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kath 2:30 Dies DominiDies Domini – Erster Adventssonntag, Lesejahr A

Die Zeit ist wieder gekommen, in der sich die alte Verheißung der endzeitlichen Völkerwallfahrt des Propheten Jesaja zu erfüllen scheint. Man braucht in diesen Tagen nur den Versuch zu unternehmen, in das Zentrum einer mittelgroßen Stadt zu kommen – egal ob man es mit dem PKW, dem öffentlichen Personennahverkehr oder gar zu Fuß versucht: Völkerscharen sind unterwegs. So muss es sich der Prophet vorgestellt haben: Wenn die messianische Zeit anbricht, am Ende der Tage, dann strömen die Völker – freilich nicht in die Innenstadt zum Weihnachtsmarkt, sondern zum Haus des Herrn. Aber immerhin: Die alljährliche Vergegenwärtigung vorweihnachtlicher Geschäftigkeit zeigt, dass Weihnachten die Menschen immer noch in Bewegung bringt. Auch wer nicht weiß, was an Weihnachten wirklich gefeiert wird, wird bewegt. Wie weiland die Hirten vom Feld zu dem Unterstand liefen, die wahrscheinlich auch nicht wirklich wussten, was oder wer da wohl wartete, so sind heute viele unterwegs, die wenigstens eine vage Weihnachtsahnung haben. Und so wie die Hirten zur Krippe liefen und eilten (vgl. Lukas 2,16), so laufen und eilen auch sie jetzt – scheinbar plan- und kopflos, voller emsiger Hektik, gestresst Glühwein schlürfend – zielstrebig auf die Heilige Nacht zu. Und so gilt das Wort des Paulus aus der zweiten Lesung des ersten Adventssonntags, der das Lesejahr A eröffnet, auch heute noch:

Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. (Römerbrief 13,11)

Wenn Gott kommt, wer kann da still stehen? Gott ist Dynamik und Bewegung. Zu Recht heißt es deshalb in der ersten Strophe des bekannten Adventsliedes „Wachet auf, ruft uns die Stimme“:

„Wachet auf“, ruft uns die Stimme
der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
„wach auf, du Stadt Jerusalem.“
Mitternacht heißt diese Stunde;
sie rufen uns mit hellem Munde:
„wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräutgam kommt;
steht auf, die Lampen nehmt. Halleluja.
Mach euch bereit zu der Hochzeit,
ihr müsset ihm entgegengehn.

Die von einem solchen adventlichen Aufbruch Bewegten kommen aber wohl jäh ins Stocken, wenn sie einen Blick in die Sonderausgabe der Kirchenzeitung eines großen deutschen Erzbistums werfen, die in diesen Tagen mit dem Titel „Adventszeit“ in alle katholischen Haushalte verteilt wurde. Schon auf der Titelseite wird man kleinlaut kleingeschrieben aufgefordert: „einfach mal anhalten,“ (inkl. des Kommas!), wobei einen ein junges Mädchen mit einem Stern in der Hand anschaut, das in dem geschäftigen Völkerstrom der Kölner Hohen Straße still steht. Man weiß nicht, ob sie nach dem Weg fragen möchte, weil sie sich verirrt hat, oder ob sie wissen möchte, warum sie krampfhaft einen Stern in der Hand hält. Noch leuchtet der Stern der jungen Frau. Wird sie aber noch genug Öl haben, wenn der Bräutigam kommt? Sie geht ihm auf jeden Fall nicht entgegen, sondern scheint eher darauf zu warten, dass sie abgeholt wird. Der Evangelist Matthäus weiß, dass das nicht gut gehen wird, denn wer nicht rechtzeitig dem Bräutigam entgegeneilt, wird vor verschlossener Tür stehen (vgl. Matthäus 25,1-13).

Die Aufforderung, im Advent anzuhalten, bleibt in der „Adventszeit“-Zeitung nicht singulär. Bereits auf S. 3 fordert der Herausgeber im Editorial auf: „Einen Gang zurückschalten“. Und so geht es weiter mit den Beiträgen „Auf die Stille hören“ (S. 18 – was auch immer die Stille redet, womit sie ja aufhört Stille zu sein …) und „Eine Auszeit aus dem Alltag“ (S. 34 – wo Gott doch mitten im Alltag zur Welt kommt …). Immerhin gibt es den schönen Beitrag „Wir haben Stress, damit sie Ruhe haben“ (S. 38), in dem die zu Wort kommen, die an Weihnachten arbeiten müssen, damit wenigstens die grundlegendsten Vitalfunktionen der Gesellschaft aufrecht erhalten werden.

Es ist schon eigenartig, wie die großen messianischen Weissagungen in der kirchlichen Verkündigung unterlaufen werden. Der adventliche Aufbruch wird sofort angehalten. Das Halleluja darf offenkundig nur still gedacht werden. Statt Eile zum Heil, heilige Langeweile.

Nein, wer im Advent zurückschaltet, wird den törichten Jungfrauen ähnlich, die in der Stille um einen guten Bräutigam beteten, aber das Leben verpassten: Die Tür schloss sich schneller, als sie „Herr, Herr, mach uns auf!“ (Matthäus 25,11) sagen konnten.

Stattdessen sind gespannte Wachsamkeit und die Bereitschaft, aufzubrechen und loszueilen, das Gebot der Stunde. Das ist nicht nur die Aufforderung des Evangeliums vom ersten Adventssonntag im Lesejahr A:

Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Matthäus 24,44)

Auch die vorweihnachtlichen Völkerwanderungen zeugen von der Zeit des Aufbruchs. Wer jetzt stehen bleibt, der verpasst das Leben. Erkennt die Zeichen, die Zeit ist nahe! Currete!

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

4 Kommentare

  1. Bernhard Rypalla schrieb am 30. November 2013 um 18:03 :

    Lieber Her Dr. Kleine,

    ich lese Ihre Texte immer wieder sehr gerne, möchte in diesem Fall aber auf einen Text von Josef Bordat verweisen (http://bit.ly/18ua2Bb) der zu dem Fazit kommt:

    „Wenn wir also in den nächsten Wochen die Türen von Kaufhäusern und die Türchen des Adventskalenders öffnen – denken wir daran: Dass uns die Tür zur Krippe, in der Gott als Mensch liegt, ganz weit offen steht, ist nicht Resultat unserer Geschäftigkeit, sondern das Geschenk der Liebe Gottes.“

    In diesem Sinne einen gesegneten 1. Advent 🙂

    • Dr. Werner Kleine schrieb am 30. November 2013 um 20:55 :

      Lieber Herr Rypalla,

      das ist für mich kein Widerspruch. Die Tür des Stalles steht an Weihnachten ganz offen. Jetzt ist aber noch nicht Weihnachten. Und um zur offenen Stalltür zu gelangen, muss man laufen und eilen – wie die Hirten eben.

      Mich stört immer ein wenig die Entgegensetzung Welt/Gott, die in diesen Vergleichen steckt. Die Vergleiche hinken. Erstens setzt das Geschenk Gottes eine Menge Geschäftigkeit seinerseits voraus – so wie es Paulus im Philipperbrief schreibt: „Er war Gott gleich, hielt seine Gottheit aber nicht wie einen Raub fest, sondern entäußerte sich.“ Das ist ein hoher Einsatz, den Gott erbringt, um uns das Geschenk der Menschwerdung zu machen. Würde es sich sonst lohnen, zur Krippe zu eilen, von fern her wie die drei Weisen mit wertvollen Geschenken, die auch sie wohl erworben haben?
      Zweitens mussten Joseph und Maria nach dem Lukasevangelium doch erst nach Bethlehem ziehen. Eine solche Reise bedarf wohl geschäftiger Vorbereitungen – und selbst die Suche nach einer Unterkunft war wohl – wie die Bibel selbst weiß – von viel geschäftlichen Türenöffnen und -schließen begleitet, bis sich die Tür der Krippe öffnen konnte. Die romantische Sicht der stillen Nacht übersieht das alles …
      Und drittens wird auch die Welt an Weihnachten, das werden Sie sehen, den Atem anhalten.

      Stille ist nicht die Voraussetzung der Gottesbegegnung, sondern deren Folge. Die Welt spürt und weiß das. Jetzt aber ist die Zeit der Vorbereitung auf das große Fest – und wer da still steht, wird nicht an der Krippe ankommen. Die Kirchenlieder sprechen die gleichen Sprache: Wachet auf …, Kommet ihr Hirten und eilet geschwind … oder die zweite Storphe von „Die Nacht ist vorgedrungen“: „Die Nacht ist schon im schwinden, macht euch zum Stalle auf …“. Advent ist Bewegung und nicht Stillstand. Mussten sich die drei Weisen aus dem Morgenland nicht geschäftig vorbereiten, um dann in Bethlehem staunend zu schweigen?

      Vielleicht müssen wir manches christliche Vorurteil revidieren. Nicht alles, was sich gut anhört, ist durch die frohe Botschaft gedeckt. Paulus hingegen weiß: „Die Zeit ist kurz.“ (1 Kor 7,29). Wenn wir uns das vergegenwärtigen, dann sieht die Sache anders aus. Ich glaube, dass wir Christen vergessen haben, dass wir eilend Gott entgegen gehen. Die vorweihnachtliche Atmosphäre in den Innenstädten ist da für mich ein Gleichnis. Es wird ja niemand gewzungen mitzumachen.

      Die Aufforderung, einen Gang zurück zu schalten, finde ich hingegen angesichts der biblischen Botschaft skurril, denn dort ist alles in Bewegung.

      Ich freue mich, wenn meine Texte bewegen. Deshalb danke ich für Ihren Einwurf. Den adventlichen Segenswunsch gebe ich gerne zurück.

      Dr. W. Kleine

  2. Kath 2:30 schrieb am 7. Dezember 2013 um 22:13 :

    […] Zeit des Aufbruchs und weniger eine Zeit der besinnlichen Innenschau ist, war bereits das Thema des letzten “Wortes zur Woche” vom 1. Dezember 2013. Die Beschäftigung mit sich selbst ist meist nur ein scheinbares Innehalten, […]

  3. Peter Bieger schrieb am 10. Dezember 2013 um 06:02 :

    Einen schönen guten Morgen Herr Kleine,

    ich habe den Blog grad entdeckt und Ihren Beitrag zu „Keine Zeit, still zu stehen“ gelesen. Der Gedanke, dass vom Nichtstun nichts passiert, gefällt mir sehr gut. Viele Dinge muss man sich erarbeiten und nicht „erstehen“ oder „ersitzen“. Das Beispiel mit den auf den Bräutigam wartenden Jungfrauen ist ein gutes.

    Wobei es auch Zeiten gibt, in der eine Beschäftigung mit sich selbst angesagt ist – niemand kann immer nur beschäftigt sein.

    Vielleicht lernen wir uns ja bald persönlich kennen. Würde mich freuen!

    Beste Grüße
    Peter Bieger

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