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kath 2:30 Dies DominiDie Münder offen, der Himmel leer. Ihr Rabbi war am Kreuz gestorben, sie aber hatten die lebendige Gegenwart des Auferstandenen erfahren. Einige von ihnen waren in die Heimat in Galiläa zurückgekehrt, in den vertrauten Alltag als Fischer. Nun, 40 Tage nach den Ereignissen, sind sie wieder in Jerusalem. Zehn Tage noch bis zum Schawuot-Fest. An diesem fünfzigsten Tag nach Pesach erinnert das jüdische Volk den Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai. Gott schließt einen Bund mit seinem Volk:

„Wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein.“ (Ex 19,5)

Gott hatte bereits mit Noach und mit Abraham eine Bund geschlossen. Gott mutet den Menschen zu, in seinem Auftrag zu handeln. Als göttliches Ebenbild handelt er an Gottes statt in der Welt. Zum noachitischen Bund gehört die Zusage Gottes, die Welt nie wieder untergehen zu lassen. Der Mensch aber wird daran erinnert, dass der Bund Gottes

„allen lebenden Wesen, allen Wesen aus Fleisch auf der Erde“ (Gen 9,16)

gilt. Alles Lebendige steht unter Gottes Schutz. Alles! Was glauben Sie denn?

Im zweiten Bund nimmt Gott Abraham und seine Nachkommen in die Pflicht:

„Ich richte meinen Bund auf zwischen mir und dir und mit deinen Nachkommen nach dir, Generation um Generation, einen ewigen Bund: Für dich und deine Nachkommen nach dir werde ich Gott sein.“ (Gen 17,7)

Der Bund überschreitet nun das zeitlich begrenzte Leben der Einzelnen.

Im dritten Bund wird nun am Sinai ein ganzes Volk beauftragt. Die Israeliten werden an den Urheber seiner Existenz erinnert, aber auch daran, dass sie als Ebenbild an der Stelle des Schöpfers handeln. Deshalb sollen sie wie er am Sabbat ruhen und so den Sabbat und das Leben heiligen (Ex 20,9-11). Deutlicher kann Gott es kaum machen, welche Würde er dem Menschen damit gibt, aber auch welche Verantwortung: Der Mensch wirkt an Gottes Stelle in und an der Schöpfung mit. Er soll deshalb das Leben schützen, die Welt hegen, die Schöpfung pflegen. Dazu schließt Gott zuerst mit Noah, dann mit Abraham, schließlich mit seinem Volk – einen Vertrag, der Regeln hat. Der Bund wird stetig erweitert. Mit den Zehn Geboten erhält Israel eine Art Grundgesetz.

Christen erkennen in Kreuzestod und Auferstehung Jesu einen vierten Bundesschluss. Weil Jesus nach der Thora wie ein Gottverlassener stirbt (vgl. Dtn 21,23), Gott ihn aber trotzdem rettet, wird das von frühen Judenchristen in Antiochia als Zeichen einer neuerlichen Erweiterung des Bundes Gottes, der jetzt nicht nur einem Volk, sondern allen Menschen guten Willens gilt, die sich zu dem einen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bekennen, von dem Christen bekennen, dass er den Gekreuzigten auferweckt. Diese frohe Botschaft muss verkündet werden. Während sie mit offenen Mündern noch zum leeren Himmel starren, wo es nichts mehr zu sehen gibt, beginnt der Auftrag:

„Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8)

hatten sie gerade noch gehört. Es ist keine Zeit mehr, fromme Luftschlösser zu bauen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben wohl in dieser Tradition im Art. 1 des Grundgesetzes grundlegend formuliert:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft gesetzt. Für glaubende Menschen, Juden wie Christen liegt die Würde des Menschen allein schon in seiner Gottebenbildlichkeit begründet. Für Nichtglaubende bildet sie das Grundaxiom einer nach Gerechtigkeit strebenden Gesellschaft. Bis die in Ordnung ist, ist für Glaubende wie Nichtglaubende einiges zu tun. Dazu gehört, die freie Religionsausübung zu gewährleisten (Art. 4,2 GG). Das bedeutet auch, dass religiöse Symbole und Zeichen in der Öffentlichkeit ohne Angst getragen werden können. Deshalb lädt die Solidargemeinschaft Wuppertal am 23.5., dem Verfassungstag, zum zweiten Mal zu einem Kippa-Tag ein. Der Bund zum Leben gilt weiter. Es ist an uns, ihm immer neu Gestalt zu geben.

Dr. Werner Kleine

Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 20. Mai 2023.

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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