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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Zweiter Advent, Lesejahr A

Dass der Advent von seinem inneren Wesen her eine Zeit des Aufbruchs und weniger eine Zeit der besinnlichen Innenschau ist, war bereits das Thema des letzten „Wortes zur Woche“ vom 1. Dezember 2013. Die Beschäftigung mit sich selbst ist meist nur ein scheinbares Innehalten, das Sinn machen würde, wenn es um eine kurze Orientierung und die Frage geht, wie der Weg weitergegangen werden soll. Das Leben hält solche Weggabelungen bereit, die eine Entscheidung erforderlich machen. Ein solches Innehalten ist manchmal notwendig. Die Innenschau an sich aber ist wertlos, wenn sie nicht zu einer Entscheidung führt. Dann wird sie zu einer Beschäftigung mit sich selbst, die bestenfalls der eigenen Befriedigung dient. Eine solche Selbstbeschäftigung ist der Erfüllung des Auftrag der Kirche, hinauszugehen in die ganze Welt und das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden (vgl. Markus 16,15), eher abträglich.

Nun steht in einem bedeutenden deutschen Erzbistum die Neubesetzung der bischöflichen Kathedra an. Der derzeitige Erzbischof ist noch im Amt, seine Demission aber absehbar. Wie schon vor 25 Jahren werden wieder Initiativen gestartet, die Einfluss auf die Neubesetzung nehmen möchten. In diesem Fall sind es die Kölner Kircheninitiative, die sich mit einer (strategisch verunglückten) Medienkampagne und einem offenen Brief für mehr Mitbestimmung der Katholiken in der Katholischen Kirche, vor allem aber für die Mitbestimmung der Katholiken an der Wahl des neuen Kölner Erzbischofs einsetzt. Bereits Ende November hatten prominente Kölner Katholiken in einer Denkschrift ihre Wünsche für die Nachfolge des amtierenden Kölner Erzbischofs formuliert.

Die Forderung nach mehr Demokratie in der Kirche ist populär. Berechtigt ist die Forderung, den sensus fidelium, also den Glaubenssinn des gesamten Gottesvolkes wieder zur Geltung zu bringen. Die Ereignisse in den Bistümern Limburg und Augsburg, aber auch die Diskussion um die Freiburger Handreichung zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung zeigen, dass es bereits jetzt schon nicht mehr möglich ist, lehramtliche Autorität unwidersprochen gegen den Glaubenssinn des gesamten Gottesvolkes mit scheinbar starker Hand durchzusetzen. Der autoritäre Führungsstil scheitert an der Mündigkeit und Autorität der Getauften und Gefirmten. Die alte hierarchische Top-Down-Struktur ist bereits aufgelöst. Die neue „heilige Ordnung“ – so die eigentliche Bedeutung des Wortes Hierarchie – muss neu formuliert werden. Sie findet ihr Leitbild in der Metapher vom „Leib Christi“, wie es Paulus im 1. Korintherbrief formuliert (vgl. 1 Korinther 12,12-31a). In dieser neuen Ordnung gibt es keine horizontale Trennung zwischen Klerikern und Laien mehr, sondern Aufgaben und Funktionen, die die Vitalität des Leibes Christi aufrecht erhalten. Es findet also bereits jetzt faktisch ein Typenwechsel in der Anerkennung kirchlicher Autoritäten statt. Hier hilft ein Blick in die soziologische Definition der Herrschaftstypen, wie Max Weber sie in seiner Schrift „Wirtschaft und Gesellschaft“ vorgenommen hat:

„[Herrschaft] kann rein durch Interessenlage, also durch zweckrationale Erwägungen von Vorteilen und Nachteilen seitens des Gehorchenden, bedingt sein. Oder andererseits durch bloße ‚Sitte‘, die dumpfe Gewöhnung an das eingelebte Handeln; oder sie kann rein affektuell, durch bloße persönliche Neigung des Beherrschten, begründet sein.“ (M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Teilband 4: Herrschaft (Band I-22/4 der Gesamtausgabe), S. 217.)

Einfacher gesagt unterscheidet Max Weber zwischen eine legalen, einem traditionalen und einem charismatischen Herrschaftstyp. Der legale Typ definiert Autorität über eine entsprechende Satzung, der traditionale über die Sakralität überlieferter Ordnungen, der charismatische über die ureigensten Qualitäten der Persönlichkeit.

Es liegt auf der Hand, dass die bisherige Hierarchie der Kirche traditional und damit amtscharismatisch definiert wurde. Herrschaft wurde aufgrund der tradierten Sakralität des Amtes ausgeübt. Das Charisma wurde exklusiv durch das Amt verliehen. Der Geist wehte nicht, wo er wollte. Er wehte nur in der Weihe. Charismen Ungeweihter dürfen sich dann – wenn überhaupt – nur unter der Aufsicht Geweihter entfalten.

Dieses Privileg kennt die charismatische Autorität nicht. Autorität ist hier eng mit Authentizität verbunden. Kirchlich ist dabei nicht mehr die Weihe zur Autoritätsausübung entscheidend. Der durch eine Ordination für eine bestimmte Funktion Bestellte muss nicht gleichzeitig Leitungsaufgaben übernehmen, wenn er es nicht kann. Es liegt auf der Hand, dass Paulus diesen Herrschaftstyp vor Augen hatte, als er das Bild vom Leib Christi ausformulierte. Der Organismus der Kirche pulsiert, weil der Geist weht, und nicht, weil eine sakrosankte Maschinerie den bleichen Leib am Leben hält.

Die Kirche befindet sich tatsächlich im Aufbruch. Sie reformiert sich wieder einmal. Die Vision des Jesaja, die in der ersten Lesung des zweiten Adventssonntages im Lesejahr A verkündet wird, wird da zur Mahnung. Sie beschreibt die Zeichen, an denen der Anbruch der messianischen Zeit zu erkennen sind:

Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. (Jesaja 11,6-8)

Der Wolf bleibt Wolf und das Lamm bleibt Lamm. Und doch verschwindet das Jäger-Beute-Schema. Die traditionale Rollenverteilung wird in diesem Bild aufgehoben, die Angst verschwindet.

Wenn man die weiter oben erwähnten Invektiven anlässlich der bevorstehenden Neubesetzung des Kölner Bischofsstuhles betrachtet, beschleicht einen ein schales Gefühl. Nicht nur, dass das Fell des Bären verteilt wird, bevor man es hat. Sie schreiben auch faktisch die horizontale Trennung zwischen Geweihten und Ungeweihten fest. Darauf macht nicht nur Norbert Bauer in seinem Beitrag „Darf es ein bisschen weniger sein?“ hin. Zu Recht irritiert über eine Formulierung des offenen Briefes der Kölner Kircheninitiative stolpert, die fordert, dass der

(neue) Erzbischof, eine gemeindenahe Person, die die Menschen in unserem Erzbistum in eine hoffnungs- und vertrauensvolle Zukunft leitet und begleitet,

sein soll, stellt er fest:

Eine Fixierung auf den (zukünftigen) Bischof bestätigt jedoch die eingefahrenen Muster und lenkt ab von dem so wichtigen Anliegen der Kölner Kircheninitiative: wie kann mit Partizipation und Subsidiarität die Kirche mit ihrer Botschaft zukunftsfähig werden? (Quelle: Theosalon)

Dass die Initiative faktisch noch in den traditionalen Mustern denkt, wird auch an der Liste der Unterzeichner deutlich, die streng hierarchisch getrennt und geordnet ist: Zuerst die Priester und Diakone, dann Ordensangehörige und Laien, die ihrerseits nach Laien im pastoralen Dienst, Religionspädagoginnen und -pädagogen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheits- und Sozialdienst oder Caritas, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Folgediensten und Gemeindemitgliedern getrennt sind. Was soll das, wenn man doch das Anliegen hat, der Kirche ein neue Form zu geben? Fängt man dann nicht bei sich selbst an? Die neue Form, die dringend nötig ist, hätte hier ihren ureigenen Ausdruck gefunden!

Selbst wenn die Mitbestimmung bei der Neubesetzung eines Bischofsstuhls möglich wäre – was in unseren Breiten nicht nur kirchen-, sondern auch staatskirchenrechtliche Neuordnungen voraussetzen würde – so würde so doch nur das alte Denken weiter befördert. Wenn der Geist wieder wehen soll, reicht es nicht, die Abschaffung des Klerikalismus zu fordern, wenn man ihn doch wieder dokumentiert. Veränderung fängt immer bei sich selbst an. Das eigene „Ich“ ist der eigenen Faktor, den man tatsächlich beeinflussen kann. Spreu und Weizen, von denen das Evangelium des zweiten Sonntags im Jahreskreis A am Ende spricht (vgl. Matthäus 3,12), sind immer in der eigenen Persönlichkeit angelegt: Die Spreu umschließt das Weizenkorn. Es geht also nicht um die Trennung der Guten von den Bösen, sondern um die Wahrnehmung des eigenen Selbst: Was hindert und befördert mich, umzukehren? Hier innezuhalten und sich neu zu orientieren, lohnt sich. Dann aber gilt es, aufzubrechen.

Der Aufbruch der Kirche ist längst da. Wer jetzt immer noch stehenbleibt und nicht fortschreitet, sollte das Wort Johannes des Täufers beherzigen:

Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. (…) Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. (Matthäus 3,10.12)

Kehrt also um! Bekehrt euch und nehmt Abschied von den alten Wegen. Brecht auf und belebt den einen Leib Christi. Macht die Lungen weit, dass der neue Atem Leben einhaucht.

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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