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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Dritter Adventssonntag, Lesejahr B

Ist es eine feindliche Übernahme, wenn die Welt einfach Weihnachten feiert, ohne die Kirche zu fragen? Den Eindruck kann man gewinnen, wenn man den belehrenden Ton wahrnimmt, mit dem eifernde Kirchenmänner und -frauen bisweilen auf die Art und Weise reagieren, mit der die modernen Zeitgenossen den Advent als fröhliche Vorweihnachtszeit begehen. Während in den Kirchenräumen das bußfertige Violett vorherrscht, dass am 3. Adventssonntag hier und da als „Halbzeitgabe“ in ein helles rosa aufgelockert wird, und man die eigene, gegenwärtig kaum erfahrene Menschennot besingt, erklingt draußen an den Glühweinständen schon in vorweihnachtlicher Freude das „O du fröhliche“ oder „Jingle Bells“. Mit ingrimmig erhobenem Zeigefinger wird dann in Predigten, Twitternachrichten und Facebook-Postings darauf hingewiesen, dass der Advent gefälligst eine Zeit der Erwartung, vor allem aber der Besinnung und – begreift es endlich! – stillen (!!!) Zeit sei. Das Weltenvolk indes scheint sich an den lautstark vorgetragenen Mahnungen zu Stille nicht mehr zu stören, sondern freut sich einfach weiter auf das Weihnachtsfest.

Vorfreude ist schließlich die schönste Freude. Vielleicht hat die Kirche genau das verlernt – sich vorzufreuen. Wenn sie genau hinschauen würde, dann könnte sie entdecken, dass Volkes Geist und Stimme wohl noch sehr genau die Heiligkeit der Weihnacht spürt. Auch wenn nicht mehr jede und jeder die theologische Tiefe der Menschwerdung Gottes bekennen kann, so ergreift das Weihnachtsfest doch von der Gesellschaft als Ganzer Besitz. Wer am Heiligen Abend nach Einbruch der Dunkelheit durch Stadt und Land fährt, kann unmittelbar und geradezu körperlich spüren, wie die Welt den Atem anhält. Es ist, als synchronisiere sich die Gesellschaft in dieser Nacht. Ob man glaubt oder nicht – in dieser Nacht sitzen alle unter dem Weihnachtsbaum – die Christen und viele Nicht-Christen – beschenken sich, freuen sich, essen gemeinsam. Alles läuft auf das Weihnachtsfest zu. Es ist der Höhepunkt dieser Jahreszeit – ein wahrhaft heiliger Höhepunkt, an dem die Welt für einen kurzen Moment den Atem anhält, um kurz darauf wieder in den Alltag mit all seinen unterschiedlichen Herausforderungen zurückzukehren.

Höhepunkte haben es so an sich, dass sie nicht lange anhalten können. Auf den Höhepunkt folgt mit naturgesetzlicher Sicherheit die Entspannung. Kein Krimi kann nach der Verfolgungsjagd und Verhaftung der Täter noch lange weiterlaufen; auch eine überlange und spannungsarme Predigt führt nach dem liturgischen Höhepunkt der Verkündigung des Evangeliums nicht selten zur Totalentspannung derer, die eigentlich voll Freude mitfeiern wollten. So ist es auch mit der Art, wie die Zeitgenossen Weihnachten feiern. Die Adventszeit ist zu einer Zeit der Vorfreude geworden. Jede Woche wird eine neue Kerze am Adventskranz entzündet – die Spannung steigt. Jeden Tag wird ein neues Türchen am Adventskalender geöffnet – die Freude wird immer größer. Und mit jedem Geschenkekauf freuen sich nicht nur die zukünftig Beschenkten mehr auf das Weihnachtsfest, sondern sicher auch diejenigen, die hoffen, mit einem Geschenk einen Treffer gelandet zu haben. Vorfreude ist schließlich die schönste Freude – und die soll man gegenwärtig den Menschen nehmen?

Entspannt euch, ihr Christen, nun freut euch doch – so ruft auch Paulus in der ersten Lesung vom dritten Adventssonntag im Lesejahr B den Thessalonichern zu:

Freut euch zu jeder Zeit! (1 Thessalonicher 5,16)

Zu jeder Zeit – also auch im Advent! Tut Buße, wenn Buße Not tut! Freut euch, wenn Freude angesagt ist – und sie ist es offenkundig in diesen Zeiten. Es herrscht tatsächlich Frieden im Land, den meisten geht es gut – wenn das kein Anlass zur Freude ist, wie sie auch in der ersten Lesung vom dritten Adventssonntag im Lesejahr B anklingt:

Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleide mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt. (Jesaja 61,10)

Wenn Gott Mensch wird, dann ist das tatsächlich eine Vermählung. Der Himmel küsst die Erde, das Wort wird Fleisch. Eine Hochzeit will vorbereitet sein. Niemand kann fasten, wenn der Bräutigam naht. Niemand büßt, wenn die Braut sich schmückt. Vielleicht muss die Kirche das lernen in diesen Zeiten, dass die Vorfreude, mit der die Weltlichen sich auf Weihnachten vorbereiten, kein Ausdruck des Unglaubens ist, sondern ein intuitives Bekenntnis zu dem, was an Weihnachten gefeiert wird – ein Grund zum Jubeln, der sich auch im Gesang Mariens Luft verschafft, der im Antwortpsalm am dritten Adventssonntag im Lesejahr B erklingt:

Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. (Lukas 1,46-48)

Der vorweihnachtliche Jubel ist nicht nur verständlich, er ist auch berechtigt. Der Advent ist zur Vorweihnachtszeit geworden, eine Jubelzeit, die auf Weihnachten ausgerichtet ist. Es könnte schlimmer um die Botschaft der Menschwerdung Gottes stehen …

Das Brauchtum hat sich mit dem Verständniswandel geändert. Die ehemalige Kargheit von Fasten und Buße, die ihre Erlösung am Heiligen Abend erfuhr und in die Festzeit einmündete, ist zur Jubelzeit geworden, die ihren Höhepunkt am Heiligen Abend findet. Wo der Höhepunkt erreicht ist, kann die Spannung nicht mehr aufrecht erhalten werden. Es ist daher keine Wunder, dass in vielen Wohnungen der Weihnachtsbaum schon im Advent steht, dann aber am zweiten Tag nach Weihnachten entnadelt auf den Straßen liegt. Volksbrauchtum kann man nicht von oben verordnen. Der sensus populum macht, was er will … und zeigt darin doch immer noch, dass er um die Bedeutung des Weihnachtsfestes weiß. Was stört den modernen Zeitgenossen der moralisch-klerikale Finger? Klug geschissen ist eben noch lange nicht, besser gewusst …

Wenn die Kirche ihre Relevanz wirklich zurückgewinnen möchte, dann sind kontrafaktische Bekenntnisse und pseudotraditionelle Oberlehrerhaftigkeit sicher keine guten Wege, die Herzen der Menschen zu erreichen. Wäre es nicht besser, die weihnachtliche Vorfreude in froher Vorweihnachtszeit als Chance zu begreifen, um vom Weihnachtsfest her auf eine weitere Dimension der Heiligen Nacht hinzuweisen? Neben der Freude klingt in den Texten des dritten Adventssonntages ja noch ein Grundton an, der auch in der gegenwärtigen Gesellschaft leicht übersehen wird – die Gerechtigkeit. Wenn Weihnachten wirklich ein Fest des Friedens ist, dann nur deshalb, weil Gott den gesandt hat, der

den Armen eine frohe Botschaft bringt und alle heilt, deren Herz zerbrochen ist

und

den Gefangenen die Entlassung verkündet und den Gefesselten die Befreiung, damit er ein Gnadenjahr des Herrn ausruft. (nach Jesaja 61,1f)

Auch beim dem im Antwortpsalm zitierten Magnificat stehen Vorfreude und die Errichtung der göttlichen Gerechtigkeit in enger Beziehung zueinander:

Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. (Lukas 2,50-53)

Eine Gesellschaft, in der man sich nur über sich freut, dabei aber die übersieht, denen man zu Nächsten werden müsste, gerät schnell in eine Schieflage. Eine Gesellschaft im Ungleichgewicht wird schnell zum Anlass, dass man wieder singen kann: „Kündet allen in der Not, fasset Mut und habt Vertrauen“. Jeder Zeiten Geist singt seine eigenen Lieder …

Ohne also den moralischen Zeigefinger mit hohlen Forderungen zu erheben, die übersehen, dass die Art Advent zu feiern einem steten Wandel der Zeiten unterlegen ist, könnte die Kirche mit Jubel in die weihnachtliche Vorfreude einstimmen. Es ist wie beim Judo: Wer nur Widerstand leistet, kann den Gegner nicht besiegen. Nimmt man aber seine Energie mit, ist man selbst scheinbar stärkeren Kampfgenossen gewachsen. So könnte man voller Vorfreude auch auf die aufmerksam machen, die sich noch nicht so mitfreuen können, wie die vielen, die jetzt schon feiern. Das wäre eine wahrhaft frohe Botschaft, wenn die Kirche statt zu jammern, dass sich dies und das verändert habe, wieder ein wahres Gnadenjahr des Herrn ausriefe und den Armen die frohe Botschaft brächte, wenn sie, statt zu klagen, dass früher alles anders war, endlich die heilen würde, deren Herz zerbrochen ist. Die Christen hätten so viel zu tun – aber sie beschwören nur die eigene Not und ärgern sich über eine Welt, die sich auf Weihnachten freut.

Beherzigt daher endlich den Rat des Paulus:

Prüft alles, und behaltet das Gute! (1 Thessalonicher 5,21)

Sich zu freuen, ist zweifelsohne nicht Schlechtes. Die Herzen sind offen, welch eine Chance für die frohe Botschaft. Vielleicht ist es an der Zeit, die Kanzeln mit dem Glühweinstand zu tauschen. Nun freut auch ihr euch, ihr Christen, singet Jubellieder – der Bräutigam naht. Das Fest beginnt!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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