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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Fest Taufe des Herrn/Sonntag nach dem 6. Januar, Lesejahr B

Die Weisheit einer Weltanschauung erweist sich nicht in klugen Theorien und Hypothesen, sondern in ihrer Lebenstauglichkeit. Die Weise zu leben ist der eigentliche Gehalt der Religion, nicht primär eine Ansammlung von Glaubenssätzen. Die zentrale Frage, worin die re-ligio, die Rückbindung eines Menschen besteht, prägt seine Haltung dem Leben gegenüber. So gesehen hat Religion an sich nichts mit dem Glauben an Gott zu tun. Auch der Agnostiker, um ein Beispiel zu nennen, ist in diesem Sinne religiös, denn er bindet seine Lebensweise an die Auffassung zurück, man können Gott nicht mit innerweltlichen Mitteln erkennen; mehr noch: Gott sei prinzipiell nicht erkennbar (womit nichts über die Frage der Existenz Gottes gesagt ist, sondern eben nur über die Unmöglichkeit, ihn zu erkennen).

Religion ist also an sich zuerst nichts anderes als eine conditio humana, eine urmenschliche Eigenschaft. Jeder Mensch muss eine Haltung zum Leben einnehmen. Jeder Mensch errichtet in seinem Leben ein Fundament, das seine Lebensweise bestimmt. Diese Lebensweise bestimmt auch, wie er anderen Menschen gegenüber tritt.

Die Lebensweise eines Menschen wird durch die Art seiner re-ligio, der Rückbindung an die Grundaxiome seines Lebens bestimmt. Ob Gott eine Rolle im Leben eines Menschen spielt, entscheidet nicht darüber, ob dieser Mensch moralisch gut lebt oder nicht. Humanisten fühlen sich so nicht einem göttlichen Wesen gegenüber verantwortlich, wohl aber den Menschrechten. Die allgemein menschlich Konvention wird dann zur Basis des eigenen Lebens, an der man sein Verhalten ausrichtet. Wer sich hingegen einem Gott als absoluter Instanz gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet weiß, wird sein Verhalten an den Forderungen ausrichten, die sich aus dem Bild Gottes ergeben, das der betreffende Mensch hat.

Weder das eine, noch das andere sind in sich gut oder schlecht. Für beide Ansätze gibt es gute Gründe; beide Ansätze bergen aber auch Aporien. Die auf menschlicher Konvention beruhenden Menschrechte sind etwa nicht so absolut, wie es den Anschein hat. Was ist, wenn die Konventionen neu ausgehandelt werden? Was ist, wenn das Recht des Stärkeren den vernunftgesteuerten Diskurs ersetzt? Was ist, wenn die Waffe an die Stelle von Argumenten tritt? Die Menschrechte können schneller auf dem Markt menschlicher Autonomie verhökert werden, als ihre Aushandlung gedauert hat. Es gibt keine absolute Schutzmacht, die die ewige Geltung der Menschenrechte gewährleisten kann. Sie müssen stets neu verteidig werden. Wie fragil ihr Fundament ist, zeigen die zahlreichen Konflikte in der Welt, denen ökonomische und machtpolitische Interessen zugrunde liegen. Der reflexhafte Appell an die Einhaltung der Menschenrechte ist ebenso wichtig wie wohlfeil, denn ebenso reflexhaft erfolgt meist der Hinweis auf die Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten.

Der Gottgläubige kann sich da allerdings nicht einfach zurücklehnen. Er weiß sich zwar Gott gegenüber für sein Handeln verantwortlich. Die Absolutheit Gottes relativiert das menschliche Autonomiestreben. Die Frage ist nur, welches Bild von Gott die Basis für die Lebensweise eines Menschen ist. Gottesbilder fallen ja bekanntlich nicht vom Himmel. Weil Gott per Definition transzendent ist, kann er nicht einfach aus der Welt heraus erkannt werden. Sicher kann man, wenn man prinzipiell Gott als Möglichkeit und schöpferische Ursache zu denken bereit ist, aus dem Sosein der Welt Rückschlüsse auf Gott ziehen. Aber es bleiben doch immer vorläufige Hypothesen, deren Wahrheitsgehalt sich nicht objektiv verifizieren lässt. Von daher ist jedem Menschen zu misstrauen, der angibt, er wüsste, was Gott will. Die Redeweise „Gott will“ verbietet sich gewissermaßen von selbst. Jeder, der diese Redeweise im Munde führt, offenbart sich gerade darin als Verführer der Menschen. Er ersetzt das vernunftgemäße Erkennen durch die Anführung des Willens eines absolut Höchsten, der doch, gerade weil er Gott ist, nicht unmittelbar in der Welt erfahren und erkannt werden kann. Wer auch immer ruft „Gott ist groß“, erkennt diese Größe Gottes an. Wer dann aber zur Tat schreitet, um den vermeintlichen Willen dieses Gottes – oder das, was er dafür hält – in seinem Namen auszuführen, der macht sich selbst zum Herrn über Leben und Tod und straft damit sein Bekenntnis der Größe Gottes mit Lügen. Wer glaubt, wie in diesen Tagen in Paris geschehen, Gott brauche menschliche Gewalt, kann nicht an einen großen Gott glauben. Der Gott, an der er glaubt, muss so schwach und klein sein, das er menschliche Hilfe braucht. Ein solcher Gott ist ein armseliger, selbstgemachter Götze, eine Karikatur, ein Nichts, das durch lautes Schreien groß gemacht werden soll, dadurch aber immer kleiner wird.

Der Wille Gottes bleibt dem Menschen verborgen. Nicht umsonst beten Christen im Vater unser:

Dein Wille geschehe.

Der Wille Gottes soll sich ereignen. Gott ereignet sich selbst. Von daher kann kein Mensch behaupten, er erfüllt den Willen Gottes. Er kann danach streben, der Weisung Gottes gemäß zu leben. Der Wille Gottes selbst, das ist die tiefe Erkenntnis des christlichen Glaubens, bleibt aber verborgen. Nicht umsonst heißt es bei Jesaja:

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken. (Jesaja 55,8f)

Die Selbstrelativierung des gottgläubig Religiösen ist also konstitutiv. Wer auch immer sein Handeln rechtfertigt, es geschehe im Namen Gottes, leugnet die absolute Größe Gottes.

Ist es aber angesichts dieser Überlegungen nicht absurd, überhaupt an Gott zu glauben? Wie ist dann Erkenntnis Gottes überhaupt möglich?

Es bleibt dabei: Von sich aus kann der Mensch Gott nicht erkennen. Diese Erfahrung muss selbst Mose machen, der die Herrlichkeit Gottes schauen möchte. Er wird von Gott selbst zurecht gewiesen:

Du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben. (Exodus 33,20)

Und doch wird Mose die Erkenntnis Gottes zuteil. Aber nicht, weil er diese Erkenntnis herstellen kann, sondern weil Gott sie von sich aus bewirkt:

Der Herr gab zu Antwort: Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will. (Exodus 33,19)

Ob Gott sich mitteilt und in welcher Form ist ein alleiniger Akt der absoluten Souveränität Gottes. Die Theologie bezeichnet das als „Offenbarung“. Was Menschen von Gott wissen können, ist ihnen von Gott geoffenbart worden.

Jetzt könnte man natürlich dem Irrtum erliegen, ein einzelner Mensch kann sich doch dann immer auf eine persönliche Offenbarung berufen und damit sein Handeln als gottgewollt rechtfertigen. Hier ist allerdings immer zu fragen, ob hier nicht der subjektive Wunsch einer besonderen göttlichen Berufung wirksam ist. Wahre Offenbarung ist aber eben kein subjektives Empfinden. Die Offenbarung tritt dem Menschen objektiv gegenüber. Sie ist übersubjektiv. Ob ein Ereignis eine Autosuggestion, eine Halluzination oder eine tatsächliche Offenbarung ist, steht daher nicht in der Entscheidungsbefugnis eines einzelnen Menschen. Es ist die Gemeinschaft, die in einem Ereignis das offenbarende Handeln Gottes erkennt. Das Subjekt der Erkenntnis ist kein ICH, sondern ein WIR.

Es ist von daher kein Wunder, dass der Gott, an den Juden und Christen glauben, sich nicht einem einzelnen Menschen geoffenbart hat, sondern einem Volk. Das auserwählte Volk Israel wird zum Boten für die Menschheit. Die Menschheit ist das Ziel der Offenbarung Gottes.

Die Offenbarung kann aber nur in Menschenart weitergegeben werden. Es sind menschliche Worte und menschliche Taten, in denen sich die Offenbarung ereignet. Worte und Taten nach Menschenart bedürfen allerdings nicht nur immer der Interpretation; ihr Wahrheitsgehalt erweist sich auch in der Kongruenz, der Übereinstimmung von Wort und Tat. So erweist sich derjenige, der Gott, den Allbarmherzigen, mit einer Kalaschnikow verkündet, straft sich selbst Lügen. Was nur soll Gott mit einem solchen Irrläufer anfangen?

Wie anders dagegen lauten die Forderungen Gottes an die Verkünder seiner Offenbarung, wie sie in der ersten Auswahllesung vom Fest Taufe des Herrn im Lesejahr B aufgestellt werden:

Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Straße erschallen. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. (Jesaja 42,1-3)

Der Name Gottes eignet sich nicht für Schlachtrufe; im Gegenteil: die in Schlachtrufen gebrüllte Anrufung Gottes legt Zeugnis ab von einer tiefsitzenden Angst, Gott könne dem Willen der Menschen nicht gehorchen.

Der Antwortpsalm auf die erste Auswahllesung bringt es auf den Punkt. Gottes Stimme ist Donnerhall. Gott braucht nicht den menschlichen Lärm, er selbst verschafft sich Gehör:

Die Stimme des Herrn erschallt über den Wassern.
Der Gott der Herrlichkeit donnert.
der Herr über gewaltigen Wassern.
Die Stimme des Herrn ertönt mit Macht
die Stimme des Herrn voll Majestät. (Psalm 29,2-4)

Genau diese Stimme offenbart am Jordan nach der Taufe durch Johannes den Täufer Jesus als Sohn Gottes:

Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden. (Markus 1,11)

Manche werden nur einen Donner gehört haben, manche im Donnerhall die Offenbarung Gottes. Das Ereignis ist deutbar, wie sonst könnte es sein, dass nicht alle in Israel sofort und ohne Zweifel zum Glauben an Jesus als den ersehnten Messias gekommen sind. Die Offenbarung Gottes bedarf eben der Interpretation, des genauen Hinsehens, des Zweifelns und Forschens. Nur so wird sie wirksam im und unter den Menschen. Gott verschafft sich Gehör. Die Frage ist nur, ob die Mensch ihn oder doch lieber sich selbst hören wollen. Nicht umsonst heißt es im Neuen Testament immer wieder: Wer Ohren hat, zu hören, der höre!

Christen glauben an Jesus als den menschgewordenen Sohn Gottes. Für Christen wird in Jesus selbst Gott offenbar. In seinen Worten und Taten erkennen Christen, dass Gott am Werk ist. In seiner Nachfolge versuchen Christen, die Worte und Taten immer wieder neu zu setzen. Das Beispiel Jesu ist der Maßstab, an dem sich die Worte und Taten von Christen messen lassen müssen.

Es ist kein Zufall, dass nach der Taufe aus dem offenen Himmel der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf Jesus herabkommt. Die Taube ist schon im Alten Testament ein Zeichen des neuen Lebens. Die Genesis weiß zu berichten, dass es eine Taube war, die das Hoffnungszeichen des Lebens im Chaos des Untergangs bringt:

Dann ließ er [Noach] eine Taube hinaus, um zu sehen, ob das Wasser auf der Erde abgenommen habe. Die Taube fand keinen Halt für ihre Füße und kehrte zu ihm in die Arche zurück, weil über der ganzen Erde noch Wasser stand. Er streckte seine Hand aus udn nahem die Taube wieder zu sich in die Arche. Dann wartete er noch weitere sieben Tage und ließ wieder die Taube aus der Arche. Gegen Abend kam die Taube zu ihm zurück, und siehe da: In ihrem Schnabel hatte sie einen frischen Olivenzweig. Jetzt wusste Noach, dass nur noch wenig Wasser auf der Erde stand. (Genesis 8,8-11)

In diesen Tagen, in denen der Name Gottes in Paris mit Kalaschnikows geschmäht wurde, ist es Zeit, sich bewusst zu machen, dass Gottes Geist sich nicht in Waffen und lauten Schreien manifestiert, sondern in der Gestalt einer Taube. Und dieser Geist nimmt für Christen Wohnsitz im Menschen selbst – in jedem! Wer Gott sucht, der wird ihn nur im Antlitz des Nächsten erblicken können. Weh dem, der gegen den Geist Gottes in sich oder im Nächsten handelt!

Je suis homme!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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