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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – 6. Sonntag der Osterzeit, Lesejahr B

Klebrig-süß oder leidenschaftlich, fromm-verspielter Kitsch oder loderndes Feuer – das Wort Liebe steht für vieles. Man kann sich hinter ihm verstecken und sich in ihre selbst übersteigen. Mit den Lippen bekannt ist sie noch lange nicht wirksam, wenn sie sich nicht in der Tat erweist. Auch die Liebe ist ein Tatwort. Wenn seine Süße nur auf der Zunge liegen bleibt und nicht durch des Lebens Probe geläutert wird, verklebt sie die Poren des Seins und verschleiert die Wahrnehmung. Des Lebens Wirklichkeit wird rosarot verklärt wo der Alltag nur grau ist. Wie Karies fressen sich diese fad-süßen Liebesbekundungen in die Seelen und hinterlassen auf Dauer nur eine löchrige Fäule des Selbstbetruges. Wahre Liebe hingegen kann die Leidenschaft nicht für sich behalten. Sie schafft Leiden; sie leidet mit. Sie ist nicht süß und niedlich. Wahre Liebe ist nicht fromm und selbstbezogen. Sie ist hart und wirklich:

Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. (1 Korinther 13,7)

Wahre Liebe besteht aus Sehnsucht. Sie sehnt sich nach dem Gegenüber. Gerade deshalb sind Liebe und Leiden eng aufeinander bezogen. Die Liebe ist nie zufrieden. Ihr Ziel ist das Du, nicht das Ich. Gerade deshalb ist der Geschmack der Liebe nicht süß, sondern bitter. Solche Liebe ist selten ein Genuss, denn in der Liebe übersteigt sich das Ich und macht das Du zum Lebensinhalt. Leidet das Du, leidet auch das Ich.

Das alles hört sich aber doch wieder kitschig-romantisch an, wäre da nicht der Selbsterhaltungstrieb des Ich, der die schöne Du-Seeligkeit der Liebe stört. Ist die Emphase des Verliebtseins noch Grund genug, sich im Rausch der Endorphine selbst zu verlieren, so gewinnt früher oder später doch die Frage des eigenen Gewinns wieder die Oberhand. Ist es für die Verliebten noch eine Selbstverständlichkeit, alles für das geliebte Gegenüber zu geben, so erfahren Paare, die es geschafft haben, aus der Phase der Verliebtheit in die Wirklichkeit der Liebe zu gehen, dass eben diese Liebe vor allem Arbeit ist. Auf den Rausch des Verliebtseins, in dem man zu nahezu jedem Opfer bereit war, folgt oft das raue Erwachen, in dem sich die Nebel der Weichzeichnung lichten und sich der Partner, der gestern noch ein Engel war, als Mensch entpuppt.

Es ist also kein Wunder, das Märchen und Liebesschnulzen mit der Hochzeit enden. Der Alltag bleibt den so illusionierten Lesern erspart, die doch schon an der Desillusionierung ihres eigenen Lebens genug zu tragen haben: Der, der mir den Himmel bereiten sollte, fordert das von mir. Der Prinz wurde nach der Hochzeitsnacht zu einem Frosch, der sich leider nicht zurückverwandelt, wenn man ihn vor die Wand wirft. Und die schöne Prinzessin ist meist auch nicht bereit, einfach nur schön zu sein, sondern offenbart schnell, dass sie einen eigenen Kopf hat und nicht bloß schmückendes Beiwerk sein möchte. Die Liebe ist kein sicherer Hafen, sondern eine raue See, in dem bisweilen Stürme toben. Wenn das Team hier nicht aufpasst, wird das Schiff auf dem nächsten Riff zerschellen. Liebe – das ist jetzt zu lernen – taugt nicht zu Lippenbekenntnissen. Liebe muss sich erweisen. Liebe besteht nicht darin, dass der andere mir den Himmel bereitet. Liebe ist der Auftrag, dem anderen eine Ahnung vom Himmel zu geben – immer wieder neu, jeden Tag, jeden grauen Alltag. Es ist genau diese Anstrengung, die die Liebe groß macht.

Per aspera ad astra! – Durch das Raue zu den Sternen! (Seneca)

Wer in den siebten Himmel gelangen möchte, wird das nicht auf leichten Flügeln tun!

„,Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm’ (1 Joh 4,16). In diesen Worten aus dem Ersten Johannesbrief ist die Mitte des christlichen Glaubens, das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges in einzigartiger Klarheit ausgesprochen. Außerdem gibt uns Johannes in demselben Vers auch sozusagen eine Formel der christlichen Existenz: ‚Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt’ (vgl. 4,16).“ (Benedikt XVI, Enzyklika „Deus caritas est“, Nr. 1)

Mit diesen Worten beginnt die Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst Benedikt XVI. Die Liebe wird als innerstes Wesen des christlichen Glaubens bezeichnet. Nicht umsonst wird sie vielfach in Predigten und Andachten, frommen Worten und Ansprachen beschworen. Nicht selten gewinnt man dabei den Eindruck, dass der Aufruf zur Liebe in der Kirche dazu dient, den Konflikt zu vermeiden und die Realität des christlichen Seins in schwierigen Zeiten zu verschleiern. Lieben streiten doch nicht – wer so denkt, hat noch nie geliebt.

Auch in den Lesungen vom 6. Sonntag der Osterzeit im Lesejahr B ist die Liebe allgegenwärtig. 20mal taucht das Wort in der zweiten Lesung aus dem 1. Johannesbrief , 4,7-10 und dem Evangelium Johannes 15,9-17 auf. Es sind schöne Worte, die dort gesprochen werden. Sie gehen zu Herzen und erheben die Seele. Diese Liebe ist ein Traum:

Gott ist die Liebe. (1 Johannes 4,8)

Gerade deshalb soll der Traum Jesu wirklich werden:

Liebt einander! (Johannes 15,17)

Freilich wird das zarte Rosa des frommen Scheins jäh gestört, wenn man tiefer in den Text eindringt. Die Liebe Gottes ist für Jesus nämlich stilprägend:

Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! (…) Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. (Johannes 15,9.12)

Die Liebe Gottes aber taugt nicht zum Kitsch. Sie ist konsequent. Ihre Härte und Kompromisslosigkeit ist fordernd:

Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. (Johannes 15,13)

Ob das den Vielen, die die Liebe Gottes vorschnell über die Lippen bringen, wirklich immer klar ist. Denn die Liebe Gottes ist todesmutig:

Die Liebe Gottes wird unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir  Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat. (1 Johannes 4,9f)

Diese Sätze aus dem 1. Johannesbrief muss man kauen und verdauen. Es nutzt nichts, dass der Mensch Gott liebt. Diese Liebe wird von vielen behauptet. Ja, manche meinen sogar, sie müssten diese Liebe permanent vor sich hertragen wie einen rosaroten, mit heißer Luft gefüllten Herzballon. Solche Liebe aber prahlt, sie prahlt mit sich selbst. Die Liebe hingegen, von der der Autor des 1. Johannesbriefes spricht, lässt geschehen. Sie nimmt die Liebe Gottes an, eine Liebe, die den Tod nicht scheut.

Der Schrecken fährt einem in die Glieder angesichts der Rauheit dieser Liebe. Diese Liebe soll stilprägend für die sein, die in der Nachfolge Jesu stehen? Der Tod ist doch wohl ein allzu hoher Preis. Das kann man doch wohl nicht verlangen. Man muss doch schließlich auch an sich selbst denken. Und man muss Nein! sagen können. Viele, die den Gott der Liebe mit Inbrunst verkünden, können sehr gut Nein! sagen. Das haben sie gelernt in Supervisionen und geistlichen Prozessen. Sich abgrenzen zu können, gehört zum guten pastoralen Ton. Allein: die Liebe kennt keine Grenzen! Im Gegenteil – sie überschreitet sie:

Stark wie der Tod ist die Liebe, die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt. Ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flammen. Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen; auch Ströme schwemmen sie nicht weg. Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses, nur verachten würde man ihn. (Hoheslied 8,6b.7)

Es wird zuviel von Liebe geredet. Diese Verbalinflation entwertet die Liebe. Sie wird zu einer Floskel, die man schnell im Munde führt. Wie ernst es jemand meint, kann man leicht erkennen: Sind die Worte süß und schön, oder hart und rau. Der übersättigenden Süße wird das saure Aufstoßen folgen. Wer sich aber der harten Wirklichkeit echter Liebe stellt, wird den Himmel ahnen.

Wer im Taumel der selbst gemachten Liebesvorstellungen seine Seele eben noch hoch erhoben wähnte, mag angesichts dieser Gedanken jäh verstört und desillusioniert sein. Das wäre der Liebe gemäß, denn

die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. (1 Korinther 13,4)

Die Einübung dieser Herausforderung macht demütig. Sie lehrt, dass man zwar nicht alle mögen, aber doch alle lieben muss:

Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. (1 Korinther 13,5f)

Die Wahrheit – sie ist das Ziel der Liebe. Liebe ist kein Gefühl. Liebe ist eine Macht. Sie ist zu wertvoll, dass man sie in Worten verschwendet.

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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