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kath 2:30 Dies DominiDas Jesusbild, das viele Gläubige in sich tragen, ist nicht selten von Wunschvorstellungen geprägt. Er ist der Heiland, der gute Hirte, sanftmütig und reich an Güte. Man kann sich nicht vorstellen, dass er laut geworden wäre. Gut – bei der sogenannten Tempelreinigung – da war er richtig wütend. Aber das war ja nur, weil es das Haus seines Vaters war, das durch Handel und Geldwechsel missbraucht wurde. Das kann man verstehen, ist ein Gotteshaus doch ein Ort der Andacht. Aber sonst ist der Jesus ein lieber Mann.

Wer einem solchen Jesusbild anhängt, wird durch Texte, wie etwa dem Evangelium vom 23. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C (Lukas 14,25-33) irritiert, wenn nicht gar schockiert. Das kann doch nicht wahr sein, dass Jesus dazu aufruft,

„Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering“ (Lukas 14,26)

zu achten. Die Familie ist doch das Wichtigste. Selbst zölibatär Lebende, die doch um des Himmelreiches willen keusch leben und daher auf die Gründung einer eigenen Familie verzichten, lassen in der Regel vor allem auf die eigene Mutter nichts kommen. Die Familie ist doch die Keimzelle von Kirche und Gesellschaft. Es kann doch nicht sein, dass Jesus so etwas ernst meint!

Doch, er meint es ernst. Sehr ernst sogar, denn die Lage ist ernst. Evangelien sind keine Spruch- und Geschichtensammlungen. Sie verstehen sich in der Gesamtheit als ein Bericht über die Verkündigung Jesu in Wort und Tat. Die innere Mitte der Evangelien sind dabei die Passionsberichte. Sie werden daher auch als Passionsberichte mit ausführlicher Einleitung bezeichnet. Weil Jesus, dessen Passion im Tod am Kreuz endet, aber von den Toten auferstand, erscheint sein Leben und Sterben in einem neuen Licht. Sein Sprechen und Handeln, sein Leben wurden plötzlich selbst als Zeichen der Nähe Gottes verstanden, weil der, der wie ein Gottloser starb, doch nur durch Gott selbst wieder zum Leben gerufen werden konnte. Das alte Bild von Gott und Welt war buchstäblich auf den Kopf gestellt worden. Die Geschichte musste neu erzählt werden – und sie wurde neu erzählt, von Mund zu Ohr und von Mund zu Ohr.

Die Evangelisten schreiben die Geschichten zu einer Zeit auf, als die Augenzeugengeneration, die authentisch über Leben, Sprechen und Handeln Jesu berichten konnten, auszusterben droht. Insbesondere Lukas legt wert darauf, dass sein Bericht auf der Überlieferung von Augenzeugen beruht (vgl. Lukas 1,2). Weil es vor allem um die Darstellung des Lebens Jesu geht, muss auch die innere Dramaturgie dieses Lebens bei der Darstellung gewahrt bleiben. Auch wenn die Evangelien vor allem Glaubenszeugnisse sind, die die Geschichte dessen erzählen, der von den Toten auferstand, sind sie doch der inneren Dramaturgie des irdischen Lebens Jesu verpflichtet, weil nur so das Drama von Tod und Auferstehung erkennbar wird.

In der inneren Dramaturgie des Lebens Jesu ist ein Anfang voller Euphorie erkennbar. Die erste Verkündigung in Galiläa und am See Genezareth führte zu viel Zuspruch. Dieser sogenannte galiläische Frühling führt zu Bewegung, die zur symbolischen Berufung und Aussendung des Zwölferkreises führt (vgl. Lukas 9,1-6). Damit setzt Jesus ein erstes Zeichen: Israel, das Zwölfstämmevolk, soll neu gesammelt und innerlich erneuert werden. Auch wenn es Jesus vor allem um eine innere Erneuerung geht, hat dieses Zeichen politische Relevanz. Wer sich so aus dem Fenster lehnt, muss mit Gegenwind rechnen. Und so verwundert es nicht, dass Lukas kurz nach der Aussendung des Zwölferkreises sowohl vom Messiasbekenntnis des Petrus und gleichzeitig von der ersten Leidensankündigung Jesu berichtet (Lukas 9,18-22).

Die öffentliche Auseinandersetzung beginnt. Die Jesusbewegung wird von den führenden Persönlichkeiten argwöhnisch beäugt. Veränderung liegt in der Luft. Eine solche Atmosphäre fördert Radikalisierungen. Ähnlich wie im Wahlkampf werden Gegensätze zugespitzt. In solchen Zeiten besteht kein Bedarf an Kompromissen, sondern an Entscheidungen.

Das Evangelium des 23. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C entstammt der Lebensphase, in der sich die Fronten zwischen Jesus und seinen Gegnern zugespitzt haben. Es ist die Zeit der Entscheidungen. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Das geht bis in die Familien hinein. Deshalb richtet Jesus den Blick auch auf die Endzeit. Jetzt gilt es, sein Leben so auszurichten, dass in der Endzeit der überreiche Gewinn wartet. Es gilt „Alles oder nichts“.

Wir leben zwar heute nicht in solchen radikalen Zeiten. Und doch enthält dieses Evangelium eine verstörende Mahnung: Wer an das liebe Jesulein glaubt, den kein Wässerchen trüben kann, der wird sich auch schwer tun, Tod und Auferstehung Jesu zu verstehen. Auch heute noch sind Christen herausgefordert, kompromisslos für das Evangelium einzutreten. Man kann nicht nur sonntags Christ sein oder ein bisschen in der Freizeit christlich leben, weil der Beruf doch seine eigenen Erfordernisse hat. Die Kompromisslosigkeit Jesu geht aber mit seiner Gewaltlosigkeit einher. Deshalb gehört zur Nachfolge Jesu immer das Kreuztragen (vgl. Lukas 14,25-35).

Jesus gründet also keine neue Familie als Ersatz für die biologische Familie. Familie ist ohnehin ein schwieriges Wort für die Gemeinschaft der Jesusjünger. Familie bedeutet ja immer auch ein gewisse Abschottung nach außen. Kennzeichen der Jesusbewegung ist aber gerade die Öffnung für die Abgesonderten. Davon wird nächste Woche die Rede sein. Im Hier und Jetzt aber sieht sich die Kirche einer Entscheidung ausgesetzt: Wollt ihr eine kleine Herde voller frommer Gemütlichkeit werden oder werdet ihr die Weisheit Gottes entschieden verkünden und die, die draußen sind, neu sammeln. „Wer Ohren hat zum Hören, der höre!“ (Lukas 14,35) Und wer Mund und Hände zum Reden hat, der rede!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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