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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 7. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B

Zeiten des Überganges sind Zeiten der Auferstehung. Das Leben verläuft selten in Bahnen gleichförmiger Mittelmäßigkeit. Zwischen den Höhen und Tiefen ist es eigentlich permanent ein Leben im Übergang. Genau das ist ja das, was Tradition ausmacht, jenen Prozess der Weitergabe von Erfahrungen, Wissen und Gewissheiten im Übergang von einer Generation auf die nächste. Und dieser Übergang muss gestaltet werden. Er bedeutet ein Fortschreiten, ein Entdecken neuer Herausforderungen, einen Neuaufbruch, bisweilen auch eine Auferstehung. Es ist sicher kein Zufall, dass das Aufstehen des Petrus im Kreis der Brüder, von dem die erste Lesung am 7. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr B spricht, mit demselben Wortstamm bezeichnet wird, wie die Auferstehung des Gekreuzigten – ἀναστάς (gesprochen: anastás):

In jenen Tagen erhob (ἀναστάς) sich Petrus im Kreis der Brüder – etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen. (Apostelgeschichte 1,15)

„In jenen Tagen“ – mit diesen Worten schließt die Lesung an die vorausgehende Erzählung von der Himmelfahrt Jesu an. Das, was hier beschrieben wird, ereignet sich eben zwischen der Himmelfahrt Jesu, die sich nach Apostelgeschichte 1,3 vierzig Tage nach der ersten Auferstehungserfahrung zugetragen hat, und der Sendung des Heiligen Geistes am Schawuot-Fest, also 50 Tage nach Pessach, dem Pfingstfest. Pfingsten wird der große Aufbruch sein, wenn die Apostel in der Kraft des Heiligen Geistes zum ersten Mal öffentlich von der Auferstehung des Gekreuzigten reden werden. Aufgrund dieser Predigt wird die erste Gemeinde entstehen.

Es ist eben diese Zeit des Übergangs, die Zwischenzeit des Schon und Noch nicht, die Zeit zwischen der Gewissheit der Auferstehung des Gekreuzigten und ihrer öffentlichen Bezeugung. Oft wird in Predigten und Katechesen suggeriert, dass die Jüngerinnen und Jünger Jesu in dieser Zeit „aus Angst vor den Juden“ hinter verschlossenen Türen gesessen hätten. Das freilich ist die Diktion des Johannesevangeliums, der sein Evangelium unter dem Einfluss der theologischen Kontroverse im ausgehenden 1. Jahrhundert schrieb, als die Trennung des Judentums von der mittlerweile heidenchristlich dominierten Kirche unmittelbar bevorstand. Das sich nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels neu formierende Judentum sah in den heidenchristlichen Avancen, zum neuen Volk Gottes zu gehören, eine abzuweisende Häresie. Das ist die Stimmungslage, die Johannes aufgreift, wenn er davon spricht, dass

am Abend dieses ersten Tages der Woche [gemeint ist der Tag der Sonntag nach der Kreuzigung Jesu], als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, (…) Jesus [kam], (…) in ihre Mitte [trat] und (…) zu ihnen [sagte]: Friede sei mit euch! (Johannes 20,19)

Die Angst ist hier verständlich, denn die hier versammelten Jünger stehen noch unter dem Eindruck der Kreuzigung Jesu. Sie sind nicht nur vom qualvollen Scheitern ihres Rabbi traumatisiert, sondern sehen sich auch in der Gefahr, als Gefährten des als Aufständlers Hingerichteten mitgefangen und mitgehangen zu werden. In dieser Situation tritt der Auferstandene in ihre Mitte und haucht ihnen im wahrsten Sinn des Wortes neuen Lebensatem ein, indem sie den Heiligen Geist empfangen (vgl. Johannes 20,22). Es mag diese pfingstliche Koinzidenz sein, die zu der Annahme führt, dass die Jüngerinnen und Jünger Jesu auch in der Apostelgeschichte hinter verschlossenen Türen säßen. Allein: Lukas weiß davon nichts. Die Situation ist bei ihm eine völlig andere. Die Jünger sammeln sich in vielerlei Hinsicht – physisch als Gruppe (Apostelgeschichte 1,15 berichtet von etwa hundertzwanzig Personen, die sich wohl kaum in einem verschlossenen Raum verstecken können) als auch inhaltlich. In dieser Zeit des Übergangs stellen sich die nach der Himmelfahrt Jesu Zurückgebliebenen neu auf, sie bereiten sich für den Aufbruch vor, sie konstituieren sich neu, um dann, wenn das Signal zum Aufbruch kommt, auch wirklich vorbereitet zu sein und aufbrechen zu können.

Darin jedenfalls stimmen Lukas und Johannes überein: Die Erfahrung der Auferstehung des Gekreuzigten bewirkt ein Aufstehen seiner Jünger. Was bei Johannes freilich innerhalb eines Tages geschildert wird, erscheint bei Lukas als Prozess: Vierzig Tagen der Unterweisung der Jünger durch den Auferstandenen (vgl. Apostelgeschichte 1,2) folgt die Himmelfahrt Jesu und mit ihr die Beauftragung der Seinen zu Zeugen der Kraft des von ihm gesendete Heiligen Geistes:

Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. (Apostelgeschichte 1,8)

Der Zeitpunkt der Sendung des Heiligen Geistes ist noch nicht da. Sie steht zum Zeitpunkt der Erzählung, von der in der ersten Lesung vom 7. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr B die Rede ist, noch bevor. Diese Zwischenzeit ist aber keine Zeit, sich auszuruhen oder bloß abzuwarten. Es ist eine Zeit der Vorbereitung, einer Vorbereitung in Erwartung:

Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen. Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. (Apostelgeschichte 1,11-14)

Es ist eine Zeit, einer Schwangerschaft gleich, bevor die Wehen einsetzen, die das Neue zur Welt bringen. Niemand, der kundig ist, lässt solche Zwischenzeiten zwischen Zeugenschaft und Neugeburt ungenutzt. Auch die Jünger nicht. Sie versammeln sich. Nach Lukas bilden die elf übriggebliebenen Apostel mit den Frauen und der Mutter Jesu den Kern. Hinzu kommen aber eben jene etwa hundertzwanzig Brüder, die in der ersten Lesung erwähnt werden. Die Vorbereitung auf das Neue, die Planung der Zeugenschaft ist keine Sache für Wenige – sie betrifft alle, die in der Gefolgschaft Jesu waren und sind.

Zentrales Element ist die Wiederherstellung des Zwölferkreises. Das ist mehr als eine Formalie, steht der Zwölferkreis doch für die Restitution des Zwölfstämmevolkes Israel. Deshalb kommt auch nicht jeder für die Nachfolge des Judas, der durch sein Verhalten aus dem Zwölferkreis ausgeschieden ist, in Frage. In Analogie zu den zwölf Jakobssöhnen, die zu Stammvätern Israels werden sollten, kann in den Kreis der Stammväter des neuen Israel nur jemand aufgenommen werden, der von Anfang an der Jesusbewegung durchgehend angehörte bis hin zur Zeugenschaft der Auferstehung. Das trifft nur auf Josef, genannt Barsabbas, der Gerechte und Matthias zu, auf den schließlich das Los fallen und der so den Zwölferkreis vervollständigen wird.

In der Zeit des Übergangs vor dem Aufbruch sammelt sich die Gemeinde. Sie gibt sich eine neue Struktur. Sie nimmt ihre Verantwortung wahr – eine Verantwortung, die der Auferstandene ihnen selbst gibt. Er ist ja nicht mehr unter ihnen. Sie sind jetzt alleine auf sich gestellt. Aber sie handeln in der Vollmacht des Auferstandenen, Erwachsenen gleich, die zwischen Gut und Böse zu unterscheiden gelernt haben (vgl. Hebräer 5,14), die lösen und binden (vgl. Matthäus 18,18; siehe auch Johannes 20,23). Das bedeutet auch, sich neuen Fragen zu stellen, die sich in den Zeiten ergeben werden, sie zu lösen und verbindliche Antworten zu geben.

Es sind Zeiten des Übergangs, in denen sich die Fragen immer wieder neu auf besondere Weise stellen. Die Zwischenzeit zwischen der Himmelfahrt Jesu und dem Pfingstereignis ist prototypisch für die vielen Übergänge, die in der Geschichte der Kirche noch folgen werden. Die ersten Jüngerinnen und Jünger Jesu nehmen die Herausforderung an. Sei bereiten sich vor auf das verheißene Wehen des Geistes. Sie verspüren die Wehen vor dem Aufbruch. Sie werden bereit sein, denn sie stehen schon jetzt auf (ἀναστάς).

Es ist offenbar, dass die Kirche des Westens wieder in einer Zeit des Übergangs ist. Es ist wieder Zwischenzeit. Jetzt ist wieder Zeit der Bereitung für den Aufbruch. Sind die Jüngerinnen und Jünger schon aufgestanden? Oder warten sie nur auf Antworten, die sie selber geben müssen? Los jetzt, es ist Zwischenzeit! Es ist die Zeit des Vorübergangs! Es ist Zeit, aufzustehen, Zeit zum Aufstand! Spürt ihr nicht die Wehen? Lernt aus den Anfängen und brecht auf, sonst ist es zu spät!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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