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kath 2:30 Dies DominiDies domini – 24. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C

In diesen Tagen ging in Frankfurt die vierte Vollversammlung des Synodalen Weges zu Ende. Am Beginn stand der Schock, als die Sperrminorität der Bischöfe die Zustimmung zum Reformpapier zur Sexualmoral verweigert und so den Synodalen Weg in eine Krise führte. Was von vielen befürchtet wurde, von anderen aber mit naiver im Vertrauen in die Wirkmacht der mühsam errungenen und theologisch reflektierten Texte begründeten Hoffnungsrhetorik schöngeredet wurde, war plötzlich Realität: der schön erdachte pastorale und theologische Fortschritt drohte zu scheitern.

Der Schock saß so tief, dass die Papiere an den folgenden Tagen die jeweils erforderliche Mehrheiten fanden. Man hatte dazu gelernt: Mehrheiten müssen eben besorgt werden. Konkret heißt das, dass man die zögernden Bischöfe überzeugen muss. Vor allem wurde auf einen offenen Diskurs gedrungen, d.h. es sollte keine „anonymen“ Ablehnungsvoten geben. Synodale wurden auch in den sozialen Medien aufgefordert, „ihre“ Bischöfe nach deren Abstimmungsverhalten zu fragen. Ob das die neue angst- und gewaltfreie Kommunikation ist, die sonst immer gerade von jenen Synodalen gefordert wurde, die sonst die schier übergroße Macht der Bischöfe beklagt? Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich finde die verabschiedeten Papiere wegweisend und richtig. Die Art der Kommunikation aber besorgt mich. Es ist das gute Recht auch von Bischöfen, ihr Abstimmverhalten dem eigenen Gewissen folgend zu gestalten. Wenn dann die erforderlichen Mehrheiten nicht zustande kommen, liegt das in einem Webfehler der Satzung, die den Bischöfen überhaupt eine entsprechende Sperrminorität zuerkennt – wahrscheinlich aus dem positiven Anliegen heraus, prinzipiell auf eine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe und damit auf eine übergroße Unterstützung abzuzielen. War man tatsächlich so naiv, dass man nicht damit rechnete, dass solchen positiven Mehrheiten eben auch entsprechende Sperrminoritäten korrespondieren? Warum hat das ZdK überhaupt einer solchen Satzung zugestimmt?

Nach dem ersten Desaster hatte man dazu gelernt. Die Bischöfe zogen sich zu Vorabstimmungen zurück. Man kann nur spekulieren, was dort im Saal „Spektrum 1“ besprochen wurde – die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten der Bischöfe standen danach. Trotzdem mussten sich die episkopalen Dissidenten öffentlich rechtfertigen. Dabei lebt Demokratie doch von dem Respekt abweichenden Meinungen gegenüber. Ist der Synodale Weg noch nicht stark genug für die Meinung jener, die nicht zustimmen können. Versteht er sich als Konzil, das ein Anathem formuliert und so die Abweichler diszipliniert?

Hinter den Reaktionen steckt eine reale Befürchtung. Der Langmut gerade der Laien mit den bischöflichen Befindlichkeiten hat es nach dem Eklat vom Anfang verhindert, dass der Synodale Weg scheitert. Wegweisende Texte wurden auf den Weg gebracht – Texte, die dann doch im Wesentlichen Bitten und Anregungen formulieren, aber eben noch keine Konkretionen. Was Rom dazu wirklich sagen wird? Außerdem sind die Ortsbischöfe trotz aller bevorstehenden neuen Synodalität in der deutschen Kirche immer noch autark, was ihre eigenen Diözesen angeht. Das nährt eben die Befürchtungen, dass die übergroßen Zustimmungen doch nur Pyrrhussiege sein könnten. Es ist eben nicht nichts geschehen und doch nichts Wirkliches geworden. Wenn selbst Gegner des Reformpapiers zur Sexualmoral wie Bischof Bertram Meier lakonisch anmerken, dass das Papier doch auch ohne Zustimmung wirken würde, dann ist damit schon alles gesagt … Sicher werden die Papiere wirken. Sie sind ja in der Welt. Die Frage ist allerdings, welche Auswirkungen sie haben werden.

Deutlich wurde in jedem Fall, dass die Einheit wohl nicht nur der deutschen Kirche nur noch mühsam durch eine dünne Firnis gewährleistet ist. Man mag es für Zufall halten oder der Vorsehung des göttlichen Geistes zuschreiben: Das Evangelium vom 24. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C zeigt mit seiner eigenen Dynamik, dass es Mut zum Risiko, einen guten Kehrbesen und Vertrauen braucht, um das Evangelium in die Welt zu tragen. Wem es vergönnt ist, in der Liturgie die Langfassung zu hören, der wird drei Gleichnisse vom Suchen und Finden empfangen: das Gleichnis vom wiedergefundenen Schaf, vom Auffinden der Drachme und dem verlorenen Sohn, das auch das Gleichnis vom barmherzigen Vater ist. Interessant ist die Dynamik, in der die Gleichnisse angeordnet sind. Den Auftakt macht das Gleichnis vom wiedergefundenen Schaf (Lukas 15,1-7). Oft wird es als Gleichnis vom verlorenen Schaf bezeichnet. Der Fokus liegt so schnell auf dem vermeintlichen Fehlverhalten des Schafes, das doch nur tut, was Schafe eben tun: Fressen, laufen und laufen und fressen. Dass es der Hirte ist, der versagt, weil er seiner Aufsicht nicht genügt hat, wird gerne übersehen. Deshalb geht er volles Risiko und lässt die 99 anderen Schafe in der Wüste zurück, um das eine zu suchen. Die 99 aber lässt er ungeschützt. Was da alles passieren könnte …!!

Die Moral von der Geschichte liegt eben auf dem Risiko. Die Treuen bleiben sowieso, das Verlorene lohnt wiedergefunden zu werden. Oder anders: Niemand darf zurückbleiben. Diese Lehre gilt den noch ängstlichen Bischöfen, die sich auf eine vermeintlich sichere Lehre berufen und dabei vergessen, dass der scheinbar sichere Sabbat für die Menschen da ist und nicht umgekehrt:

Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. (Markus 2,27f)

Das gilt auch für die Lehre, die den Menschen dient und nicht den Menschen um der Lehre willen knechten soll. Andersherum gilt auch für die „Mehrheit“ der Schafe, dass sie auf das Wiederfinden des Verlorenen warten müssen. Der Hirte aber muss beide im Blick haben. Zu lange warten darf er nicht, sonst werden sich die 99 Schafe auch zerstreuen. Geduld ist eine volatiles Gut. Es verflüchtigt sich schnell, wenn es keine Hoffnung mehr gibt …

Dann folgt das Gleichnis vom Auffinden der Drachme (Lukas 15,8-10). Scheinbar ist es nur eine Variante des vorangehenden Gleichnisses. Aber es gibt signifikante Unterschiede und Gedankenfortschritte. Der Hirte im ersten Gleichnis repräsentiert offenkundig Gott. So ist es auch mit der Frau im Drachmengleichnis. Gott erhält hier erkennbar weiblich Züge! Vor allem das Suchen aber ist anders – es kommt das Fegen hinzu. Der Staub muss raus! Um finden zu können, muss das Unterste nach oben und der Staub, der sich im Lauf der Geschichte über den gesuchten Schatz gelegt hat, ausgekehrt werden. Man muss als Werthaltiges von Vergänglichem, Schatz von Tand unterscheiden. So ist es auch mit der vermeintlich sicheren Tradition: Nicht alles, was dort ursprünglich erscheint, ist es bei näherer Betrachtung auch. Da gibt es Bräuche, Traditionen und Traditiönchen, die im Strom der Tradition kommen und gehen. Tradition braucht den Besen, um das Ursprüngliche, das Eigene immer wieder hervorzukehren. Tradition ist nämlich Treue zum Vorhergehenden und Mut das Neue zu wagen.

Dann folgt das längst Gleichnis – das Gleichnis vom barmherzigen Vater, das auch das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist (Lukas 15,11-32). Die Geschichte ist bekannt: ein Vater hat zwei Söhne, von denen der jüngere sein Erbteil verlangt (und damit seinen Vater faktisch für gestorben erklärt), es verprasst und reumütig und bußbereit zurückkehrt. Der Vater aber freut sich so über dessen Rückkehr, dass er nicht nur keine Sanktionen walten lässt, sondern sogar ein Fest feiert. Bußfreie Rekonziliation – das kennt die Kirche schon lange nicht mehr, wenn etwa Menschen, die um Wiedereingliederung in die Kirche immer noch eine Buße auferlegt werden soll …

Interessanter aber ist die Reaktion des älteren Sohnes, des braven und treuen, der immer alles lehrgemäß richtig gemacht hat. Während der andere lebte, hat er gehorcht – und versteht die Welt nicht mehr. Er kann sich nicht freuen. Der Treue trauert, nein, der Gehorsame grummelt und ist wütend. Er ist noch nicht einmal wie die 99 Schafe, denen der Hirte wenigstens für eine kurze Zeit vertrauen konnte, alleine zu bleiben. Nein: Er war „immer“ beim Vater – und konnte diese Zeit offenkundig nicht genießen. Freudlos blickt er auf die Freude über den Rückkehrer. Er wird vom Vater eingeladen, mitzufeiern:

Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. (Lukas 15,31f)

Seine Antwort lässt Lukas aber unüberliefert … Wird er sich überwinden, oder wird er zurückbleiben … und so selbst zum verlorenen Sohn werden?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser geht … die Gleichnisse sind wohl selten so aktuell und passend gewesen wie an diesem Sonntag. Durch die Jahrhunderte sprechen sie auch heute neu zu uns. Suchen und finden sind ein bleibender Auftrag. Wer aber zu spät kommt, den bestraft nicht nur das Leben … er oder sie droht sogar verloren zu gehen. Wenn es um den viel beschworenen Stifterwillen geht, sollte man an diesem Sonntag besonders gut hinhören …

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

1 Kommentar

  1. 11.09.2022 - WegWort schrieb am 11. September 2022 um 12:31 :

    […] https://www.kath-2-30.de/2022/09/10/wer-zu-spaet-kommt/ […]

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