Dies Domini – Zweiter Sonntag nach Weihnachten, Lesjahr C
Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Selbst dort, wo die Demokratie das Volk als eigentlichen Souverän vorsieht, scheint es die Sehnsucht nach dem starken Führer zu geben, der die Einzelnen von der Last der Verantwortung für das eigenen Leben befreit. Zwar werden selten realistische Lösungen angeboten; dafür werden tief liegende Emotionen angesprochen. Die Weisheit bleibt auf der Strecke, wenn Clowns die Macht übernehmen. Weise Politikerinnen und Politiker regieren mit ruhiger Hand, verzichten auf persönliche Angriffe und tun – mit weiser Voraussicht – das bisweilen unpopulär Notwendige. Die Clowns hingegen recken lustvoll Fäuste in die Höhe, springen auf der Bühne herum und nutzen jede Gelegenheit, sich über den politischen Gegner lustig zu machen. Wozu Politik treiben, wenn die Sucht nach Unterhaltung groß ist. Der Clown wird auch dann noch lachen, wenn die Welt dem Abgrund entgegengeht. The Show must go on!
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Das Fest ist gefeiert, die Geschenke sind ausgepackt, manche von innen werden heute wohl wieder umgetauscht. Die ersten Weihnachtsbäume liegen schon auf der Straße. Weihnachten ist vorbei. Sicher nicht in der Kirche – da dauert Weihnachten noch mindestens bis zum 6. Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn, im Volksmund auch Dreikönigsfest genannt. Die meisten Zeitgenossen aber dürften sich auf den Jahreswechsel vorbereiten in dieser Zeit „zwischen den Jahren“.
„Zwischen den Jahren“ – diese merkwürdige Redewendung hat ihre Wurzeln in Zeiten, in denen nicht ganz klar war, wann das neue Jahr begann. Erst mit der gregorianischen Kalenderreform im Jahr 1582 wurde der Beginn des Neuen Jahres definitiv auf den 1. Januar fixiert. Vorher begann für manche das Jahr mit dem 1. Advent, der heute noch der Beginn des neuen Kirchenjahres ist, für viele markierte der 25.12. als Hochfest der Geburt des Herrn den Jahresanfang. Aber auch der 6.1. galt für nicht wenige als Jahresbeginn. Die Unklarheit über den Zeitpunkt des Jahreswechsel führt zu der Redewendung einer Zeit „zwischen den Jahren“.
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Dies Domini – Vierter Adventssonntag, Lesejahr C
Es sind unfriedliche Zeiten. Wieder einmal. Und das, obschon zu Weihnachten weltweit der große Friede beschworen wird. Dabei werden in den vielen Kriegen, die derzeit in der Welt geführt werden, wohl selten die Waffen wenigstens in der Heiligen Nacht schweigen. Versagt der Friedefürst, dessen Geburt an Weihnachten mit Inbrunst gefeiert wird?
Weihnachten ist zu einem naiv-romantischen Fest geworden. Friede, Liebe, Familie – die heile Welt soll wenigstens an Weihnachten Wirklichkeit werden. Die Ratschläge eilfertiger Psychologen, die alle Jahre wieder Tipps für ein Gelingen des weihnachtlichen Familienfriedens geben, lassen allerdings erahnen, dass auch hier die viele frommen Wünsche nur oft genug Illusionen sind. Je höher die emotionalen Erwartungen, desto tiefer häufig die Enttäuschungen. Dabei sind die weihnachtlichen Erzählungen im Neuen Testament selbst wenig romantisch. Im Matthäusevangelium fühlt sich Joseph als gehörnter Verlobter, der sich mehr pflichtbewusst als überzeugt in sein Schicksal fügt. Wenn Engel sprechen, bleibt den Menschen wohl kaum eine Wahl, wollen sie im Angesicht Gottes nicht ungerecht erscheinen. Ähnlich erging es wohl auch Maria, als der Engel ihr die Geburt eines Sohnes verkündete. Sie nimmt die Botschaft mit gesundem Zweifel auf und fügt sich eher in ihr Schicksal:
„Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ (Lk 1,38)
Freudige Zustimmung klingt jedenfalls anders.
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Dies Domini – Zweiter Adventssonntag, Lesejahr C
Hoffnung ist eine fragile, aber aufrechte Haltung. Wer hofft, schaut nach vorne. Wer hofft, krempelt die Ärmel hoch. Wer hofft, wartet nicht einfach auf bessere Zeiten. Der hoffende Mensch arbeitet daran, dass sie besser werden. Zweifelsohne braucht es in jeder Krise Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben. Wer die Hoffnung fahren lässt, hat sich längst aufgegeben. Dann geht es nur noch um das eigene Überleben. Mögen die anderen untergehen, solange die eigene kleine Existenz davon unberührt bleibt, mag geschehen, was will. Die, die die Hoffnung fahren lassen, kämpfen nicht – nicht für andere, nicht für sich, schon gar nicht für eine Welt, in der das nahe Reich Gottes sichtbar wird. Die Hoffnung hingegen ist das Rückgrat, das den Menschen aufrichtet. Hoffnungslose hingegen haben dieses Rückgrat verloren, so dass sie in sich zusammenfallen und die Gefahr, sich selbst im Spiegel begegnen zu müssen gering ist … in sich zusammengesunken schaffen sie es gar nicht mehr, in den Spiegel zu schauen. Deshalb übernimmt die Angst vor numinosen Gefahren. Die Hoffnungslosigkeit schwächt. Wie soll die Welt da besser werden. Wie soll man da dem Bösen entgegentreten?
Die gegenwärtige Zeit ist voll von Konflikten und Krisen, die geeignet sind, alle Hoffnung fahren zu lassen. Es scheinen höllische Zeiten zu sein. Der Krieg in der Ukraine mit dem ständigen Drohen Putins, nukleare Waffen einzusetzen, das durch das bestialische Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 ausgelöste Grauen in Gaza, die Folgen der Angriffe der Hisbollah und der Gegenwehr Israels für den Libanon, die zahlreichen Kriege auf dem afrikanischen Kontinent, der Konflikt in Aserbaidschan und Armenien, die politischen Krise in Südkorea, die Gefährdung Taiwans, die politischen Wirren in Georgien, die Sorge um den sich beschleunigenden Klimawandel und, und, und … die Endzeit scheint mal wieder nahe zu sein. Viele stecken angesichts der Krisen den Kopf zwar nicht in den Sand, verstecken sich aber gerne unter jenem weichen Kissen der Forderung nach Verhandlungen – als wenn Diktatoren mit sich handeln ließen. Und auch das Klima ist da wenig kompromissbereit. Bei näherem Hinschauen aber wird deutlich, dass solche Haltungen entweder feige oder abgrundtief angstgesteuert, in jedem Fall aber hoffnungslos sind. Wie will man so die Zukunft gewinnen?
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Er hat es gewusst. Jesus ahnt, dass es Streit um ihn geben wird:
„Ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.“ (Mt 10,35)
Der Streit um Jesus ist eine Bekenntnisfrage. Es macht schon einen bedeutenden Unterschied, ob man in Jesus nur einen Menschen oder einen Propheten sieht oder ob man sich bekennt, dass er wahrer Mensch und wahrer Gott ist. Letzteres ist über die Konfessionen hinweg das Bekenntnis der Christen – und dieses Bekenntnis ist hart errungen worden. Was glauben Sie denn?
Ausgangspunkt des Streites ist der Kreuzestod Jesu. Der galt als Zeichen der Gottverlassenheit, heißt es doch in der Thora, dass der, der am Holze hängend stirbt, von Gott verlassen ist (vgl. Dtn 21,23). Für Muslime, die Jesus, den sie Isa ibn Maryam nennen, immerhin als Propheten verehren, ist es unmöglich, dass dessen Leben schändlich am Kreuz endet. So heißt es in Sure 4,157:
„Sie sagten: ‚Wir haben Christus Jesus, den Sohn der Maria und Gesandten Gottes, getötet.‘ – Aber sie haben ihn nicht getötet und nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien ihnen ein anderer ähnlich.“
Das irdisches Schicksal Jesus bleibt im Koran offen. Ein Gesandter Gottes darf nicht am Kreuz sterben.
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Dies Domini – Christkönigssonntag, Lesejahr B
Die Welt scheint verrückt geworden. Die Clowns übernehmen die Herrschaft. In Russland schickt ein Diktator aus imperialer Eitelkeit Hundertausende in den Tod und in den USA wird bald ein neuer Präsident die Macht übernehmen, dessen erste Personalentscheidungen von seiner Vergangenheit als Protagonist einer TV-Reality-Show inspiriert zu sein scheinen. Das Fegefeuer der Eitelkeiten verspricht hohen Unterhaltungswert – würde es nicht um tatsächliche Realität gehen, in denen es für viele um vieles, wenn nicht gar die eigene Existenz gehen wird. Wo die Clowns regieren, gedeiht der Wahnsinn. Die Vernunft muss auf bessere Zeiten warten. Hoffentlich wird es nicht zu spät sein.
Auch in unserem Land stehe wichtige politische Richtungsentscheidungen an. Auch hier ist die Lust am Clownesken sichtbar. Die ohne Zweifel schwierige bis schwerfällige Ampelkoalition fand ihr Ende, weil auch hier das Eitle vor der Übernahme von Verantwortung stand. Das Ringen um die richtigen politischen Entscheidungen, die das Land in einer Situation weltweiter Krisen – angefangen vom Klima über die Kriege bis hin zu jenen Herausforderungen, die entstehen, wenn die modernen Medien selbst den Ahnungslosesten die massenhafte Verbreitung alternativer Fakten ermöglichen, und künstliche Intelligenzen Scheinrealitäten erschaffen, deren Wahrheitsgehalt kaum mehr zu überprüfen ist. Als wahr gilt, was wahr zu sein scheint – vor allem, wenn es den eigenen Vorurteilen entspricht. Wahrheit ist kein Gegenüber mehr, keine Herausforderung, um die man ringen muss. Aus dem Objektiven wird subjektiv Empfundenes. Die Wahrheit ist zu einem wandelbaren Geschöpf menschlicher oder auch künstlicher Fabulierkunst geworden, die das Auge des Betrachters so lange blendet, bis er selbst der objektiven Lüge Glauben schenkt.
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Amsterdam – das war einmal die Faszination von Tulpen, Freiheit, Hippietum. Für Menschen, die ihre Kindheit und Jugend in den 70er und 80er Jahren verbracht haben, war es oft jener Sehnsuchtsort, den die Band Cora 1984 besang:
„Komm, wir fahren nach Amsterdam. Ich weiß, dass uns nichts passieren kann.“
Dieser Traum ist für Juden spätestens seit dem 7. November 2024 zerplatzt. Die Umstände werden in den Niederlanden noch diskutiert. Wieder einmal. Anhänger des jüdischen Fußballclubs Maccabi Tel Aviv haben offenkundig eine palästinensische Fahne von einem Haus gerissen. Angeblich war das der Anlass für muslimische Jugendliche mit geringer Frustrationstoleranz für eine Hatz auf Juden durch die Straßen Amsterdams, bei denen am Boden liegende Personen getreten und auch Fußgänger überfahren wurden. Am Ende waren 30 Juden verletzt – und das alles wegen einer abgerissenen Fahne? Was glauben Sie denn?
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Dies Domini – 32. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Die Augen sehen nur das Oberflächliche. Um tiefer als das Augenscheinliche sehen zu können, bedarf es einer besonderen Form der Bildung. Dabei geht es nicht darum, den leicht kitschigen Satz, dass man nur mit dem Herzen gut sehen, zu reüssieren. Auch das Herz kann getäuscht werden und lässt sich nur allzu oft und allzu gerne täuschen. Es geht eher um den zweiten Blick, das Augenscheinliche zu hinterfragen, den Kontext zu beachten und so tiefer als das bloß Offensichtliche der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Die gegenwärtige Zeit scheint für die Lustlosigkeit, dem allzu Offensichtlichen mit einer gesunden Form der Skepsis zu begegnen, wieder einmal anfällig zu sein.
Das ist nicht neu. Auch andere Zeiten waren immer wieder davon geprägt, dass Heuchler in der Lage waren, die Menschen zu blenden – und viele ließen und lassen sich nur allzu gerne blenden. Der Titel, das Geld, das Amt – sowohl die Kirche als auch die Gesellschaft waren immer anfällig für den schönen Schein. Der Herr Pastor tut so etwas doch nicht, die Frau Ministerin hat doch einen Eid geleistet, der reiche Mäzen unterstützt doch dieses oder jenes – nur das, was hinter den Masken modert, darf nicht an die Oberfläche kommen.
Wie wenig neu die Lust am schönen Schein ist, kommt auch im Evangelium vom 32. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B zu Sprache. Jesus spricht dort vor einer großen Menschenmenge. Es gab noch keine Möglichkeiten der elektronischen Verstärkung menschlicher Sprache. Er wird also laut geredet haben müssen, sehr laut. Wer jemals mit starker Stimme ohne elektronische Verstärkung vor einer großen Menge Menschen gesprochen hat, weiß, dass das eine sehr physische Erfahrung ist. Der ganze Körper spricht mit. Jesus spricht also laut – und mit Händen und Füßen. Es ist eine emotionale Rede – und emotional ist die Redeweise:
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Dies Domini – 30. Sonntag im Jahreskeis, Lesejahr B/b>
Das Priestertum scheint zur römisch-katholischen Kirche zu gehören wie der Petersdom nach Rom. Beide sind aber vergleichsweise spät in die Geschichte der Institution eingetreten. Der Petersdom wurde erst 1626 vollendet und ersetzte mit seinem Baubeginn im Jahr 1506 einen Vorgängerbau, die Petersbasilika von Konstantin dem Großen aus dem Jahr 324. Er ist die sicher bekannteste, aber nicht der ranghöchste Sakralbau in der römisch-katholischen Kirche. Sofern ein Ranking bei Sakralbauten überhaupt angemessen ist, steht an der Spitze die Lateranbasilika als eigentlicher Bischofskirche des Bischofs von Rom, des Papstes.
Auch das Priestertum gab es nicht von Anfang an. Mag auch noch so oft von einem „Herrenwillen“ gesprochen werden, dem sich das Priesteramt verdanke, – im Neuen Testament kommt es nicht vor. Jesus beruft einen Zwölferkreis, allgemein als Apostel bekannt – wahrscheinlich eher für ein Projekt auf Zeit zur Verkündigung des nahen Reiches Gottes – aber er weiht keinen von Ihnen. Er verleiht Ihnen die Kraft und Vollmacht über alle Dämonen und um Krankheiten zu heilen (vgl. etwa Lk 9,1). Eine Vollmacht, die er später in Judäa auch noch 72 anderen aus seiner Bewegung verleiht und diese bei ihnen noch um ein besonderes Spezifikum erweitert:
„Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.“ (Lk 10,16)
Dieser Satz gilt nicht den Zwölfen, sondern den 72 anderen.
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Die Zeit ist ein hohes Gut. Jede Sekunde, jeder Moment, jeder Augenblick ist einmalig. Was vergangen ist, kann nicht wiedergeholt werden. Es gäbe nichts zu verschwenden, nichts zu vertrödeln. So aber hat man schließlich ein ganzes Leben, scheinbare Zeit im Überfluss. Und dann bekommt man in der Nacht von Samstag auf Sonntag, wenn die Uhren wieder von Sommerzeit auf Winterzeit umgestellt werden, sogar noch eine Stunde geschenkt!
Natürlich wird da nichts geschenkt. Die Lebenszeit ist begrenzt. Auch wenn wir in der Regel weder den Tag noch die Stunde kennen, in der wir das Kontinuum von Raum und Zeit verlassen, man kann sich Zeit weder kaufen noch kann man die Zeit vermehren.
Tatsächlich fließt die Zeit beständig vor sich hin. Die Augenblicke rinnen uns nur so durch die Finger. In unserer irdischen Existenz können wir wirkliche Gegenwart nicht empfinden. Das, was gerade noch auf uns zukam, ist einen Wimpernschlag später schon Vergangenheit. Nichts kommt zurück, alles fließt.
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