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kath 2:30 Meinungen

Es ist immer wieder das gleiche Prozedere. Auf der weißen Weste eines scheinbar tadellosen Menschen, der ein öffentliches Amt bekleidet, wird ein kleiner grauer Fleck sichtbar. Am Anfang versucht man noch, ihn zu ignorieren. Die Weste sieht ja noch fast aus wie neu. Aber der Fleck breitet sich aus. Man versucht ihn wegzureiben. Aber wie im wirklichen Leben macht das den Fleck noch schlimmer und größer. Ignorieren kann man ihn nicht mehr. Also knöpft man die Jacke zu, damit der Fleck nicht mehr sichtbar wird. Aber die unweiße Weste lässt sich nicht mehr verheimlichen. Schließlich muss man doch die Konsequenzen ziehen und die Existenz der Fleckweste zugeben. Im Flickenteppich der Rechtfertigungen verstrickt reicht es nach einem peinlichen Verhör in der Öffentlichkeit meist nur noch zu einem Rückzug aus derselben, der den enstandenen Schaden doch nicht mehr begrenzen kann.

Wie gehabt: Selters statt Sekt. Was nach Außergewöhnlichkeit aussah, hat sich als gewöhnlich erwiesen. Figura lucis fumum vendidit – Auch die Lichtgestalt hat nur Fusel verkauft!

Die öffentliche Diskussion der letzten beiden Wochen war wieder einmal von diesem sattsam bekannten Prozedere geprägt. Diesmal hat es einen Baron aus dem Frankenland erwischt, der beim Schummeln erwischt wurde. Neu ist die Dimension der Diskussion. Sie wurde nicht nur in Talkshows geführt, sondern hat gerade im Internet eine baronesk-boulevardeske Plattform gefunden. Gerade die neuen Kommunikationsmöglichkeiten der social Networks wie Facebook und Twitter haben hier eine enorme Rolle gespielt. Die alten Meinungsmacher der Printmedien – im aktuellen Fall die Zeitung mit den großen Buchstaben auf der einen und die investigativen Periodika aus Süddeutschland, Frankfurt und der Welt auf der anderen Seite – haben Konkurrenz bekommen.

Diese neue Dimension wirft Fragen auf. Die scheinbare Demokratisierung der Diskussion offenbart in mancherlei Hinsicht die Notwendigkeit einer tiefergehenden Aneignung eines Themas. Nicht jeder Beitrag in der Diskussion lässt eine solch intensive Auseinandersetzung erkennen. Nur so ist zu erklären, dass aus einem wissenschaftlichen Super-Gau eine harmlose Schummelei wird. Und geschummelt hat doch schon jeder einmal. Das Problem an diesem Argument ist, dass es keins ist. Denn schon die vermeintliche harmlose Schummelei des Einzelnen beim Abschreiben in der Schule oder beim Frisieren der Kilometerzahl in der Steuererklärung bringt den Schummler in arge Schwierigkeiten, wenn er erwischt wird. Schummeln ist gerade nicht erlaubt!

In der aktuellen Diskussion geht es aber sogar um mehr als um eine Schummelei. Wer eine Doktorarbeit anfertigt, muss eine eidesstattliche Erklärung, wenigstens ein Ehrenwort abgeben, dass er nach den wissenschaftlichen Standards gearbeitet und die Arbeit selbstständig angefertigt hat. Das ist bei Herrn zu Guttenberg so offenkundig nicht der Fall gewesen, dass man nicht mehr von einer Nachlässigkeit sprechen kann. Wer also bewusst täuscht und trotzdem eine übliche eidesstattliche Erklärung, respektive ein Ehrenwort, abgibt, der wird meineidig.

In einer  an der psychologischen Fakultät der Universität Bochum eingereichten und 1997 veröffentlichten Dissertation schreibt die Autorin Eva-Maria Pegels:

„Alle an schulischer Erziehung direkt (Lehrer) und indirekt (Verwaltung, Eltern, Politiker) Beteiligten sollten sich ihrer Verantwortung besinnen, damit nicht die Lebensphilosophie ‚Der Ehrliche ist der Dumme‘ Ehrlichkeit und Mitmenschlichkeit aus dem gesellschafltichen Zusammenleben verdrängt.
Solange demonstriert wird, dass Unehrlichkeit ein Schlüssel zu Erfolg ist, sind ehrliche Menschen in unserer erfolgsorientierten Gesellschaft benachteiligt. (…)
Wer seinen Erfolg im Leben nicht über die Größe der Macht und die Menge des Geldes definiert und auf diese Weise den Wert des eigenen Lebens aufrechnet, der wird auf die Vorteile von Mogeln und Beruf verzichten können.“ (E.-M. Pegels, Mogeln und Moral. Empirische und theoretische Studien über den Wert des Mogelns in der Schule, Münster 1997 , S. 281)

Herr zu Guttenberg hat auf eine Weise geschummelt, die seine moralische Tauglichkeit für das mit hoher Verantwortung versehene Amt eines Verteidigungsministers in einem fraglichen Licht erscheinen ließ. Wäre er frühzeitig dem Beispiel Margot Käßmanns gefolgt und hätte sein Fehlverhalten offengelegt, hätte er Moral bewiesen. Einen Fehler zu begehen, ist menschlich; einen Fehler wissentlich zu begehen auch. Zu einem wissentlichen Fehler, der entdeckt wird, nicht stehen zu können, ist hingegen unreif. Das biblische Menschenbild erkennt in der Möglichkeit des Schuldigwerdens aber geradezu die Größe des Menschen. Erst diese Möglichkeit macht ihn wirklich frei und mündig. Nur wer das erkennt, kann verantwortlich leben. Deshalb singt die Kirche in der Osternacht von der felix culpa – der glücklichen Schuld, die den Erlöser gefunden hat. Wer aber seine Schuld nicht eingestehen kann, ist infantil wie ein kleines Kind, das nie etwas war.

Ob das die Freunde in Guttenbergs Facebook-Spielgruppe wissen?

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

2 Kommentare

  1. Levin Grassmuck schrieb am 27. März 2011 um 19:56 :

    Zu Guttenberg wird ganz bestimmt in die Politik zurückkehren, die absolute Geräuschlosigkeit um ihn jetzt spielt ihm doch in die Karten. Auch, wenn ich ihn nicht mag, könte man gegen einen Wiedereinstieg von ihm in die Politik wenig sagen. Da sind andere schon nach ganz anderen Affären zurückgekommen.

    • Fuggis schrieb am 10. April 2011 um 08:25 :

      Als Guttenberg Verteidigungsminister wurde, kam es zum Streit mit seinem Generalinspekteur. Guttenberg behauptete, Schneiderhan hätte ihm wichtige Dokumente vorenthalten, was dieser bestritt. Auch wenn Schneiderhan bei seinem Rücktritt einräumte, dass er sich falsch verhalten hätte, so scheint mir diese Kundusaffäre ein Menetekel für Guttenbergs Amtszeit zu sein. Er versucht gut dazustehen auf Kosten seiner Untergebenen.

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