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kath 2:30 Dies DominiDer aufgeklärte Mensch der Gegenwart glaubt nichts mehr. Er hat sich aus der selbstgewählten Unmündigkeit befreit. Gott sei Dank! Aber halt: Man sollte vorsichtig mit Stoßgebeten sein. Schließlich ist der vernunftstolze Mensch seine Zweifel los. Zweifellos braucht man Gott nicht mehr. Was glauben Sie denn?

Glaube und Metaphysik haben offenkundig ausgedient. Das Prinzip von Ursache und Wirkung genügt den der Selbstentmündigung Entronnenen, um zu glauben, sie wüssten nun, was die Welt im Innersten zusammenhält. Toren aber bleiben sie vor der Frage, was denn die Ursache der Erstursache, die allgemein als „Urknall“ bezeichnet wird. Man lässt sie mit dem Hinweis einfach links liegen, darüber wisse man eben nichts. Was aber hinter der Physik liegt, heißt griechisch: Metaphysik.

Metaphysik und Theologie bewegen sich auf einer anderen Ebene als die Naturwissenschaften. Sie widersprechen sich nicht prinzipiell, sondern könnten sich gegenseitig erhellen. Des Pudels Kern tritt zutage, wenn eine der beiden Ebenen exklusiv bevorzugt wird. Theologen, die behaupten, die Bibel stünde über den Erkenntnissen der Naturwissenschaften, erkennen die Schönheit der Schöpfungsidee Gottes ebenso wenig wie seine wahre Größe, von der sie offenbar glauben, dass alles, was Gott ausmacht, zwischen zwei Buchdeckel passt. Gott ist größer! Da genügt alleine schon ein Blick in das Buch Hiob, wenn sich derselbe mit Gott rechtend von dem Getadelten spöttische Fragen gefallen lassen muss:

„Wo warst du, als ich die Erde gegründet? Sag es denn, wenn du Bescheid weißt! Wer setzte ihre Maße? Du weißt es ja.“ (Hiob 38,1f)

Umgekehrt findet jede Naturwissenschaft ihre natürliche Grenze in der messbaren Welt. Alles, was dahinter oder dazwischen liegt, entzieht sich ihrem Zugriff – und das ist mindestens in den als Planck-Zeit oder -Raum kleinsten messbaren Einheiten der Fall, unterhalb denen nichts mehr gemessen werden kann. Selbst der Urknall ist aus diesem Grund nicht sicher messbar. Den muss man dann einfach glauben …

Trotzdem brauchen viele Gott nicht mehr. Sein Platz ist leer. So leer, dass in Krisenzeiten selbst Stoßgebete mit dem Hinweis zurückkommen, der Empfänger sei unbekannt verzogen. Typischerweise kompensiert der Mensch solche Verlusterfahrungen flexibel und rasch. An die Stelle leuchtender Kerzenständer tritt das leere Regal im Supermarkt, wo noch vor wenigen Tagen Mengen von Klopapier auf den vom ewigen Karma vorbestimmten Gebrauch warteten. Wozu um Himmels willen, brauchen Menschen so viel Klopapier?

Corona heißt der Grund – ein lateinisches Wort, das „Krone“ bedeutet. Dieses Kronenvirus jagt der Krone der Schöpfung so viel Angst ein, dass Klopapier als Heilmittel die erste Wahl zu sein scheint. Klar, wenn man Schiss hat …

In Zeiten wie diesen wäre es freilich äußerst hilfreich, wenn Theologie und Naturwissenschaft das alte aristotelische Bündnis wiederherstellten. Beten alleine hilft nicht; naturwissenschaftliche Erkenntnis und medizinische Aufklärung werden der irrationalen Angst auch nicht Herr. Gottvertraute Gelassenheit und handfeste Hygiene – mit Verstand ist beides offenkundig notwendig. Oder, um es mit den Worten des biblischen Weisheitslehrers Jesus Sirach zusagen:

„Gib dem Arzt seinen Platz, denn auch ihn hat der Herr erschaffen! Er bleibe dir nicht fern, denn er ist notwendig!“ (Sirach 38,12)

Es ist wichtig und offenkundig auch gottgewollt, dem Rat der Ärzte zu folgen und vorübergehend auf soziale Kontakte auf das Notwendige zu beschränken, Abstand zu halten und Hygienemaßnahmen zu beachten. Also betet und wascht vorher und nachher ordentlich die Hände. Das könnte helfen, dem Virus das Krönchen zu entreißen.

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht in der WZ vom 13. März 2020

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

4 Kommentare

  1. Peters schrieb am 13. März 2020 um 22:39 :

    Georges Lemaitre hätte es heute genau so formuliert.

  2. Jürgen Peters schrieb am 13. März 2020 um 22:47 :

    Georges Lemaitre hätte es heute auch so geschrieben.

  3. Daniel Offermann schrieb am 23. März 2020 um 20:28 :

    Endlich, endlich wird er einmal klar genannt: der Unterschied zwischen Physik und Metaphysik! – als ob die ganzen Schmalspur-Atheisten („Glauben ist nicht Wissen“) wüssten, wovon sie redeten, wenn sie mit Trump-scher Selbstsicherheit behaupten: es sei alles mit Physik erklärbar!? Neulich las ich von einem neu erschienen Kinderbuch, in dem den armen Kindern erklärt wird, woher wir kommen und warum es uns gibt: wegen des Urknalls !?
    Physik, das sind Modelle, Experimente, die zu Aussagen führen, die man wiederholen müssen kann, sonst taugen sie nix. Den Urknall kann man nicht wiederholen, er ist und bleibt eine Hypothese, wenn auch eine sehr wahrscheinliche, aber streng genommen auch nicht falsifizierbar, und es gibt genügend andere Theorien über die Entstehung von Materie und Energie, Raum und Zeit – – aber doch nicht den wirklichen Grund unseres Lebens, warum es überhaupt etwas gibt und nicht nichts usw.
    Lieber Herr Dr. Kleine, ganz herzlichen Dank für diese klaren Gedanken! Bitte erinnern Sie noch recht häufig die geneigte WZ-Leserschaft an das Schul-Philosophie-Basiswissen, dass Metaphysik im Ursprung etwas anderes ist als Physik, und wenn dann eine Brücke geschlagen wird, sie immer nur von Seiten der Metaphysik aus gebaut werden kann. Das alte aristotelische Bündnis – vielleicht hätten Sie hier noch einen Nebensatz darauf verschwenden können. Und, womit ich mich wahrscheinlich nie anfreunden werde, ist das Von-oben-herab-Blicken des alttestamentarischen Gottes auf den armen Hiob, so nach dem Motto „stell dich nicht so an“. Gut, dass dieses Gottesbild überwunden ist.
    Herzliche Grüße,
    Daniel Offermann

    • Dr. Werner Kleine schrieb am 23. März 2020 um 20:58 :

      Lieber Herr Offermann, vielen Dank für den Kommentar. In der ursprünglichen Fassung hatte ich in der Tat einen Hinweis auf die aristotelischen Grundlagen. Der Platz ist in der WZ allerdings beschränkt – da musste ich kürzen, wollte den Begriff „aristotelisch“ aber auch nicht ganz fallen lassen. Ist halt ein Kompromiss – aber Sie haben Recht mit Ihrem Hinweis. Es wird sich vllt. eine Gelegenheit ergeben, da noch einmal darauf einzugehen.
      Bzgl. des Hiob bin ich nicht ganz so skeptisch. Ich halte das Buch Hiob für einen entscheidenden theologischen Fortschritt weg vom Tun-Ergehen-Zusammenhang, der ja durchbrochen wird – sicher: erzählerisch drastisch, aber mit Happy end ;-). Klar: das ist eine Weisheitserzählung. Unsere Erzählkultur heute würde das vllt. anders machen – obwohl manche Märchen vor dem Ende ja auch erst die Tiefen durchschreiten müssen. Alles in allem kann ich mit dem Buch Hiob einige anfangen. Und es ist nicht der Endpunkt des theologischen Denkens. Das geht ja weiter – bis heute und darüber hinaus.
      Auch Ihnen herzliche Grüße,
      Ihr Dr. Werner Kleine

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