. Letztlich aber hält es einem hochmütigen Volk den Spiegel vor. Man wollte doch selbst Herr des eigenen Geschicks sein. Man brauchte Gott doch nicht. Statt aber nun mit hämischer Schadenfreude zu reagieren, zeigt Gott sein wahres Gesicht: Demut und frei von Eitelkeit.

Wie anders aber ist der Mensch im Mittelpunkt seiner Welt. Vom hohen Ross schaut er herablassend auf die Andersdenkenden herab und gibt sie heuchlerisch der Lächerlichkeit preis. Erschrocken vor den Auswüchsen der Geister, die er gerufen hat, wäscht er seine Hände in Unschuld – die linke wie die rechte, die fromme wie die lehrende. Whatabout? Was haben wir mit denen da zu schaffen? Der Selbstverrat kennt keine Grenzen. Auch Dummheit ist oft grenzenlos. Die Weisheit hingegen weiß um ihre eigenen Beschränkungen.

Der demütige König hingegen schafft Gerechtigkeit – aber wie?

Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde. Sacharja 9,10

Gott ist kein Krieger. Wenn er aber in den Krieg muss, vernichtet er den Kriegsbogen. Er vernichtet die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem. Er vernichtet nicht die Gegner Israels. Er nimmt seinem Volk die Waffen aus der Hand.

Wer Frieden will, muss bei sich anfangen. Da in dieser Welt alles mit allem zusammenhängt, geht alles jeden und jede an. Wer hier nur mit dem Finger auf die anderen zeigt und wie ein Kind nörgelt, die anderen hätten doch angefangen, unterscheidet sich im intellektuellen Reifegrad in nichts von denen, die behände reagieren, wenn der eigene weltanschauliche Hintergrund befleckt werden könnte, und behaupten, dass alles hätte nichts mit dem zu tun, wie sie die Welt sehen. So fliegen weiter Steine, werden Bomben gezündet und wird die Spirale der Verflechtung von Blödheit und Gewalt beschleunigt.

Die Kinder im Sandkasten spielen irgendwann wieder, während am Rand die Fäuste fliegen. Manchmal kann man wirklich nur beten: O Gott, ist das wirklich das Ebenbild, das du dir erschaffen wolltest? Auch die Evolution hat wohl ihre Tücken. Es wird Zeit, dass die Krone der Schöpfung wieder auf ihren Platz verwiesen wird. Der Thron des Demütigen ist kein guter Platz für Hochnasen.

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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